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Es wird zum Drama für alle Wiener Eltern mit Kindern unter zehn – sofern sie sich nicht wie viele Politiker und die Herren der Industriellenvereinigung teure Privatschulen leisten können: In Wien wird es künftig um 15 Prozent weniger Plätze in Gymnasiums-Unterstufen (AHS) geben. Das geht auf die von der Bundesregierung ausgeschnapste Bildungsreform zurück, die sich de facto nur in Wien auswirken wird. Dort dafür für viele Familien umso verheerender.
Zwar ist das diesbezügliche Gesetz noch nicht durch den Nationalrat durch. Die Linksparteien im Parlament wollen den Prozentsatz sogar noch erhöhen, weil sie das Ideologieprojekt einer Zwangsgesamtschule für alle 10- bis 14-Jährigen mit klassenkämpferischer Verbissenheit verfolgen. Dabei zeigen sämtliche Umfragen, dass die Eltern mit massiver Mehrheit die Zwangsgesamtschule ablehnen, auch wenn diese „nur“ zu 15 Prozent kommt.
Aber es gibt trotz dieser momentanen parlamentarischen Holperstrecke kaum Zweifel, dass das 15-prozentige Einknicken der ÖVP dann auch im Parlament zur gesetzlichen Realität werden wird. Wenn nicht noch Schlimmeres. Die Schwarzen lassen sich auf ihrem Selbstmordtrip nicht einmal dadurch aufhalten, dass sie dadurch wieder etliche Stimmprozente an die FPÖ verlieren werden (oder denken dort manche: Bald haben wir eh nichts mehr zu verlieren, daher kann uns das wurscht sein?).
Die meisten anderen Bundesländer bis auf das Burgenland dürften bei den 15 Prozent freilich nicht mitmachen. Die Länder mit einem funktionierenden und bei allen Tests hervorragend abschneidenden Schulsystem wie Ober- oder Niederösterreich schon gar nicht. Aber auch in den beiden mit ÖVP-Mehrheit regierten Bundesländern im Westen, wo die Landesregierungen einige Zeit für die Gesamtschule aufgetreten sind, bekommt man jetzt zunehmend eiskalte Füße. Denn wo auch immer in den letzten Wochen durchgesickert ist, dass beim regionalen Gymnasium die Unterstufe aufgegeben werden könnte, erhebt sich ein gewaltiger Proteststurm, der von Osttirol bis Landeck und Vorarlberg für die ÖVP verheerend werden könnte.
Das einzige Argument, das von Tirols Machthabern immer wieder für die Gesamtschule ins Treffen geführt worden ist, ist absolut faktenwidrig. Es lautet in den Worten der gesamtschuleuphorischen Tiroler Schullandesrätin Palfrader: „In Südtirol funktioniert die gemeinsame Schule seit 30 Jahren.“
Das ist schlicht gelogen. Denn in Südtirol gibt es gar keine gemeinsame Schule. Das sollte man auch in Innsbruck wissen. Dort gibt es seit langem eine strenge Trennung: Hie die deutschen Schulen, die gute Erfolge haben; dort die italienischen Schulen mit schlechten Ergebnissen. In Pisa-Punkten gemessen (wenn man schon diesen nicht unproblematischen Test ständig als Maß aller Dinge heranzieht): Österreich hatte beim letzten Pisa-Test 490 Punkte; die deutschen Schulen Südtirols hatten 503 – die italienischen hingegen nur 474.
Der Unterschied liegt nun nicht etwa darin, dass Italiener generell dümmer wären, sondern in einem anderen Aspekt, der aus politisch-korrekter Blindheit aber meist ignoriert oder verschwiegen wird: Das ist der ganz unterschiedliche Anteil von Migranten-Kindern mit anderen Muttersprachen. In den deutschsprachigen Schulen liegt deren Anteil nämlich knapp über 3 Prozent, in den italienischsprachigen hingegen über 13 Prozent, ist also viermal so hoch!
Es können wirklich nur Dummköpfe – oder Ideologen sein, die dieses Faktum nicht zur Kenntnis nehmen.
Die unterschiedlichen Migrantenanteile erklären auch international weitaus am signifikantesten die Unterschiede in den Pisa-Ergebnissen. Bei diesen landet Österreich ja nur im Mittelfeld. Aber wirklich alle bei Pisa vor Österreich liegenden Länder von Finnland bis Südkorea haben im Vergleich zur Republik einen sehr geringen Anteil solcher Migranten, jeweils einen Bruchteil des österreichischen.
Das Vorhandensein von Gesamtschulen in vielen Ländern kann hingegen gar nichts erklären: Denn auch alle weit hinter Österreich liegenden Länder haben Zwangsgesamtschulen. Und in Deutschland – wo es überall einen hohen Migrantenanteil gibt – liegen die Bundesländer mit achtjährigem Gymnasium weit vor den Gesamtschulbundesländern.
Politiker mögen diese statistisch eindeutige Korrelation – wohl weil nicht politisch-korrekt – verschweigen. Die bildungsorientierten Mittelschicht-Eltern, die für ihre Kinder eine gute Zukunft wollen, kennen sie aber sehr wohl. In Wien ist ihnen das besonders bewusst, wo jetzt schon über 60(!) Prozent der Kinder, die ins Schulsystem kommen, daheim eine andere Sprache als Deutsch sprechen.
Dieser beängstigend hohe Anteil fremdsprachiger Kinder nicht nur in Wien, sondern auch (wenn auch mit etwas niedrigeren Zahlen) in ganz Österreich ist ein europaweit einzigartiges Phänomen. Insbesondere in der zweiten Migrantengeneration spricht in keinem anderen Land ein so hoher Prozentsatz der Migrantenkinder daheim eine andere Sprache als die jeweilige Landessprache! In Zahlen (sie stammen ebenfalls aus der Pisa-Studie, werden aber – natürlich – vom Unterrichtsministerium nicht verbreitet) sind das in:
Großbritannien 24 Prozent,
Deutschland 35 Prozent,
Niederlande 45 Prozent,
Österreich 74 Prozent.
Was noch katastrophaler ist: In der ersten Generation sind das in Österreich nur 71 Prozent gewesen. Das heißt: In Österreich – und zwar nur dort! – nimmt der Deutsch-Gebrauch in der nächsten Zuwanderergeneration eher ab als zu.
Und gleich ein noch schlimmeres weiteres Faktum dazu: In Deutschland beträgt der Anteil daheim nicht deutsch sprechender Migrantenkinder erster Generation wie in Österreich 71 Prozent. Für die zweite Generation sinkt er aber beim nordwestlichen Nachbarn dann auf 35 Prozent ab, er halbiert sich also, während er bei uns steigt!
Daher besteht dringender Handlungsbedarf auf allen Ebenen. Denn diese Deutsch-Verweigerung kann nicht nur daran liegen, dass alle türkischen Familien daheim (z.B.) türkisches Satelliten-Fernsehen sehen. Das können sie nämlich in Deutschland auch.
Österreich und Wien sollten sich vorerst am besten auf folgende drei besonders wichtige Maßnahmen konzentrieren (aus einer Fülle weiterer Ideen):
Jedoch: Die Gemeinde Wien – wo ja das Sprachproblem gesamtösterreichisch weitaus am größten ist – hat das Geld genommen, sich aber keine Sekunde um die Verwendung von Deutsch in den Kindergärten gekümmert.
Das ist eigentlich ungeheuerlich. Noch ungeheuerlicher ist aber, dass Rot und Grün jetzt in Wien die Kinder der bildungsorientierten Mittelschicht bis zum 14. Lebensjahr in Klassen zwingen wollen, in denen die Mehrheit der Kinder nicht oder nicht gut Deutsch spricht. Die krause Idee dahinter: Die Mittelschichtkinder (die Oberschicht kann ja flüchten) sollen dort auf die anderen Schüler gleichsam abfärben, damit sich auch die Migranten mehr für Sprache und Bildung interessieren.
Diese Idee hat freilich schon in der Volksschule in keiner Weise funktioniert, die ja seit jeher schon eine echte Gesamtschule ist. Ganz im Gegenteil: Die mit Pisa vergleichbaren internationalen Rankings für Zehnjährige fallen für Österreich viel schlechter aus als dann bei den Fünfzehnjährigen, wo der Pisa-Test gemacht wird.
Dass sich wegen dieser schulischen Vergewaltigung der 10- bis 14-jährigen bildungswilligen Kinder deren eigene Bildung zwangsläufig weniger gut entwickeln wird, als es möglich wäre: Das ist den Gleichmacher-Ideologen freilich völlig wurscht. Dabei hat einst sogar ein SPÖ-Vorsitzender davon gesprochen, dass wir in einer im scharfen internationalen Wettbewerb stehenden „Hochleistungsgesellschaft“ leben. Lang ist‘s her. Genaugenommen zehn Jahre.
PS: Warum gibt es in Wien eigentlich gegen die Kastrierung der Gymnasien noch keinen solchen Volksaufstand wie in Tirol? Das ist klar: Auch in Tirol ist dieser erst entbrannt, als beispielsweise durchgesickert ist, dass das einzige Osttiroler Gymnasium die Unterstufe aufgeben soll. In Wien können hingegen Eltern noch daran glauben, dass ihre Kinder zu jenen 85 Prozent gehören werden, die noch in eine gute Schule kommen. Menschen reagieren immer erst dann wirklich energisch, wenn der Unsinn politischer Entscheidung bei ihnen und ihren Familien ganz persönlich ankommt. Aber dann sollte sich die Politik umso mehr in Acht nehmen.
Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.