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Die EU ist dabei, sich in die nächste Peinlichkeit zu stürzen. Offenbar sind einigen EU-Politikern die Mega-Flops des Vorjahres und deren katastrophalen Folgen für Europas Zukunft noch nicht genug (siehe den eiskalten Bruch mehrerer Euro-Verträge, siehe das Milliardenkrematorium Griechenland, siehe die Hilflosigkeit gegenüber der Völkerwanderung). Jetzt wollen sie sich auch noch in Sachen Polen lächerlich machen.
Das ähnelt den antiösterreichischen Sanktionen des Jahres 2000, die bei vielen zu einer ersten tiefen Entfremdung mit der Union geführt haben. Man erinnere sich an das für die Sanktionierer demütigende Ende dieser Sanktionen: Ein „Weisenbericht“ zur Untersuchung der Berechtigung dieser Sanktionen hat einzig einen Satz des damaligen Justizministers Böhmdorfer als tadelnswert gefunden. Und der bestand in der völlig unverbindlichen Interview-Bezeichnung eines Vorschlags von Jörg Haider als „verfolgenswert“, Volksvertreter mit Sanktionen zu bestrafen, welche den Interessen des Staates zuwiderhandelten.
Selbst dieser Mini-Tadel der „Weisen“ war im Grund skandalös – und diente wohl nur zur Gesichtswahrung für die Sanktionierer: Denn, was immer man von dem Haider-Vorschlag halten mag (ich halte nichts davon), es muss allemal Teil der in Sonntagsreden so oft beschworenen Grundrechte sein, eine solche unverbindliche Meinung äußern zu dürfen. Immerhin ist die Meinungsfreiheit in sämtlichen weltweiten Grundrechtskatalogen eines der allerwichtigsten Grundrechte – während das heute ständig angesprochene Asylrecht in vielen dieser Kataloge ja gar nicht vorkommt.
Aber selbst jene EU-Politiker, die in dieser Äußerung Böhmdorfers etwas Verbotenes gesehen haben, wussten, dass sie sich durch die Österreich-Sanktionen selbst zu begossenen Pudeln gemacht haben. Deshalb haben auch die ärgsten Hetzer das Thema sehr rasch entsorgt und schon ein Jahr später nie mehr erwähnt.
Auffällig ist, dass damals gegen Österreich wie später gegen Ungarn und jetzt gegen Polen die Hauptschürer aus den Reihen der europäischen Sozialdemokratie gekommen sind. Im Falle Polens sind skurrilerweise Sozialdemokraten aus Luxemburg führend (das zuletzt den EU-Vorsitz hatte).
Man sieht: Wenn es um Kampagnen gegen Regierungen geht, die Sozialdemokraten nicht zu Gesicht stehen, dann funktioniert die sozialistische Internationale immer noch (auch wenn sie längst kein großes "S" mehr hat). Dabei sind ja die Sozialdemokraten heute ansonsten europaweit eine Verlierer-Partie. Sie haben zwischen den einzelnen Ländern auch kaum noch inhaltliche Gemeinsamkeiten (Etwa zur Völkerwanderung nehmen die Genossen aus Tschechien und der Slowakei Positionen ein, die schärfer sind als die der FPÖ, während die SPÖ die Bitte-noch-mehr-Flüchtlinge-nach-Europa-Bewegung anführt).
Noch auffälliger ist, dass in all diesen Fällen die Konservativen, ob aus der EVP oder anderen Fraktionen, außerstande waren, den linken Kampagnen etwas entgegenzusetzen. Sie haben noch nie verstanden, sich effektiv international zu vernetzen.
Aber geht in Polen inhaltlich nicht wirklich Problematisches vor sich? Ist nicht die nach dem Regierungswechsel rasch durchgezogene Neuordnung der Verfassungsgerichtsbarkeit und der öffentlich-rechtlichen Medien eine viel gravierendere Angelegenheit als eine Interview-Äußerung eines österreichischen Justizministers? Gewiss doch.
Nur bitte: Auf welcher rechtlichen Basis mischt sich die EU da ein? Es gibt nämlich keine konkreten Bestimmungen in einem EU-Vertrag oder eine Richtlinie, die europaweit regeln würde, mit welcher Mehrheit ein Verfassungsgericht entscheidet, und wer es beschickt. Ebensowenig gibt es rechtliche EU-Grundlagen, die den Eingriff des Staates in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk regeln würden.
Großbritannien zum Beispiel hat gar keinen Verfassungsgerichtshof. Dort hat nur in bestimmten Fällen ausgerechnet das als Gaga-Kammer vor sich hin schlummernde Oberhaus – also ein undemokratisches Gremium, in dem noch Adelsvorrechte relevant sind – eine Rolle. Auch die Schweiz hat kein Verfassungsgericht (zwar kein EU-Land, aber immerhin der demokratischste Staat Europas).
Um nicht missverstanden zu werden: Es wäre durchaus positiv, wenn es EU-Recht gäbe, welches die Unabhängigkeit der Verfassungsjudikatur und der Staatsmedien garantieren würde. Aber es wäre ein himmelschreiender Skandal, wenn jetzt willkürlich nur gegen Polen vorgegangen würde. Wenn nur Polen da unter Sachwalterschaft gestellt würde.
Denn in sehr vielen EU-Ländern sind die öffentlich-rechtlichen Medien reine Propaganda-Instrumente der Macht. Man sehe sich nur den ORF an. Die Fernseh-„Information“ ist seit Jahren ein rein linkes Spielfeld. In der ZiB 1 sind überhaupt nur die Interessen der SPÖ relevant. Wo war die EU, als etwa die einstige SPÖ-Strippenzieherin Rudas ganz offen sagte, dass sie auch die Besetzung von ORF-Talkrunden bestimmt? Bis heute sind diese Talkrunden zu drei Viertel links besetzt; dort bekommen – im Gegensatz zur Bevölkerung – nie die SPÖ-kritischen Stimmen die Oberhand. Und warum interessiert die EU nicht die übergroße Macht des Bundeskanzlers bei der Beschickung des Stiftungsrats, des obersten Machtgremiums des ORF?
Wenn also die EU-Kommission die Rolle der polnischen Regierung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk überprüfen sollte, müsste sie das in der gleichen Sekunde auch in Hinblick auf den ORF (und viele andere europäische Länder) tun. Und noch viel mehr müsste sie das in Hinblick auf die hunderten Bestechungsmillionen aus Steuergeldern tun, welche die österreichische Politik eigentlich unabhängigen, aber erstaunlich willfährigen Medien zuschiebt (man schaue sich derzeit etwa die Schmutzkampagne des Boulevards gegen die unabhängige Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss an).
Noch schlimmer sind die Zustände im österreichischen Verfassungsgerichtshof. Da „gehört“ seit den 50er Jahren jeder einzelne Sitz der ÖVP oder SPÖ. Ausschließlich, keine andere Partei ist dort vertreten. Wenn also ein Roter ausscheidet, folgt mit absoluter Sicherheit wieder ein Roter nach, und sei er noch so unfähig. Vor allem die SPÖ hatte da in den letzten Jahren (im Gegensatz etwa zur Kreisky-Zeit) keinerlei Genierer – und daher heute eine sichere VfGH-Mehrheit. Sogar aus dem Vorzimmer des SPÖ-Bundeskanzlers wurde man direkt in den Verfassungsgerichtshof befördert. Aber auch die ÖVP hat zugestimmt, als vor kurzem dieser VfGH durch die „Gesetzesbeschwerde“ zum De-facto-Vorgesetzten des bisher in richterlicher Unabhängigkeit agierenden OGH (Oberster Gerichtshof) gemacht worden ist. Da hat die jetzt so rührige EU-Kommission nicht einmal mit einer Wimper gezuckt.
Es wäre also der absolute Tiefpunkt in der Geschichte der EU, wenn jetzt Polen – und zwar nur Polen – auf die Anklagebank gesetzt werden sollte. Gerechtigkeit hieße, Gleiches gleich zu behandeln.
Noch schlimmer wäre die politische Dimension eines solchen Vorgehens. Es würde die Spaltung zwischen West- und Osteuropa so vertiefen, wie sie im letzten Vierteljahrhundert nie gewesen ist. Die Polen würden mit antideutschen Emotionen reagieren. Und sie würden die Unterstützung anderer Osteuropäer bekommen.
Allerdings ist auch denkbar, dass das eine oder andere westeuropäische Land mit außenpolitischer Klugheit jetzt offen oder diplomatisch Polen unterstützt. Immerhin ist Polen ja das weitaus größte östliche Reformland in der EU (in Zeiten, da ein Kreisky oder ein Schüssel die österreichische Politik gelenkt hat, wäre auch in Wien ein solcher geschickter Schachzug durchaus möglich gewesen). Wenn etwa die CDU/CSU auch nur einen Rest einstiger außenpolitischer Intelligenz hätte, würde gerade sie jetzt alle Notbremsen ziehen.
Noch widerlicher ist ein Vorgehen der EU gegen Polen, wenn man das Verhalten derselben EU gegen die Türkei beobachtet. Denn mit dieser sind die Beitrittsverhandlungen vor kurzem sogar wieder beschleunigt worden.
Und selbst die Hoffnung mancher EU-Politiker vom intellektuellen Zuschnitt eines Werner Faymann, dass die Türkei im Gegenzug für das Ignorieren all dieser Verbrechen die Völkerwanderung zumindest reduzieren würde, hat sich längst zerschlagen (wie in diesem Tagebuch von Anfang an prophezeit). Weiterhin kommen ja trotz des eisigen Winterwetters aus der Türkei täglich Tausende Migranten in die EU.
PS: Ich stehe übrigens der Tätigkeit des eingangs verteidigten Justizministers Böhmdorfer sehr kritisch gegenüber. Aber nicht wegen eines unglücklichen Interview-Satzes. Sondern weil seine Strafprozess-Reform zum missglückten Teil der schwarz-blauen Zeit zählt – und erst recht die von Böhmdorfer damit verbundenen Personalmaßnahmen.