Der Vorwurf ist Reinhold Mitterlehner nicht zu ersparen: Es ist mindestens ein halbes, wenn nicht ein ganzes Jahr zu spät, dass er sich in Sachen Völkerwanderung bewegt hat. Aber als bescheiden gewordener Österreicher muss man durchaus auch loben, dass er sich endlich so bewegt hat, dass man es mit freiem Auge sehen kann. Tatsache aber ist dennoch, dass noch viel mehr Bewegung nötig ist, um die allergrößten Gefahren von Republik und Menschen fernzuhalten. Sonst bleibt Mitterlehner in der Mitte des Flusses stecken – und wird untergehen.
Was hat diese Bewegung der Volkspartei ausgelöst? Dafür waren mehrere Faktoren ausschlaggebend:
- Die ÖVP-Spitze hat (endlich) gespürt, wie sehr der Regierung und damit auch ihr selbst der Sturm der öffentlichen (wenn auch nicht der veröffentlichten) Meinung entgegenbläst. Eine stärker volksverbundene Partei hätte das freilich viel, viel früher spüren müssen. Das zeigt aber auch, wie wichtig und erfolgreich es ist, wenn die Bürger nicht nur schimpfen, sondern Politikern ständig mit Briefen, Mails, Postings, Facebook-Einträgen oder durch Anrufe und persönliche Kontakte ihre Meinung klar kommunizieren.
- Der Parteiobmann hat während der Weihnachtsfeiertage offensichtlich endlich Zeit gehabt, erstmals intensiver über die zentrale Bedrohung des Landes nachzudenken.
- Es sind einige Mitarbeiter im Mitterlehner-Kabinett ausgetauscht worden.
- Unmissverständlich hat der in den letzten Tagen inthronisierte Präsidentschaftskandidat der Partei klargemacht, dass sich die ÖVP in Sachen Völkerwanderung deutlich bewegen muss, wenn er bei der Wahl Erfolgschancen haben will.
- Mitterlehner hat endlich begriffen, dass ein Nachgeben nicht ein Erfolg für den als Rivalen georteten Sebastian Kurz ist, sondern einer für ihn selber sein kann.
- Der Druck der Landeshauptleute Richtung eines Migrationsstopps ist immer stärker geworden. Auch Klubobmann, Innen- und Außenminister haben einen solchen ausgeübt.
- Obwohl Mitterlehner charakterlich primär ein Zögerant und politisch ein klassischer Großkoalitionär und Sozialpartnerschafts-Kompromissler ist, muss er letztlich erkannt haben, dass mit einer Fortsetzung des Kurses von 2015 nicht nur Österreich, sondern noch schneller die ÖVP im Abgrund landen wird. Dass hinter dem Kommt-nur-herein-alle-Migranten-dieser-Welt-Kurs der Herren Landau, Konrad und Schönborn nicht einmal mehr ein nennenswerter Teil der Kirchgänger steht.
- Es ist jetzt auch in Deutschland immer klarer geworden, dass weder CSU noch SPD noch CDU-Basis die Willkommenspolitik von Angela Merkel weiter mittragen werden. Da wollte auch Mitterlehner nicht mehr ganz zurückbleiben.
- Bis auf den ORF haben auch die österreichischen Medien die Gutmensch-Hysterie des letzten Herbstes weitgehend aufgegeben, auch wenn sie noch nicht ganz in der winterlichen Realität angekommen sind.
- Und last not least haben zweifellos die seit Köln öffentlich gewordenen Megaprobleme durch die Masseneinwanderung aus der islamischen Welt den ÖVP-Obmann in Bewegung versetzt.
So weit zu den Gründen, warum sich ÖVP und Mitterlehner jetzt überhaupt zu bewegen begonnen haben. Keine Frage: diese Bewegung kommt mit staatsgefährdender Verspätung. Aber ebenso klar ist, dass man an dieser Verspätung nichts mehr ändern kann (auch wenn es die Wähler wohl dauerhaft auf ihre Rechnung genommen haben). Aber umso wichtiger wäre klares Handeln in der Zukunft.
Was sind nun genau die neuen Eckpunkte der ÖVP für diese Zukunft?
Nun, in Wahrheit gibt es noch immer keine solchen, zumindest keine eindeutig erkennbaren und unverrückbaren. Die Formulierungen Mitterlehners sind noch immer gefährlich schwammig. Es ist noch immer möglich, dass er nur einen Schritt nach vorne gemacht hat, um bald wieder einen zurück zu machen. Wer so viele „eigentlichs“ und „mittelfristig“ in seinen Stellungnahmen hat, der zeigt viel Unsicherheit, der hat eigentlich noch immer keine klare Position.
Mitterlehner und andere aus der ÖVP-Spitze haben in den letzten Tagen jedenfalls gesagt:
- Das vage Ziel im total unverständlichen Politsprech der letzten Wochen von „kapazitätsorienten Obergrenzen“ hat Mitterlehner auf „bis zum Nullpunkt eigentlich“ verändert. Noch ein paar Tage davor hatte er hingegen formuliert, dass man über die Zahl von 90.000 „noch teilweise hinausgehen“ könne. Außenminister Kurz hat hingegen davon gesprochen, dass es deutlich weniger werden müssen.
- Asylanträge sollen „mittelfristig“ in EU-Hotspots erfolgen.
- Es solle einen „effektiveren“ Grenzschutz geben.
- Die Sozialleistungen für Flüchtlinge sollen gekürzt werden, um den „Pullfaktor“ (schon wieder: Politsprech!) zu reduzieren.
- Für die Flüchtlinge soll es mehr Sach- als Geldleistungen geben. Was genau, blieb bisher offen.
- Wenn die Obergrenze überschritten wird, werden Asylanträge zwar angenommen, aber nicht mehr behandelt.
- Die Menschen sollen in Transit- oder Pufferzonen untergebracht werden.
- Nur noch jene Migranten dürfen durchreisen, die deutsches Asyl beantragen.
- Auf EU-Maßnahmen warten zu wollen sei „Warten auf Godot“.
- Österreich, Deutschland und Slowenien sollten an der slowenischen Südgrenze – das ist auf der Balkanroute die für uns entscheidende Schengen-Außengrenze, da auf Griechenland, das äußerste Schengen-Land ja keinerlei Verlass ist – ein gemeinsames Grenzregime errichten und offenbar auch dort Lager einrichten (Hot spots).
Da ist manches dabei, was durchaus sinnvoll klingt. Da ist aber noch nichts so konkret und ausgefeilt, dass man sagen könnte: OK, so geht es. Vieles klingt danach, dass ÖVP-intern noch immer auch Bremser und Bedenkenträger unterwegs sind, auch wenn sich keiner mehr als solcher ortet. Nur Mitterlehner selbst erweckt in 50 Prozent seiner Äußerungen den Eindruck, dass er wieder den Schritt zurück machten will, den er am Vortag nach vorne gemacht hat.
Aber in unserer Verzweiflung sei auch das positiv gesehen und wir wollen glauben: Die ÖVP redet nur deshalb vage und widersprüchlich herum, sie legt sich nur deshalb noch nicht allzu genau fest, um nicht die Chancen zu zertrümmern, in den nächsten Tagen mit der SPÖ doch noch zu konkreten und wirksamen Fortschritten zu kommen. Um der Faymann-Partei die Wahrung des Gesichts zu ermöglichen, dass die erhofften Beschlüsse gemeinsame und nicht vom kleineren Koalitionspartner diktierte wären. Denn wenn irgendwelche Beschlüsse als Erfolg der ÖVP erscheinen, dann macht man es der SPÖ noch schwerer, sich zu bewegen.
Dennoch wird die ÖVP nicht um die Antworten auf viele offen gebliebene Fragen herumkommen, die sie allem Anschein nach auch intern noch nicht wirklich weiß. Von denen lauten die wichtigsten:
- Was tut die ÖVP, wenn die SPÖ, wie zu befürchten ist, wieder zu keinen substanziellen Maßnahmen bereit ist? Wird also bei den Schwarzen am Ende doch wieder die Koalitionsräson stärker sein als die Interessen Österreichs? Das würde neuerliches Hinnehmen der SPÖ-Untätigkeit bedeuten, um die eigenen Posten nicht in Gefahr zu bringen.
- Wird man, wenn mit der SPÖ keine funktionierende Lösung zustandekommt, den Mut haben, an der Koalition vorbei das Angebot der FPÖ aufgreifen und mit dieser auch ohne Neuwahlen die staatspolitisch dringenden Gesetze in Sachen Völkerwanderung zu beschließen?
- Wird man den Mut haben, Immigranten auch gegen lautstarke Proteste und Widerstände abzuschieben beziehungsweise in Lager an der (slowenischen oder auch österreichischen) Südgrenze zu bringen? Was tut man, wenn diese Lager voll sind? Lässt man die Menschen dann doch wieder herein?
- Was tun, wenn Slowenien und Deutschland bei der angesprochenen Dreier-Kooperation nicht mittun?
- Ist man nervenstark genug, dem Druck von Medien und Gutmenschen standzuhalten, die mit Sicherheit und lautstark verlangen werden, dass man die Migranten dann letztlich doch wieder hereinlässt?
- Wird man endlich mit Gesetzen – notfalls auch Verfassungsgesetzen – die linksidealistische, aber staatszerstörerische Judikatur der österreichischen und europäischen Höchstgerichte so weit wie möglich in die Schranken weisen? Diese sind ja die wahren Hauptschuldigen daran, dass das (laut Genfer Konvention eigentlich nur für ganz spezifische Fälle geltende!) Asylrecht von Jahr zu Jahr immer noch breiter und öfter zur Anwendung gekommen ist, dass in immer weniger Länder Abschiebungen überhaupt noch möglich sind.
- Traut sich die ÖVP, dem unrichtigen Grundrechtsargument der Asylindustrie und der linken Gesellschaftszerstörer entgegenzutreten? Das heißt, wird sie endlich klar sagen, dass die Demokratie, der Schutz des Staates und die Wiederherstellung des Rechtsstaates samt den zentralen Grundrechten weit höherrangige Rechtsgüter sind als das lediglich von einer Konvention begründete Asylrecht für fremde Staatsbürger?
- Wird man – auch rückwirkend – die wahnwitzige und durch kein Gesetz begründete Praxis beenden, dass jeder Syrer (beziehungsweise jeder sich mit Erfolg als Syrer ausgebende Araber) in Österreich automatisch Asyl bekommt - unter dem juristisch gar nicht existierenden Titel "Kriegsflüchtling"?
- Wird man endlich – so wie Deutschland! – alle afghanischen Asylwerber wieder nach Afghanistan abschieben, die jetzt in Österreich schon den Hauptanteil der Migranten darstellen?
- Wird die Polizei aufhören, Vorfälle im Migrantenmilieu zu bemänteln und zu vertuschen?
Auch wenn diese Fragen vielleicht schmerzen, auch wenn sie vom Denken vieler Politiker noch weit entfernt sind, auch wenn die heuchlerischen Gutmenschen in Caritas und Diakonie wieder einmal aufheulen werden: Nur klare Antworten auf all diese Fragen könnten noch eine Lösung, eine Rettung der ernsthaft bedrohten Republik bringen. Hingegen würde sozialtechnokratisches Herumschrauben an Mindestsicherungs- und Sachleistungsbeträgen wieder nur zu vielen weiteren ungenützten Monaten der nationalen Wehrlosigkeit führen, während der die Migrantenlawine ungehindert weitergeht, aber am Ende sicher keine Reduktion der Völkerwanderung bewirken.
Eine staatstragende Partei muss jetzt handeln. Energisch und rasch. Und wenn es mit dem einen Partner nicht geht, muss sie es mit einem anderen versuchen – ohne Rücksicht auf irgendwelche Ämter. Denn es geht um nicht weniger als um Österreich.
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