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Nicht ganz unberechtigt klingt die Kritik von Gewerkschaft und SPÖ an dem – kolportierten – Einstieg der russischen Gazprom in Teile der österreichischen OMV. Diese Kritik wird derzeit von der Linken vor allem deshalb mit großer Lautstärke vorgetragen, um von den vielen schweren Fehlern des vergangenen Jahres abzulenken und während die anderen Parteien auf Weihnachtsurlaub sind. Jedoch ist diese Kritik in vielen Punkten falsch. Und sie stellt wieder einmal eine verlogene Umschreibung der Geschichte dar.
In zweierlei Hinsicht hat sie jedoch gewisse Berechtigung: Erstens weil es ausgerechnet um einen Einstieg eines russischen Konzerns geht. Denn die russischen Konzerne können und dürfen ja keineswegs nach ökonomischer Rationalität agieren, sondern sie hängen am nationalistischen Zügel eines autoritären Staatschefs, wie viele Vorfälle der letzten Jahre beweisen. Das heißt: Ein Einstieg von Gazprom ist im Grund eine (Re-)Verstaatlichung.
Überdies wissen zumindest geschichtsbewusste Österreicher noch, wie schlimm in den Nachkriegsjahren der sowjetrussische Zugriff auf den gesamten ostösterreichischen Öl- und Gassektor gewesen ist. Das war – unter dem fingierten Vorwand, dass es bei den hiesigen Öl- und Gasquellen um deutsches Eigentum ginge, – nichts anderes als ein gigantischer Raub an dem damals bitter verarmten Land. Es kann daher nur einem deutschen OMV-Chef bar jedes Geschichtsgefühls einfallen, da ausgerechnet die Russen hereinzuholen.
Zweitens sind Infrastrukturnetze wie die eventuell auch vom russischen Interesse erfassten Gasleitungen natürliche Monopole. Der Bau eines konkurrierenden Leitungsnetzes wäre ja absurd. Daher ist hier einer der wichtigsten Vorteile einer Privatisierung nicht erzielbar, nämlich die Schaffung von Wettbewerb. Dieser führt ja besonders wirksam zu Preissenkungen und Qualitätserhöhungen.
Dennoch hat auch bei natürlichen Monopolen eine Privatisierung durchaus Sinn. Denn praktisch immer wird dadurch die Effizienz erhöht. Damit deren Erträge aber auch den Konsumenten zugute kommen und nicht nur als Monopolrendite versickern, braucht es straffe Regulierung und Kontrolle. Das ist schwierig, und glückt bei staatlichen Monopolen besonders selten.
Einige österreichische Beispiele: Es ist unbestreitbar, dass sich das Monopol des Staats (meist der Bundesländer-EVUs) beim Stromnetz für die Konsumenten trotz aller Bemühungen des Strom-Regulators teuer auswirkt. Zugleich wird die von ihnen transportierte Ware selbst, also der auf dem freien europäischen Markt im Wettbewerb erzeugte Strom, immer billiger.
Ähnlich spürbar liegt der ORF mit seinem Gebührenmonopol auf unseren Geldbörsen.
Auch bei der Asfinag, einem weiteren komplett im Staatsbesitz befindlichen natürlichen Monopol, wird viel Geld verschwendet: durch die vielen unnötigen Lärmschutzwände an Autobahnen; oder durch die Krötentunnels unter diesen, von denen oft jeder einzelne Zig-Millionen kostet. Ein privater Autobahnbetreiber würde sich viel intensiver dem Druck von Lokalpolitikern entgegenstemmen, die ständig solche Wände und Tunnels fordern. Bei der Asfinag können sie sich hingegen leicht durchsetzen. Schließlich bestimmt dort die Politik, ob die Asfinag-Vorstände im Amt bleiben! Die Folge ist die große Schuldenlast der Asfinag, die eines der vielen ungelösten Zukunftsprobleme Österreichs darstellt.
Unabhängig von der Monopolfrage ist bei fast jedem verstaatlichten Unternehmen der üble Einfluss von Politik und Gewerkschaft spür- und messbar.
Es ist kein Zufall, dass die Wiener Ordensspitäler die gleiche Leistung – etwa eine bestimmte Operation – um zig-Prozent billiger erbringen (müssen) als die im Eigentum der Gemeinde Wien oder der Krankenkassa stehenden Krankenhäuser. Das liegt längst nicht mehr daran, dass dort noch ein paar alte geistliche Schwestern um Gotteslohn arbeiten. Das liegt vielmehr daran, dass erstens in den Gemeindespitälern die Gewerkschaft vielfach effizientes Arbeiten verhindert, etwa dem Pflegepersonal bestimmte Leistungen verbietet (die dieses in Privatspitälern sehr wohl macht). Und zweitens werden in den öffentlichen Spitälern viele Posten nach wie vor durch politische Protektion vergeben, bis hin zu Ehefrauen oder Kindern von Politikern.
Es ist auch kein Zufall, dass die wildesten Korruptions-Skandale der letzten Jahre ausgerechnet im Bereich der Telekom passiert sind, also einer mehrheitlich im Staatseigentum stehenden Gesellschaft. Diese hat erst in allerjüngster Zeit einen mitbestimmenden und daher für Disziplin sorgenden privaten Miteigentümer bekommen. Bisher hat die Telekom-Führung hingegen glauben können, nicht auf dem Markt, also im harten Kampf um die Konsumenten, und nicht durch die Erhöhung der eigenen Ertragskraft, reüssieren zu können, sondern durch Bestechung der politischen Eigentümervertreter. Denn nur diese entscheiden ja über Vorstandsjobs und Branchen-Regulierung. In der Privatwirtschaft hingegen ist seit Jahrzehnten kein ähnlicher Skandal bekannt geworden.
Es war ebenfalls die Verstaatliche, wo in den 80er Jahren die ärgsten Spekulationsverluste der Industriegeschichte passiert sind (Intertrading). Ähnlich wie es dann später die ärgsten Spekulationsverluste der Bankgeschichte bei einer im staatlichen Besitz stehenden Bank gab, der Kärntner Hypo.
Zurück zur OMV: Dort ist es ja mehr als zweifelhaft, ob neben dem Gasleitungsnetz auch die Raffinerie Schwechat zum natürlichen Monopol zählt. Schwechat ist zwar Österreichs einzige Raffinerie, steht aber im Wettbewerb zu ausländischen, vor allem süddeutschen Raffinerien. Die ihre Produkte auch bis Ostösterreich transportieren könnten.
Aber selbst wenn man meint, dass natürliche Leitungs-Monopole und selbst Raffinerien im öffentlichen Eigentum bleiben sollten, ist die Argumentation von SPÖ und Gewerkschaft verlogen. Denn gerade sie sind seit Jahrzehnten weitaus am effektivsten, wenn es um den Missbrauch der Eigentümerrolle geht. Noch sind die Zustände nicht vergessen, da man auch für niedrige Jobs in der Verstaatlichten eine SPÖ- und Gewerkschafts-Mitgliedschaft brauchte.
Jedenfalls aber würde gerade die Natürliche-Monopole-Logik eine totale Trennung solcher Infrastruktur von allen anderen Bereichen erfordern. Aber genau dagegen wehren sich Sozialdemokratie und Gewerkschaft massiv. Sie haben es geschafft, dass die diesbezüglichen Vorstöße der EU zahnlos geblieben sind.
Gerade die ÖBB, wo (die derzeit bezeichnenderweise lauteste OMV-Kritikerin) Brigitte Ederer als Präsidentin sitzt, wäre ein dramatisches Beispiel für die eigentlich notwendige Trennung der Eigentümerrollen zwischen Zügen und Geleisen. Das bei der ÖBB jedoch noch immer gemeinsame Eigentum daran ist so, wie wenn die Asfinag auch alle Autobusse und LKW besitzen würde, die auf der Autobahn fahren.
Selbst wenn die Infrastruktur (also Geleise und eventuell auch Bahnhöfe) im Staatseigentum bleiben sollte, wäre es im Interesse der Konsumenten und Steuerzahler, wenn diese total von den Zügen getrennt und von mehreren unterschiedlichen Firmen betrieben würden, die untereinander in Konkurrenz stehen. Das würde – wie etwa auch das britische Beispiel zeigt – einen Preiskampf auslösen, die Qualität für Zugreisende und Frächter deutlich erhöhen, die Benützung der Bahn quantitativ stark steigern und die Belastung für den Steuerzahler reduzieren.
Hingegen wäre das für die Gewerkschaften, für die vielen bei der ÖBB politisch versorgten Funktionäre – was ja bis hin zum Vorstandschef Christian Kern gilt –, für die im Vergleich zu den privaten Bahnen und Buslinien deutlich überhöhten ÖBB-Gehälter und -Pensionsbedingungen und für die vielen Hundert dort vom Dienst freigestellten Betriebsräte natürlich schlecht. Sie haben daher vehement und weitgehend erfolgreich dafür gekämpft, die dringend notwendige Privatisierung des gesamten rollenden Betriebs zu verhindern. Halt auf Kosten von Kunden und Bürgern – aber die haben ja in der österreichischen Realverfassung eh nichts mitzureden.
Die allergrößte Unwahrheit steckt aber in der jetzt von Gewerkschaftsfunktionären ausgestreuten Behauptung, dass es bei der OMV gelte, eine Wiederholung des „Privatisierungsdesasters der 2000er Jahre“ zu verhindern. Das ist eine unglaubliche Geschichtslüge.
Wahr ist nämlich, dass es gar kein Desaster gegeben hat. Vielmehr sind die Privatisierungen dieser Epoche – mit der Voest als prominentestem, aber keineswegs einzigem Beispiel –, aber auch die großkoalitionären Privatisierungen davor ein gewaltiger Erfolg gewesen. Die Steuerzahler haben nicht mehr die schwer defizitären Staatsbetriebe am Hals. Und die lebensfähigen Teile der Verstaatlichten sind seither international erfolgreich.
Dennoch tritt erstaunlicherweise niemand dieser Geschichtslüge entgegen. Weder Schwarz noch Blau wollen sich derzeit absurderweise mit der erfolgreichsten Periode ihrer eigenen Geschichte befassen. Sie haben beide nicht begriffen: Wer die Vergangenheit aufgibt, verschlechtert auch für die Zukunft die eigenen Karten.
Im Denken der Gewerkschaftsbosse ist hingegen noch immer das absurde Denken der Kreisky-Androsch-Benya-Zeit tief verankert: „Gerade in schwierigen Zeiten“ müsse an der Verstaatlichung festgehalten werden, erklären sie. Mit anderen Worten: Auch wenn es für Steuerzahler und Konsumenten sehr teuer wird, müsse nach ihrer Ansicht „gerade in schwierigen Zeiten“ am Staatseigentum festgehalten werden. Genau das hat es auch schon damals geheißen. Bis dann in den 80er Jahren auch die Sozialdemokraten einsehen mussten, dass sich Österreich das gerade in schwierigen Zeiten nicht mehr leisten kann. Weshalb es damals zu einer ersten großen Privatisierung der Verstaatlichten gekommen ist, weil fast ganz Österreich erkannt hat, dass die Verstaatlichte Industrie ein Fass ohne Boden ist.
Noch ein weiteres historisches Faktum der österreichischen Industriegeschichte wird von SPÖ und ÖGB total verdrängt: Es ist ausschließlich privaten Industriebetrieben geglückt, auf dem Weltmarkt führend mitzuspielen (darunter pikanterweise auch dem Schienenverlegunternehmen Plasser&Theurer). Jedoch keinem einzigen Staatsbetrieb. Alle internationalen Anläufe etwa von AUA, ÖBB, Telekom, Ranshofen, Berndorf, Lenzing, Böhler, Elin, EVN, CA, BA, Steyr oder OMV sind nicht erfolgreich gewesen, zumindest solange der Staat mitgespielt hat.
Die Ursache ist klar: Betriebe, die so viel politischen und gewerkschaftlichen Ballast mit sich schleppen müssen (oder es lange mussten) wie die österreichischen Staatsfirmen, sind nie so dynamisch und flexibel aufgestellt, dass sie international reüssieren könnten. Überdies stehen alle Betriebe mit Staatsanteil viel mehr im kritischen Licht der Medien und Politik als private, was jede unternehmerische Aktion zehnmal schwerer macht. Schon deshalb, weil dort immer politische Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sitzen, in der Privatwirtschaft hingegen solche, die loyal zum Unternehmen sind.
Freilich, im Umschreiben der Geschichte waren Sozialisten immer schon gut. Wenigstens ein Gebiet, wo sie gut sind.