Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
„Unverschämtheit“, „Anmaßung“, „Widerwärtigkeit“. Solch krasse Worte hört man vom sozialistischen Justizsprecher Jarolim jetzt via „Standard“. Ähnliche Worte werden in diesen Tagen freilich auch viele normale Bürger im Kopf haben. Sie würden diese nur niemals aussprechen. Dazu sind sie im Gegensatz zu Herrn Jarolim zu gut erzogen. Dazu fürchten sie die immer mehr die Meinungsfreiheit beschneidende Justiz viel zu sehr.
Aber eigentlich ist es in der Tat eine Unverschämtheit und widerwärtig, wie da mit Menschen umgegangen wird, die ihren Job verloren haben. Das muss man noch sagen dürfen.
Auf der einen Seite die gefeuerte Wiener Stadtschulratspräsidentin Brandsteidl. Auf der anderen Tausende Frauen – vor allem Frauen –, die Opfer der Zielpunkt-Pleite und deren Schockwellen bei anderen mit in den Untergang gerissenen Betrieben geworden sind.
Sie alle haben ihren Posten ohne jedes eigene Verschulden verloren. In dieser Beziehung sind Brandsteidl und die Zielpunkt-Frauen völlig gleich. Die Folgen des Jobverlusts sind jedoch dramatisch unterschiedlich. Die ohnedies schlecht verdienenden Zielpunkt-Frauen werden mit Sicherheit angesichts des katastrophalen Arbeitsmarkts und der maroden Wirtschaft (woran wiederum vor allem die Politik der von Jarolims Parteifreunden geführten Regierungen in Rathaus und Parlament schuld ist) großteils beim AMS landen. Manche werden nie wieder im Leben einen neuen Arbeitsplatz finden. Man kann sich in etwa vorstellen, wie deprimierend für sie alle das bevorstehende Weihnachtsfest ausschauen wird.
Für die Versorgung von Frau Brandsteidl hingegen wird aus Steuergeld ein eigener neuer hochbezahlter Posten im Bildungsministerium geschaffen. Für diesen Posten hat keinerlei Bedarf geherrscht. Selbst der Ministeriums-Sprecher musste zugeben: „Was Frau Brandsteidl genau machen wird, ist noch offen.“
Bei allem Unverständnis dafür, dass die Wiener SPÖ Brandsteidl vom Chefposten im Stadtschulrat ohne jeden Grund hinausschmeißt, um dort einen jungen „Kinderfreunde“-Funktionär (der bisher nur dadurch aufgefallen ist, dass er seinen Namen geändert hat) unterzubringen: Die Schaffung eines neuen Postens für Brandsteidl ist vor dem Hintergrund der für die normalen Menschen – vor allem in Wien – explodierenden Arbeitslosigkeit eine Zumutung. Das ist in der Tat ein „unglaublicher Fall von Günstlingswirtschaft“, wie es jetzt auch die Bildungsplattform „Leistung & Vielfalt“ bezeichnet hat.
Diese Plattform weist zu Recht darauf hin, dass den Schulen „seit Jahren ein rigider Sparkurs“ aufgezwungen wird. „Doch wenn eine karenzierte Lehrerin von ihrem Polit-Posten abgelöst wird, braucht sie nicht in die Klasse zurückzukehren.“
Brandsteidl hätte nämlich sowieso nicht der demütigende Gang zum AMS gedroht. Der droht nur den niederen Klassen. Sie hätte als Beamtin vielmehr ohnedies das abgesicherte Rückkehrrecht auf einen Lehrer-Posten. Wobei ja schon das ein skandalöses Privileg gegenüber 80 Prozent der Österreicher ist, für die Jobverlust alternativlos Arbeitslosigkeit und mühsame Suche nach einem neuen Job bedeutet.
Diese Zweiklassengesellschaft Beamte-Nichtbeamte gibt es zwar auch bei Politikern. Nur ist es bei ihnen eine Minderheit, die nicht als Beamte oder Kammerangestellte auf Kosten der Steuerzahler gut abgesichert ist. Von dieser Minderheit stehen manche nach einem – oft ähnlich überraschenden – Ende ihrer Funktion ähnlich wie die Zielpunkt-Frauen vor dem Nichts. Und eine Minderheit dieser Minderheit ist wirklich dauerhaft in die Armutsgefährdung gerutscht. Ich kenne einige von ihnen. Sie sind zu anständig, um sich karrieremäßig abzusichern oder um öffentlich zu klagen. Andere freilich, wie ein Alfred Gusenbauer, haben sich als Lobbyist für asiatische Diktaturen einen luxuriösen Lebensabend gezimmert, der noch goldener ist als die Abfederung in Kammer oder öffentlichem Dienst.
Aber zurück zur Causa Brandsteidl und zu Jarolim. Volles Verständnis für den Zorn, der aus Jarolim spricht. Und Respekt für seinen Mut – auch wenn seine Wortwahl nicht ok ist, insbesondere nicht für einen Justizsprecher, der ja eine führende Rolle bei der Erlassung neuer Gesetze hat. Der Rechtsstaat und seine Exponenten sollten nie Schaum vor dem Mund haben.
Doch halt! Jarolim hat sich ja gar nicht über diese unglaubliche Privilegienwirtschaft aufgepudelt. Sondern über die jüngsten Beschlüsse zur Bildungsreform. Er ist empört, dass die ÖVP dabei nicht alle Wünsche der SPÖ erfüllt hat, dass sie „nur“ der Zerstörung von 15 Prozent der Gymnasien zugestimmt hat.
Da bleibt einem wirklich die Luft weg. Sowohl über den Ton wie auch über die Gesinnung, die da aus einem hochrangigen SPÖ-Abgeordneten hervorgesprudelt ist. Man ist fassungslos, wie eine andere Partei, die noch dazu ein Koalitionspartner ist, als „bösartig“ beschimpft wird, nur weil sie sich nicht zur Gänze zum gefügigen Vollstrecker rotgrüner Wünsche gemacht hat.
Herr Jarolim hat nicht nur keine Umgangsformen. Er hat auch die Demokratie in keiner Weise begriffen. Dieser Vorwurf ist auch dadurch mehr als legitimiert, was die SPÖ bei dieser „Bildungsreform“ durchgesetzt hat: Bei der Umwandlung eines Gymnasiums in eine Gesamtschule verlieren Eltern und Lehrer ihr Mitspracherecht. An dieser Zertrümmerung der Schuldemokratie übt der Mann aber mit keiner Silbe Kritik.
Dabei müsste man ja im Gegenteil die ÖVP wegen ihrer Zustimmung zur 15-prozentigen Gymnasiums-Zertrümmerung geißeln. Sie hat sich neuerlich als wortbrüchig erwiesen. Sie hat eines ihrer expliziten Wahlversprechen ohne jede Not gebrochen (und die Ausrede, dass man sein Versprechen nur zu 15 Prozent gebrochen hätte, ist nur noch lächerlich). Sie hat sich in den Wahlkämpfen den Wählern als standhafte Verteidigerin des Gymnasiums verkauft. Sie hat dadurch einige Prozent der bürgerlichen Wähler – vor allem der Eltern – davon abgehalten, zu anderen Parteien, etwa der gesamtschulkritischen FPÖ, überzulaufen.
Tatsache ist, dass seit Jahrzehnten jene Parteien eine klare Mehrheit erringen, die gegen die Zwangsgesamtschule und für das Gymnasium eintreten. Tatsache ist, dass sich bei sämtlichen Meinungsumfragen eine klare Mehrheit der Österreicher für das differenzierte Schulsystem und das Gymnasium ausspricht. Tatsache ist, dass in den letzten Jahren immer mehr ausländische Delegationen nach Österreich kommen, um das hiesige Bildungssystem zu studieren und abzukupfern (freilich nicht die eher jammervoll dastehenden Universitäten). Tatsache ist, dass die „Neuen Mittelschulen“ mit ihrem gesamtschulartigen Einheitsbrei generell viel schlechtere Ergebnisse haben als die Gymnasiums-Unterstufen und auch schlechtere als die in den letzten Jahren leider schon von der Politik gekillten Hauptschulen mit ihren unterschiedlichen (und damit viel besser auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler eingehenden) Leistungsgruppen.
Aber für Herrn Jarolim mit seinem Nivellierungswahn ist es eine „Unverschämtheit“, das zu sagen und politisch zu vertreten.
Nicht ohne Angst stellt man sich vor, was uns droht, wenn Menschen einer solchen Gesinnung einmal in Österreich die Mehrheit haben sollten…
Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.