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Nun sind schon drei spannende Kandidaten offiziell in das Rennen um das Bundespräsidentenamt eingetreten. Und schon ist völlig klar, welches Thema den Wahlkampf nicht nur beherrschen, sondern auch entscheiden wird.
Dass die SPÖ Rudolf Hundstorfer aufstellen wird, ist wohl auch schon fix, wenngleich er sich der Inszenierung gemäß noch ein paar Tage zu zieren hat. Lediglich bei der FPÖ scheint man sich noch nicht ganz einig zu sein, aber auch dort wird es sicher einen Kandidaten geben. Mit Andreas Khol, Alexander van der Bellen und Irmgard Griss ist jedenfalls schon jetzt ein eindrucksvoller Kandidatenreigen offiziell im Ring, der sich positiv von der Dominanz etlicher Scherzkandidaturen der Vergangenheit abhebt.
Ein paar davon könnte es zwar auch diesmal geben, wenn man die Aktivitäten in den sozialen Medien verfolgt. Aber angesichts des breiten Angebots von Kandidaten mit Chancen werden diese wohl nur wenige Promille der Stimmen bekommen.
Die ÖVP bietet mit Andreas Khol nun doch eine respektable Persönlichkeit auf, nachdem die Herrn Pröll und Mitterlehner in den letzten Tagen amateurhaft viel Porzellan zerschlagen haben. Man wird sehen, ob Khol diesen Schaden – und den schwachen Gesamtzustand der Partei – gutmachen wird können.
Nützen dürfte ihm, dass in den Gerüchteküchen auch ziemlich abschreckende Namen als mögliche VP-Kandidaten kursiert sind. Da hebt er sich doch positiv ab. Und nützen wird ihm jedenfalls, dass Erhard Busek sofort zum Angriff auf Khol angetreten ist. Hat doch Busek schon einst als böse keppelnder Muppet unbeabsichtigt viel zum Erfolg des von ihm attackierten Wolfgang Schüssel beigetragen.
So wie Griss bläst Khol freilich auch von der ersten Stunde an voll der Gegenwind des rotgrünen ORF ins Gesicht. Ihm wurde dort sofort vorgehalten, keine Frau zu sein und auf Grund seines Alters nicht für Modernität zu stehen. Dem unmittelbar danach präsentierten Van der Bellen wurde hingegen überhaupt nichts Kritisches vorgehalten. ORF-Objektivität halt…
Von Khol dürfte es im Gegensatz zu Pröll jedenfalls keine unangenehmen Videos geben. Ob er sich freilich auch zum Sympathieträger und Wahlkämpfer entwickeln kann, muss vorerst offen bleiben. Hat er doch bisher noch nie irgendwo als Spitzenmann bei den Wählern antreten müssen.
Van der Bellen ist sicher die sympathischste Figur, die es im ganzen rotgrünen Umfeld gibt. Er ist aber auch unter allen Kandidaten jener, der die ruhige Kugel am meisten schätzt. Er ist seit Jahren durch keinerlei Aktivität aufgetreten, auch nicht als er vom Rathaus Geld dafür bekommen hat, sich um die Universitäten zu kümmern.
Aber dennoch werden auch viele Sozialdemokraten für Van der Bellen stimmen, ist er ja im Auftreten zweifellos witziger und intellektueller als Hundstorfer. Auch Werner Faymann muss sich vor ihm nicht fürchten. Denn als Bundespräsident wäre Van der Bellen unter allen Kandidaten für den SPÖ-Obmann sicher der angenehmste. Er würde zweimal im Jahr etwas über „Saure Wiesen, die trockengelegt gehören,“ brummen und sich ansonsten in nichts einmischen.
Khol wäre da wohl das Gegenteil. Aber das wird die Wahl nicht entscheiden. Ebensowenig wird das das Lebensalter tun. Oder irgendwelche alten Sager der Kandidaten, die jemand ausgräbt. Oder ihre Schönheit auf Wahlplakaten.
Entscheidend wird vielmehr sein, wie sich die Kandidaten in den nächsten Wochen in der absolut einzigen Frage positionieren, welche die Österreicher beschäftigt. Das ist das Thema Völkerwanderung. Es beherrscht seit Monaten jede private und halböffentliche Diskussion in diesem Land. Und es wird mit Sicherheit auch diesen Wahlkampf beherrschen.
Das haben ganz offensichtlich beide am Sonntag angetretenen Herren auch erkannt, wenn man die ersten Worte analysiert, die sie bei der Ankündigung gesagt haben. Van der Bellen hat sich sofort als „Flüchtlingskind“ bezeichnet. Das ist ein Ausdruck, den er früher nie verwendet hat. Damit ist klar: Der Mann will sich klar als Kandidat des ganzen Gutmenschen- und Willkommen-Lagers positionieren.
Das läuft zwar eigentlich auf eine peinliche Minderheitenfeststellung hinaus. Aber Van der Bellen könnte solcherart im ersten Wahlgang zum Fahnenträger der Linken werden. Denn die SPÖ kann in ihrem jetzigen Zustand nur noch auf Pensionisten, Bundesbahner und Wiener Gemeindebeamte zählen.
Eine geschickte grüne Strategie könnte dann im zweiten Wahlgang versuchen, aus der Minderheit wieder auszubrechen und das Flüchtlingskind blitzschnell zum bürgerlichen Krawattenträger umzumodeln, der sich auch in Salons gut bewegen kann. Freilich werde ich das Gefühl nicht los, dass Van der Bellen zwar gut abschneiden, aber am Ende gar nicht wirklich siegen und ein terminvolles Amt übernehmen will. Es könnte ihm genügen, sich in der linken Szene als den Gutesten aller Gutmenschen feiern zu lassen.
Das klingt zwar ironisch, hat aber durchaus einen wahren Kern.
Auch Khol könnte sich übrigens als „Flüchtlingskind“ präsentieren. Er ist ja (in Deutschland zur Welt gekommener) Südtiroler, dessen Familie nach Nordtirol emigriert ist. Dieses Wort wird er aber wohl nicht verwenden. Im Gegenteil: Zumindest die ersten zwei Sätze, die er bei der Bekanntgabe seiner Kandidatur gesprochen hat, deuten auch an, dass er erkannt hat, wo er sich positionieren muss, wenn er reüssieren will: Er wolle die „Interessen der Österreicher“ vertreten.
Da ein alter Politprofi eine solche im Politsprech bisher unübliche Formulierung nicht unbedacht verwendet, dürfte Khol erkannt haben, dass die Österreicher angesichts der Nichtperformance der Bundesregierung auf nichts sehnlicher warten als auf jemanden, der sich endlich primär für ihre Interessen einsetzt, und nicht die der Migranten. Der von der Regierung konsequent einen Stopp des Flüchtlingsstroms verlangt.
Wer an der alles andere überschattenden Bedeutung dieses Anliegens der Bürger zweifelt, der möge die gerade herausgekommene Imas-Umfrage analysieren. Das Institut hat abgefragt, welche Erwartungen, Ängste und Hoffnungen die Österreicher mit dem neuen Jahr verbinden. Das Ergebnis zeigt in dramatischer Klarheit nicht nur, dass die Sorgen überwiegen; sondern vor allem, dass die Flüchtlings- und Asylproblematik sowie die davon nicht zu trennende Terrorangst die weitaus wichtigste Zukunftssorge der Menschen sind.
Dieser Themenkomplex überschattet massiv alle anderen Erwartungen, sowohl in individueller als auch in gesellschaftlicher Sicht. Die Völkerwanderung drängt alle Themen, mit denen die Regierungsparteien abzulenken versuchen, total in den Hintergrund.
Das gilt auch für den einzigen anderen Themenbereich, der den Österreichern sonst noch signifikant Angst macht. Das ist die schlechte Wirtschaftsentwicklung samt der dadurch ausgelösten steilen Zunahme der Arbeitslosigkeit. Während diese ja EU-weit seit 2009 deutlich zurückgeht; erlebt Österreich derzeit die zweitgrößte Zunahme unter allen EU-Staaten. Umso weniger verstehen die Österreicher die von der Regierung sperrangelweit geöffneten Tore.
Dieses zweitwichtigste Thema wird im Präsidenten-Wahlkampf aber ohnedies kaum vorkommen, da kein Kandidat echte Wirtschaftskompetenz hat (beziehungsweise Van der Bellen nur die nicht sehr überzeugende grüne Wirtschaftskompetenz).
Jene 31 Prozent, die sich bei dieser Umfrage noch zuversichtlich zeigen, tun dies in der großen Mehrheit aus subjektiven, nicht in der Politik begründeten Gründen. Weil sie temperamentsmäßig immer Optimisten sind, weil sie gerade beruflich Karriere machen, weil sie gerade neues Liebesglück gefunden haben, weil es in der Familie super läuft (und was sich sonst noch hinter dem Begriff „persönliche Situation“ verbergen mag).
Zurück zu den Wahlkämpfern. Irmgard Griss hat ihre Chance – zumindest bisher – nicht genutzt, sich als Vertreterin der Völkerwanderungs-Ängste und damit als Gegengewicht zur diesbezüglich versagenden Regierung zu positionieren. Das wäre jedoch ihre einzige Chance als parteiunabhängige Kandidatin. Lässt sie sich am Ende in dieser Frage dadurch bremsen, dass sie bisher von den Neos unterstützt worden ist, die ja eine sehr linke Migrationspolitik verfolgen?
Das wäre fatal für sie: Die Wähler wollen diese Politik ohnedies nicht, und die Neos-Funktionäre wechseln ohnedies gerade ins Lager Van der Bellens.
Auch Andreas Khol hat nur wenige Tage lang Zeit, um sich diesbezüglich – über den einen Interessen-Satz hinaus – klar zu profilieren, um zu einer eigenständigen Führungspersönlichkeit zu werden und sich vom Nichtkurs seiner Partei im Migrationsthema zu emanzipieren.
Dann wird auch die FPÖ im Wahlkampf präsent sein. Derzeit ist sie sich ja noch intern uneins und kann damit vorerst im Wahlkampf nicht voll agieren.
Gelingt Khol die Besetzung dieses Themas in der Zwischenzeit nicht, wird er halt wie oft in den letzten Jahrzehnten ein braver Parteisoldat und Koalitionär gewesen sein. Und aus. Er ist dann halt befehlsgemäß angetreten und in vollem Wissen in eine Niederlage gegangen, weil er seinen Parteichef nicht im Stich lassen wollte.
Profiliert sich Khol hingegen ernsthaft als Schützer der Interessen der Österreicher und als mutiger Rufer nach einem Stopp der Migration (natürlich bis auf konkret nachweisliche Fälle gemäß der Flüchtlingskonvention), dann hat er gute Chancen, es zu schaffen. In Sachen Außenpolitik und Verfassung ist er sowieso allen anderen überlegen.
Khol muss aber auch wissen: Für ihn ist der erste Wahlgang der entscheidende. Kann er da die Nase vor Griss und dem noch unbekannten FPÖ-Kandidaten haben? Immerhin liegen die Freiheitlichen bei allen Meinungsumfragen derzeit so weit voran, wie seit 2002 noch nie eine Partei in Führung gewesen ist. Und immerhin ist mit Griss ein Kandidat im bürgerlichen Rennen, der das stark gewachsene Anti-Parteien-Sentiment der Österreicher anspricht.
Schafft es Khol, in den zweiten Wahlgang zu kommen, dann hat er sehr gute Chancen. Auch bei freiheitlichen Wählern (außer er lässt sich jetzt zu selbstbeschädigenden Angriffen auf die FPÖ hinreißen). Er war ja ein Schlüsselspieler der bei vielen Österreichern im Rückblick und im Kontrast zur Faymann-Gegenwart geradezu zum Paradies verklärten schwarz-blauen Schüssel-Zeit.
PS: Als Persönlichkeit sind alle bisher bekannten Kandidaten repräsentabel. Man kann sich ihre Köpfe durchaus auf Bildern in Amtsstuben vorstellen. Das ist ja einmal ein wirklich gutes Gefühl. Man muss sich vor nichts fürchten und für nichts genieren. Was bekanntlich nicht immer so war. Und hoffentlich hat auch die SPÖ dazugelernt, dass es weder ihr noch Österreich nützt, wenn sie wieder in Art des Waldheim-Wahlkampfs Jauche-Kübel schüttet. Allerdings macht Sorge: Der Mann, der gerüchteweise Hundstorfers Wahlkampfmanager werden soll, ist fast ein Garant für solchen erneuten Jauche-Kübel-Gebrauch.
PPS: Noch immer sehe ich die Möglichkeit nicht gebannt, dass nur der rote und grüne Kandidat in den zweiten Wahlgang kommen, weil sich im ersten die rechte Mehrheit der Stimmen auf gleich drei Kandidaten aufgeteilt hat. Daher könnte es sein, dass liberalkonservative Wähler diesmal taktisch wählen, um den Worst case eines rot-grünen Finales zu vermeiden. Nur ist zur Stunde noch völlig unklar, was Taktisch-Wählen konkret bedeuten wird.