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Am Schluss wird Österreich höchstens noch die Fußball-Nationalmannschaft bleiben. Wie in den 30er Jahren. Es ist jedenfalls ganz erstaunlich und bedrückend, wie es mit dem wirklichen Kulturleben des Landes an allzu vielen Fronten gleichzeitig bergab geht, das einst eine der großen Stärken, ja eine der wichtigsten Identifikationsplattformen des Landes gewesen ist. Das hängt zum guten Teil mit der wirtschaftlichen Talfahrt des Landes zusammen, aber auch mit politischem Desinteresse.
So haben die staatlichen Museen offensichtlich ihre große Aufbruchsstimmung nach der Ausgliederung hinter sich und versinken in politisch korrektem Dämmerschlaf. Die letzten großen und epochalen Ausstellungen im Kunsthistorischen Museum oder im Belvedere sind schon Jahre her. Kein Geld. Aus. Der Bund presst statt dessen ein sozialdemokratisches Ideologiemuseum in die Hofburg hinein, das er großspurig „Haus der Geschichte“ tauft. Dafür ist also offenbar doch Geld da.
Ein besonders beschämender Skandal ist das Schicksal des Künstlerhauses am Karlsplatz. Dieses für das Stadtbild prägende Gebäude ist seit einem Jahrzehnt eingerüstet – aber ohne dass hinter dem Gerüst irgend etwas renoviert würde; vielmehr hofft man, dass man im Lauf vieler Jahre genug Mega-Plakate auf der Gerüst-Außenseite für ein bisschen Bargeld aufhängen kann, um solcherart irgendwann vielleicht die Renovierung finanzieren zu können. Demaskierender für den Abstieg Wiens gehts gar nicht mehr.
Vor allem im Kunstbereich häufen sich die negativen Nachrichten. Aus Schweizer Zeitungen erfährt man soeben, dass die große Sammlung Thyssen-Bornemisza aus Wien abziehen und nach Zürich übersiedeln wird. Die Eigentümerin, die (Noch?-)Ehefrau von Karl Habsburg findet Wien zu „statisch“ und geht lieber in das eigentlich viel kleinere Zürich. Was da auch immer an privaten Motiven sonst noch dahinterstecken dürfte: Die wirtschaftliche und intellektuelle Dynamik der Schweiz ist ganz sicher im Vergleich zu Wien ein attraktiver Faktor.
Die Schweizer Dynamik äußert sich ja auch darin, dass Zürich mit der ETH eine absolute Weltklasse-Universität hat, während in Österreich sämtliche Universitäten in sämtlichen internationalen Qualitäts-Rankings bestenfalls, wenn überhaupt, am Ende von „Ferner liefen“ vorkommen. So findet sich auch beim soeben vom "Times Higher Education" durchgeführten Fachranking für Hochschulen in den Sozialwissenschaften keine einzige österreichische Uni unter den 100 besten; hingegen sind dort zwei Schweizer und sieben deutsche Unis. Dafür jubelt die linke Szene an der jetzt von einer Feministin geleiteten Wirtschaftsuniversität dem griechischen Bankrottminister Varoufakis zu . . .
Noch enger mit dem wirtschaftlichen Niedergang Wiens und den Problemen der bisherigen Kunstmäzene hängt der Verlust zweier anderer Privatsammlungen zusammen: Sowohl die Bawag- wie auch die Generali-Stiftung haben zugesperrt. Ich würde auch angesichts des ökonomischen Absturzes der ehemaligen Eigentümer- und Namensgeber-Familie nicht viel auf die Zukunft der Klosterneuburger Sammlung Essl verwetten. Das gleiche gilt für das erst vor wenigen Jahren stolz gegründete Angerlehner-Museum in Thalheim bei Wels (ebenfalls eine große Sammlung moderner Kunst). Ebensowenig ist damit zu rechnen, dass mit der Bank Austria auch deren Kunst-Museum aus Wien verschwinden wird, auch wenn vorerst noch niemand darüber spricht.
In diese Aufzählung eines landesweiten kulturellen Niedergangs gehört natürlich auch der Mega-Crash des Burgtheaters, der ja noch gar nicht lange her ist. Dessen gerichtliche Aufarbeitung wird noch Jahre dauern – wenn sie überhaupt jemals stattfindet. Das Wegbröckeln der Besucher hat sich hingegen schon etliche Jahre davor abgezeichnet. Der Versuch, den Niedergang durch die Präsentation hässlicher Nazis und/oder hässlicher Nackter in naehzu jeder Inszenierung aufzuhalten, hat diesen in Wahrheit nur beschleunigt.
Gewiss: Wien ist noch immer Welthauptstadt der Musik. Und wenigstens Staatsoper und alle großen Konzerte im Musikverein sind fast immer ausverkauft (wenngleich das Durchschnittsalter der Besucher fast schon so hoch ist wie das der ORF-Seher). Nur: Auch in der Welt der klassischen Musik sollte man nicht allzu sehr hinter die Kulissen blicken.
Bei den Salzburger Festspielen muss das Programm wegen des Wegfalls wichtiger Sponsoren deutlich abgespeckt werden. Dem Musikverein werden die (ohnedies im Vergleich zu den Bundestheatern minimalen) Subventionen gekürzt, sodass das Programm ausgedünnt wird; etwa das große „Goldene“ Herzeige-Abonnement, in dem bisher immer nur die größten Orchester der Welt aufgetreten sind, wird heuer erstmals mit einem billigen Ein-Mann-Klavierabend gestreckt. Und das Konzerthaus wird seit vielen Jahren von den Schulden für seine – an sich toll gelungene – Renovierung erdrückt. Noch schlimmer: In erpresserischer Manier wird jetzt dem Konzerthaus angedeutet, dass es seine Schulden erst dann loskriegen wird, wenn es dem Bau eines riesigen Hochhauses unmittelbar daneben (als Nachbar) rechtlich nicht widerspricht.
In diese Liste müsste man natürlich auch den ORF aufnehmen, der im Fernsehen zum Abspielcomputer für amerikanische Billigserien degeneriert ist, und wo im einstigen „Kultursender“ Ö1 alle kommunistischen Dinosaurier des Landes ihr Unwesen treiben. Dabei war dieser ORF unter Gerd Bacher eines der größten kulturellen Flaggschiffe Österreichs.
Hinter all diesen Entwicklungen steckt aber auch die wirtschaftliche Krise des Landes, die von Jahr zu Jahr manifester wird. Zusätzlich steckt auch der Umstand dahinter, dass weder im Bund noch im Land seit Jahren Politiker mit kulturellem Format oder zumindest Interesse zu finden sind.
Der kulturelle Niedergang zeigt sich wie im Brennspiegel, wenn man sich bewusst macht, für welches Event die Stadt Wien und der ORF im letzten Jahr plötzlich durchaus Geld hatten: Das war ein Schlagerwettsingen, bei dem ein steirischer Transvestit mit Bart zum kulturellen Megastar und ideologischen Weisheitsgeber aufgebaut werden sollte. Der nachher dann aber – nach Aussage von Menschen, die sich da auskennen – keinen zweiten relevanten Schlager mehr zusammengebracht hat.
Armer Bub. Armes Land.
PS: Übrigens ist selbst beim eingangs angesprochenen Fußball nur eines sicher: Dass auf den Aufstieg wieder ein Abstieg kommen wird. Kommen muss. Denn auf die Dauer kann ein Land nicht reüssieren, dessen Teamspieler überall spielen, nur nicht im Land selbst.