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Also noch einmal fünf Jahre das Gleiche. Die Fortsetzung der rot-grünen Koalition ist – fast könnte man glauben: durchaus absichtlich – im Schatten der Terroranschläge von Paris weitgehend im Schatten geblieben.

Ein kraftvoller Neuanfang sieht anders aus. Der ist nicht einmal ansatzweise versucht worden. Nichts lässt hoffen, dass sich durch diese Koalition etwas Gravierendes an der schwierigen Lage der Stadt ändert, die hinter einer brillanten imperialen Fassade morsch und in der kritischsten Lage seit Kriegsende ist.

Nichts wird sich ändern:

  • an der höchsten Arbeitslosigkeit seit dem Krieg, die noch immer weiter steil steigt, und die weit höher ist als in allen anderen Bundesländern;
  • an der ob zahlloser Schikanen darniederliegenden Wirtschaft, aus der immer mehr Unternehmen ins Um- oder Ausland abziehen;
  • an der Wohnungsnot, die durch ein marktwidriges und wohnraumschaffungsfeindliches sozialistisches Mietrecht ständig weiter verschlimmert wird;
  • an der gigantischen Geldverschwendung durch alljährlich Zig-Millionen Steuergeld zur Bestechung von Medien, damit diese nicht die Wahrheit über die Lage der Stadt kommunizieren (die Bestechungssummen sollen zwar – angeblich – um ein Drittel reduziert werden, liegen aber immer noch um ein Vielfaches über jedem anderen Bundesland, also auch den einwohnermäßig gleich großen);
  • an den geplanten Mega-Anschlägen auf das Stadtbild und die Schönheit Wiens (durch hässliche Mega-Aufstockungen vieler schöner Gründerzeithäuser, durch ein Hochhaus neben dem Konzerthaus, durch die Zerstörung der historischen Vororte);
  • an der Tatsache, dass 60 Prozent aller irgendwo in Österreich um Asyl ansuchenden Menschen nach Wien ziehen, sobald sie das Asyl haben.

Die Grünen ließen Chance ungenützt

Die Grünen haben ihre Chance gehabt. Und sie nicht genützt. Dabei waren sie diesmal in einer taktisch viel stärkeren Position. Die SPÖ hat ihnen nämlich zum Unterschied von der letzten Legislaturperiode nicht ernsthaft mit der Bildung einer alternativen Koalition mit der ÖVP drohen können, da sich das zahlenmäßig nicht mehr wirklich ausgegangen wäre. Dennoch waren die Grünen dem Profi-Poker eines Michael Häupl nicht gewachsen und ließen sich erneut voll über den Tisch ziehen.

Die Grünen können als Erfolg nun lediglich die Verteidigung des eigentlich auf Grund des Wahlergebnisses schon verlorenen Ehrentitels einer Vizebürgermeisterin vorweisen. Besonders blamabel ist, dass sie in Sachen Wahlrecht jetzt doch den Kompromiss schlucken, den die SPÖ schon vor den Wahlen angeboten hatte und den die Grünen damals noch tapfer abgelehnt hatten – bis an den Rand des Koalitionsbruchs. Jetzt haben sie alles unterschrieben. Kaum weniger peinlich ist, dass Frau Vassilakou trotz der Wahlverluste, trotz ihrer vorherigen Ankündigung und trotz ihrer sehr limitierten Beliebtheit nicht zurückgetreten ist.

Und wie schaut es für die SPÖ aus? Sie bringt die reife Leistung zustande, im Stadtsenat nicht einmal ein einziges neues Gesicht zu präsentieren. Deutlicher kann man Stillstand – trotz Krise – gar nicht symbolisieren. Wie wenig Änderungsdynamik es in der SPÖ gibt, zeigt auch der SPÖ-Klub im Gemeinderat: Selbst dort gibt es lediglich fünf neue Gesichter.

Dass der Herr Akkilic – der von mehr als düsteren Gerüchten begleitete Wechsler von Grün zu Rot – nicht mehr im Gemeinderat sitzt, ist sicher eines der wenigen positiven Signale, dass selbst in Wien keine unbegrenzte, offene und unverschämte Korruption mehr möglich ist. Das reicht aber noch nicht aus, um der neualten Koalition einen Pluspunkt zu geben.

Schlechtes Omen für die Schul-Debatte

Lediglich im Stadtschulrat gibt es eine kleine Überraschung: Dort wird die Präsidentin Susanne Brandsteidl durch einen bisher nur extrem links aufgefallenen und schulpolitisch ahnungslosen SPÖ-Gemeinderat abgelöst. Jürgen Czernohorszky ist alles andere als ein hoffnunggebendes Signal auf diesem wichtigen Posten. Damit wird von Michael Häupl nach Kurt Scholz nun zum zweiten Mal ein Stadtschulrats-Chef ohne klaren Grund gekillt.

Das zeigt, wie schlimm die parteipolitische Einmischung gerade ins Schulsystem ist. An die Spitze des Stadtschulrats kommt man nur noch als Belohnung für brave Parteidienste im Gemeinderat. Ein furchtbares Omen für die gerade anlaufende Endrunde der Schulverhandlungen, die eigentlich eine Entpolitisierung der Schule bringen hätte sollen.

Brandsteidl war zu ihrem Pech ausgerechnet mit dem bisherigen Klubobmann Schicker liiert, der gleichzeitig diese Funktion verloren hat. Nicht dass Brandsteidl der Inbegriff eines tollen Stadtschulrats-Chefs gewesen wäre. Aber das riecht sehr stark nach Sippenhaftungs-Vendetta. Und nach Bestrafung dafür, dass sie in letzter Zeit wenigstens ein paar Mal durch eine eigene Meinung aufgefallen ist, in der sie sich für eine leistungsorientierte Schule ausgesprochen hat.

Jetzt haben wir statt ihr jedenfalls einen ganz Linken auf diesem Posten, der wohl das Wort Leistung gar nicht buchstabieren kann (und der originellerweise seinen ursprünglichen Namen Wutzlhofer aufgegeben hat, unter dem er einst in den Gemeinderat eingezogen war). Der Mann war bisher hauptberuflich Apparatschik bei den SPÖ-Kinderfreunden, während Brandsteidl AHS-Pädagogin gewesen ist. Ein furchtbares Signal.

Warten auf die Post-Häupl-Ära

In Wien und vor allem in der SPÖ wartet in Wahrheit alles schon auf die Zeit nach Häupl. Es ist ja mehr als wahrscheinlich, dass der Bürgermeister noch in dieser Periode abdanken und sich ganz den für einen Menschen seines Typs schönen Seiten des Lebens hingeben wird. Es gibt aber derzeit absolut keinen fixen Nachfolger für ihn.

Werner Faymann, der einst längere Zeit auf diesen Posten gegiert hatte, wurde ja schon 2007 von Häupl aus dem wahren SPÖ-Machtzentrum in die Bundespolitik hinausgelobt. Und Rudolf Hundstorfer, der von allen Wiener SPÖ-Mächtigen als netter und ungefährlicher Beschwichtigungshofrat in der Bürgermeisterrolle akzeptiert würde, wird ja mit hoher Wahrscheinlichkeit Präsidentschaftskandidat der SPÖ werden. Dass er nach einer Niederlage dann doch noch ins Rathaus wechselt, scheint politisch aber recht unwahrscheinlich zu sein. Ein Verlierer eignet sich nicht gut als positives Symbol.

Damit ist kein Nachfolger fix. Das bedeutet aber: Während nach außen totale Immobilität herrscht und das Rathaus nur noch zu Conchita-Festspielen und Kollaboration mit Immobilien-Spekulanten imstande ist, wird es in der SPÖ nach innen wilde Diadochenintrigen geben. Alle Möchtegern-Bürgermeister werden sich in gute Positionen für das Rennen ums Rathaus zu bringen versuchen.

Daher wird sich der künftige Weg erst dann zeigen, wenn diese Kämpfe ausgestanden sind: Wird die Wiener SPÖ weiter den Weg in die dogmatische Verhärtung einer zahlenmäßig kleinen, aber bei den Funktionären einflussreichen Ideologie-Gruppe mit den Schwerpunkten Feminismus, Wirtschaftsfeindlichkeit und Verstaatlichungswahn gehen (wofür etwa die Namen Schieder und Brauner stehen)? Oder wechselt sie wieder wie einst etwas unter Helmut Zilk zu einer relativ pragmatischen und ideologiefreien Sachpolitik (wie sie etwa derzeit als einziger der Wohnbau-Stadtrat Ludwig zu verkörpern scheint).

Erst wenn diese Weiche gestellt ist, wird sich dann auch in Sachen Mannschaft und Inhalt etwas tun. Bis dahin ist die Wiener SPÖ wie Mikado: Alles bleibt ruhig und unverändert, bis das erste Stäbchen verändert wird.

Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.

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