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Wo bleiben der Justizminister und seine Staatsanwälte?

Die neueste Ausgabe der französischen Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ hetzt gegen Gott in einer Art und Weise, die zweifellos nach dem neuen österreichischen Strafrecht strafbar ist, die das wahrscheinlich auch schon nach dem alten gewesen ist. Und zwar sowohl nach den Paragraphen 188 (Herabwürdigung religiöser Lehren) wie auch 283 (Verhetzung). Damit leistet auch jedermann Beihilfe zu der Tat, der diese Zeitschrift hierzulande verbreitet.

Um nicht missverstanden zu werden: Ich persönlich finde zwar die Karikatur zutiefst widerlich, dumm und geschmacklos. Aber ich bin strikt gegen die Bestrafung irgendwelcher Meinungsdelikte, und seien sie noch so widerlich, dumm und geschmacklos (wie auch im konkreten Fall vordergründig provokativ, um sich ein Jahr nach dem Terrorüberfall wieder ins Gespräch zu bringen). Egal ob sie in Medien stattfinden oder außerhalb.

Mit diesen Paragraphen verstößt Österreich wohl auch gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit, wie es im Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtkonvention garantiert wird. Sie erlaubt, die Meinungsfreiheit nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen einzuschränken und deckt sicher nicht die österreichischen Gummi-Paragraphen (in dieser EMRK steht hingegen im Übrigen nichts von dem derzeit ständig fälschlicherweise zum Grundrecht hochstilisierten Asylrecht, aber das nur am Rande).

Die österreichische Justiz und insbesondere der amtierende Justizminister haben mit der liberalen Tradition des Rechtsstaats gebrochen und konzentrieren sich wie einst der Metternich-Staat zunehmend auf die Verfolgung von Meinungsdelikten. Dies noch dazu völlig einseitig und willkürlich.

So hat die Justiz Österreicher bestraft, weil sie den Sexualverkehr von Mohammed mit einer Neunjährigen als das bezeichnet haben, was er ist. So geht sie (vorerst noch nicht rechtskräftig) gegen einen anderen Österreicher vor, der den Buddhismus – mit Verwendung durchaus seriöser Quellen – scharf kritisiert hat. Daher wäre es in der Logik dieses Vorgehens eigentlich zwingend, eine viel ärgere und völlig tatsachenfreie Verspottung einer Religion zu verfolgen. Dies hat in allen Fällen zu geschehen, sobald diese nach Österreich hineinspielen, auch wenn sie ursprünglich im Ausland begangen worden sind.

Die Zeichnung der Zeitschrift zeigt einen blutverschmierten und hassverzerrten Gott mit einer umgehängten Kalaschnikow unter der Überschrift „Ein Jahr danach: Der Mörder ist noch immer auf der Flucht“. Besonders infam ist daran: Der Gott dieser Karikatur ist mit eindeutig christlichen Symbolen (einem Dreieck und dem „Auge Gottes“) ausgestattet. Damit lautet die Botschaft: Der Gott der Christen hat vor einem Jahr das Massaker gegen die Zeitschrift angerichtet und ist noch auf der Flucht.

Unabhängig davon, dass man auch dem islamischen Allah nicht diese Tat fanatischer Moslems in die Schuhe schieben kann (eher schon arabischen Staaten, die mit ihrem Geld vor allem radikale Sunniten unterstützen), ist diese Schuldumkehr ungeheuerlich. Jetzt werden der christliche Gott und damit alle Christen für deren Blutbad verantwortlich gemacht.

Aber veranlasst am Ende nun gerade dieser Umstand die österreichische Justiz zum Wegschauen? Das wäre der Gipfelpunkt der Ungeheuerlichkeit. Dann hätten wir eine Justiz, die zwar den Islam und den Buddhismus auch gegen wahre Aussagen schützt, aber nicht die Christen gegen unwahre und infame.

Nur zur Erinnerung die wichtigsten Passagen des Strafgesetzbuches über die „Herabwürdigung religiöser Lehren“: „Wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, … unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.“

Die noch viel schärfere Strafdrohung gegen die sogenannte Verhetzung macht (in gleichheits-, also verfassungswidriger Weise) zwar nur Äußerungen gegen bestimmte Gruppen strafbar. Aber jedenfalls zählen neben etlichen anderen auch nach Kriterien „der Religion oder Weltanschauung“ definierte Personengruppen dazu. Damit ist jedenfalls diese Karikatur erfasst, egal ob man in ihr eine Attacke gegen den Gott der Christen sieht oder ganz allgemein gegen den Gott all jener, welche die Weltanschauung eines Eingott-Glaubens haben.

Es ist ebensowenig bestreitbar, dass diese Karikatur zum „Hass“ gegen jene „aufstachelt“ beziehungsweise sie „verächtlich macht“, die an einen solchen mörderischen und hasserfüllten Gott glauben. Wer wirklich an einen solchen Gott wie den der Kasrikatur glauben würde, ist ja in der Tat nur zu verachten. Für Publikationen, die das tun, hat der österreichische Justizminister jetzt sogar drei Jahre Haft ins Gesetz schreiben lassen.

Auch jeder, der das Heft mit dieser Karikatur in Österreich vertreibt, macht sich automatisch zum Mittäter. Es kann auch keine Ausrede für die Untätigkeit der Justiz sein, dass sie durch ein solches Strafverfahren international wahrscheinlich zum Gespött würde. Denn wer so streng in anderen Fällen vorgegangen ist wie die österreichischen Staatsanwälte, der kann jetzt nicht deswegen plötzlich alle Augen und Ohren zuhalten.

Mir ist schon klar, dass eine konsequente Auslegung der genannten Paragraphen zu einem Rattenschwanz an Verfahren führen würde. Es gibt daher nur einen einzigen Ausweg aus dieser Peinlichkeit, die eigentlich auch den aufgeklärten Rechtsstaat verächtlich macht: Das ist die rasche Entfernung aller Meinungsdelikte aus dem Strafgesetz.

Nur jene StGB-Passagen zur „Verhetzung“ sollten vernünftigerweise darin belassen werden, in denen zu Taten aufgehetzt wird. Dann aber sollte es um Taten gegen jede Gruppe oder Person gehen, und nicht nur um Taten gegen Personen aus dem völlig willkürlichen Katalog des Strafgesetzbuches (gegen Priester, Unternehmer, Bauern, Gewerkschafter darf man ja nach dessen Wortlaut ungehindert hetzen und zum Hass und auch zu Taten aufstacheln, aber nicht gegen Schwule oder Marokkaner!).

Schon gar nicht sollten so undefinierbare Begriffe wie „Hass“ und das „Aufstacheln“ zu Strafbarkeit führen. Das sind Vokabel aus der Welt der Moral und Religion. Sie sollten aber absolut nichts in Gesetzbüchern einer modernen Demokratie verloren haben. Zu diesem Schluss führt auch die Tatsache , dass alle Diktaturen von China bis Kirgisien (wie aktuelle Fälle aus den letzten Tagen erneut beweisen) das Gummi-Delikt Hass dazu verwenden, um Dissidenten zu bestrafen, wenn man ihnen schon nichts Konkretes anhängen kann.

Und besonders skandalös ist, dass selbst der Wahrheitsbeweis laut diesem Gesetz nicht gegen Bestrafung hilft. Es genügt, dass ein Staatsanwalt und ein Richter der Meinung sind, etwas sei geeignet, zum Hass aufzustacheln. Und schon kann man eingelocht werden.

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