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Das ist ausnahmsweise kein Text von mir, sondern ein Interview mit mir, das Christoph Kramer von der deutschen Web-Initiative „faire medien“ mit mir geführt hat. In diesem Gespräch geht es um meine Erfahrungen mit dem Beruf des Journalisten, der Ausbildung zu diesem Beruf, den Veränderungen in der österreichischen Medienlandschaft und die Rolle des Geldes in der Publizistik.
FaireMedien: Dr. Unterberger, Sie sind jetzt seit über vier Jahrzehnten journalistisch aktiv. Wie sind Sie zum Journalismus gekommen?
Andreas Unterberger: Aus Interesse an Politik und Medien habe ich mich 1973 in einer Lehrredaktion für die Zeitung „Die Presse“ beworben – die haben damals eine große Ausschreibung gemacht. Gleichzeitig hatte ich auch ein Stipendium bei der London School of Economics bekommen. Aber ich hab mich dafür entschieden, ins Leben einzusteigen und nicht noch ein paar Jahre in Hörsälen zu verbringen.
FaireMedien: Ausgebildet sind Sie aber ursprünglich als Rechtswissenschaftler.
Andreas Unterberger: Juristisch hat es mich eher ins Gebiet des öffentlichen Rechts, Verfassungsrechts, Völkerrechts gezogen. Ich entnehme Ihrer Frage den Unterton, dass man als Jurist nicht ganz richtig ausgebildet sei für den Journalismus. Und da widerspreche ich ganz energisch. Guter Journalismus kann nur darin bestehen, eine möglichst bunte Vielfalt an Studienrichtungen in einer Redaktion zu haben. Und da ist Rechtswissenschaft eine ganz hervorragende Grundlage. Man braucht das Strafrecht für die ganze lokale Gerichts-Berichterstattung, man braucht das Verfassungsrecht für die Innenpolitik, das Völkerrecht für die Außenpolitik.
FaireMedien: Manche nehmen vielleicht an, das Publizistik-Studium sei die adäquate Ausbildung für Journalisten.
Andreas Unterberger: Aber dieses Studium ist so, wie es in Österreich betrieben wird, kein Studium, in dem man lernt, Journalist zu werden. Das ist ungefähr so, als wenn man Musikwissenschaft studiert und dann glaubt, man könnte Piano oder Geige spielen. Ich bin überzeugt, gerade weil ich mich jahrzehntelang mit der journalistischen Nachwuchsausbildung und dem Assessment von Nachwuchsjournalisten beschäftigt habe, dass das richtige Erlernen des Berufes nur „on the job“ möglich ist. Also eine gute Lehrredaktion, wie ich sie sehr oft organisiert habe, ist für das eigentliche journalistische Handwerk weitaus die beste Basis. Aber als Grundlage dazu ein breiter Mix an Wissen, der durch die universitäre Ausbildung kommen sollte, z.B. Historiker, Linguisten oder Osteuropastudien. Das ist weit interessanter, als wenn jemand nur an irgendeiner School of Journalism gelernt hat.
FaireMedien: Wie läuft das denn gerade praktisch, wenn Sie sich anschauen, wie jetzt real der Nachwuchs in österreichischen Zeitungen rekrutiert wird?
Andreas Unterberger: Die Aufnahme von jungen Journalisten in Medien hält sich überhaupt quantitativ in engen Grenzen, weil die meisten Medien, wenn ein Posten frei wird, froh sind, dass sie wieder eine Stelle einsparen können. Die wirtschaftliche Lage ist sehr schlecht. Aber natürlich gibt es trotzdem immer wieder welche, die nachrücken. Und da dominiert jetzt leider nicht diese Vielfalt, die ich mir wünschen würde. Ich sehe eine Dominanz von diversen Publizistikstudien und auch der Politikwissenschaft.
FaireMedien: Warum ist das für Sie eine bedauerliche Situation?
Andreas Unterberger: Bedauerlich ist das aus mehreren Gründen. Es gibt in diesen Studienrichtungen an österreichischen Universitäten eine zum Teil extrem schlechte Qualität. In Wien ist das Politologie-Studium ideologisch dominiert einerseits von einer sehr radikalen genderistisch-feministischen und andererseits einer postmarxistischen Richtung. Marxismus-Leninismus-Professoren aus der ehemaligen DDR, die dann in Deutschland keinen Job mehr bekommen haben, sind in Wien Professoren der Politikwissenschaft geworden. Das ist ein sehr konkretes Indiz für eine sehr bedenkliche Entwicklung. Jedes Jahr werden Hunderte und Tausende Studenten darüber „informiert“, dass die Wiedervereinigung in Deutschland nicht so gut war, dass der Kommunismus doch eigentlich sehr viele gute Seiten hatte usw. Ich halte es für problematisch, wenn Absolventen solcher Studien dann in Massen in die Medien drängen und ein Teil dann irgendwie hineinkommt. Weil solche Leute ja sonst kaum Berufschancen haben, nehmen sie dann auch die ökonomisch immer schlechter werdenden Rahmenbedingungen in Kauf. Sie finden oft jahrelang keine Anstellung, sondern werden immer nur als freier Mitarbeiter eingesetzt und hoffen halt, dass man einen kleinen Auftrag bekommt, bevor man gar nichts bekommt oder Taxichauffeur wird.
FaireMedien: Sie selbst haben eine beachtliche Karriere hingelegt, waren fast zehn Jahre Chefredakteur der „Presse“ und dann fünf Jahre der „Wiener Zeitung“. Irgend etwas müssen Sie richtig gemacht haben.
Andreas Unterberger: Abgesehen davon, dass mir Nachwuchsarbeit immer sehr wichtig war, habe ich von den Ergebnissen her immer sämtliche Budgetvorgaben eingehalten – und wir hatten damals schon sehr strenge Vorgaben. Ich habe vor allem in einer Zeit, in der schon in vielen Zeitungen die Auflagen rückläufig waren, die in der Geschichte der „Presse“ weitaus höchste Leserzahl gehabt. Das ist keine Propagandaaussage, die man ja von vielen Verlagsleitern immer zu hören bekommt, sondern dies zeigt die unabhängige Media-Analyse. Ich habe in gesellschaftspolitischen Fragen immer eine konservative Position bezogen und mich dadurch vom linksliberal grünen Mainstream abgehoben, der sich damals schon entwickelte, wenn auch lange nicht so schlimm wie heute. Das hat eindeutig eine große Sympathie bei den Lesern hervorgerufen und zu vielen Käufern geführt. Ob ich gut geschrieben habe, kann ich jetzt selber nicht wirklich objektiv beurteilen. Tatsache ist, dass ich inhaltlich zweimal eine sehr einsame Rolle gleichsam als Speerspitze gespielt habe, dass meine Position aber dann jeweils mehrheitsfähig wurde.
FaireMedien: Die zwei Highlights in Ihrer Tätigkeit?
Andreas Unterberger: Im Jahr 2000 habe ich als einziger Chefredakteur einer renommierten Zeitung in Österreich die Legitimität der sogenannten schwarz-blauen Koalition verteidigt. Ich habe gesagt, dass das eine demokratische Wahl war, dass es eine demokratische Mehrheit ist und dass diese ganze Welle an internationalen Sanktionen ein von der Sozialdemokratie europaweit orchestrierter Versuch ist, diese Regierung zu isolieren. Da war ich wochenlang eigentlich der Einzige, der dagegen angeschrieben hat, bis dann ein Medium nach dem anderen gleichsam umgefallen ist, weil sie gespürt haben, dass die Leser in Österreich in ihrer Mehrheit auch der Meinung waren, dass diese Regierung Legitimität hat und dass das eine eher absurde Kampagne ist.
Aber das waren schon Wochen, in denen ich mich zeitweise sehr einsam gefühlt habe.
Auch von den eigenen Verlegern und Geschäftsführern haben sich alle in Deckung begeben, weil es viele Demonstrationen gegeben hat und der damals noch – und heute wieder – ganz von der SPÖ kontrollierte Rundfunk ORF besonders massiv geschossen hat, ebenso wie auch alle Boulevardzeitungen.
FaireMedien: Und das ist dann gekippt?
Andreas Unterberger: Und hat für die „Presse“ dann auch einen unglaublichen Auflagenerfolg gebracht. Das hat man ja kurzfristig nicht gewusst. Erst mittel- und langfristig hat sich gezeigt, dass es sich rentiert, wenn man mutig zu einer Meinung steht, und nicht in so einer Kampagne mitschwimmt. Zumal dann, wenn man eine Meinung vertritt, die die Mehrheit teilt. Es waren immer über 60 Prozent der Österreicher, die gesagt haben, diese Regierung ist legitim.
FaireMedien: Und der zweite Höhepunkt?
Andreas Unterberger: Das war in den Jahren davor, eigentlich noch in den achtziger Jahren. Bevor ich Chefredakteur war, war ich Leiter Außenpolitik der „Presse“. In dieser Funktion habe ich, als noch niemand in dieser Richtung sich zu exponieren getraut hat, mehrere Jahre einsam geschrieben für den EU-Beitritt – damals hieß es EG-Beitritt – Österreichs. Sie erinnern sich vielleicht noch, in den achtziger Jahren waren immer solche Ängste da: „Was würde Moskau dazu sagen?“ und „Können wir als neutrales Land beitreten?“. Es war alles sehr schwierig, doch ich habe gesagt: Ja, wir können beitreten und dazu die Argumente gebracht, dass die österreichische Wirtschaft so eng vernetzt ist mit der deutschen und anderen, dass wir das unbedingt aus wirtschaftlichen Interessen brauchen, und dass wir es auch brauchen wegen der jungen Menschen, der Öffnung der Grenzen und der Binnenmigration, der Erasmus-Studien usw. Zum Neutralitätsgesetz habe ich argumentiert, dass das 1955 ein autonomes österreichisches Gesetz gewesen ist, das man ja nun auch autonom ändern kann, auch wenn es die Sowjetunion natürlich nicht sehr erfreut. Und dann ist da eine Lawine in Gang gekommen. Ein Politiker nach dem anderen, eine Organisation nach der anderen, eine Partei nach der anderen, ging in die Richtung: „Versuchen wir einen EU-Beitritt“. Und schließlich hat Österreich noch im Sommer 1989, also noch vor dem Fall der Mauer und der Sowjetunion und des Warschauer Pakts schon einen Beitrittsantrag an die Europäische Union gestellt.
FaireMedien: Diese zwei Kämpfe haben Sie sozusagen gewonnen. Hat es auch Kämpfe gegeben, die Sie verloren haben?
Andreas Unterberger: Ich hab den Job verloren, weil bei der „Presse“ jemand geglaubt hat, dass sie erfolgreicher würde, wenn man sie nach links verschiebt in ihrer Positionierung. Das war eine ganz schwere Fehlkalkulation gewesen, wie sich dann nach mir gezeigt hat. Ich anerkenne freilich durchaus das Recht des Eigentümers, neue Akzente zu setzen und schwere Fehler zu machen, etwa eine bürgerliche Zeitung nach links zu verschieben. Das hätte man mit mir nicht machen können.
FaireMedien: War das allein auf den Eigentümer zurückzuführen oder gab es noch andere Kräfte, die da gewirkt haben?
Andreas Unterberger: Na, ich weiß ja nicht, wer alles auf den Eigentümer eingewirkt hat. Der Eigentümer ist ja eigentlich eine Aktiengesellschaft und die hat einen Vorstandsvorsitzenden. Wahrscheinlich gibt es immer auch Kollegen in den Redaktionen, die glauben, es nütze ihrer eigenen Karriere, wenn der Mann an der Spitze weg ist. Die Redaktion war ja keineswegs ein geschlossen liberal-konservativer Haufen, ganz im Gegenteil. Es war eben eine bunte Mischung, und ich habe dann immer geschaut, dass auch ein paar Konservative oder klassisch Liberale dabei sind. Aber natürlich gab es dort auch viele Linke und die mögen durchaus geglaubt haben, es wäre auch betriebswirtschaftlich-unternehmerisch gut, wenn wir jetzt in eine andere Richtung gehen.
FaireMedien: Gab es irgendeinen konkreten Anlass, warum man sagte, jetzt, in genau dieser Situation müssen wir die Zeitung nach links verschieben?
Andreas Unterberger: Nein, das gab ein Jahr lang eine Debatte. Es ist in dieser Aktiengesellschaft – mit ungefähr 50 Tochtergesellschaften, die der Aktiengesellschaft gehören – ein neuer Vorstandsvorsitzender an die Macht gekommen, und der hat, bevor ich gehen musste, auch sonst überall die Führungsmannschaft mit einer Ausnahme ausgetauscht. Und die eine Ausnahme ist bald in Pension gegangen. Das gibt es ja oft, dass solche Führungspersönlichkeiten ihre Macht absichern, indem sie die ganze andere Mannschaft selbst ernennen, offenbar im strategischen Glauben, dass man dann quasi ungefährdet in seiner Führungsposition wäre. Das scheint mir auch eine Managementschule zu sein. Dieser Mensch hat freilich inzwischen längst selber wieder gehen müssen.
Vielleicht hat auch das Faktum eine Rolle gespielt, dass der Vorstandsvorsitzende der Aktiengesellschaft um fast zehn Jahre jünger war als ich. Ich gebe ja zu, dass ich ein durchaus nicht ganz biegsamer Mensch bin, der zu einer Überzeugung steht. Das hat dann halt alles nicht geklappt und nicht funktioniert.
Natürlich war der Posten des Chefredakteurs der „Presse“ in dem ganzen Imperium der weitaus prestigeträchtigste. Es gibt einen Satz des langjährigen Bundeskanzlers Bruno Kreisky. Der hat einmal öffentlich gesagt, es gebe nur einen einzigen Job, den er lieber hätte als den des Bundeskanzlers, nämlich den des Chefredakteurs der „Presse“. Die „Presse“, die früher „Neue Freie Presse“ hieß, war bis zum ersten Weltkrieg und teilweise noch danach die führende Zeitung im ganzen deutschsprachigen Raum gewesen, also das, was heute vielleicht die Neue Zürcher und FAZ sein mögen. Für Hitler war sie ein absolutes Feindobjekt. Er hat sie beschimpft als das Judenblatt und die Zeitung sofort zugesperrt, nachdem er in Österreich die Macht übernommen hatte. Von dieser Zeit war Kreisky noch stark geprägt gewesen.
FaireMedien: Sie haben mit Ihrer gesellschaftspolitisch konservativen und wirtschaftsliberalen Haltung durchaus Probleme bekommen. Würden Sie sagen, dass es ein grundsätzliches Problem ist, also dass Leute mit solchen Haltungen Schwierigkeiten haben, in den Medien Fuß zu fassen?
Andreas Unterberger: Ich würde sagen, ja, das ist der Fall. Soweit ich beobachten kann, hat sich das in den Jahren, seit ich nicht mehr in einer Printredaktion tätig bin oder die Führung hatte, noch verschlimmert. Es gibt einfach einen immer enger werdenden Mainstream, der nur ein grünes und ein linksliberales Ufer hat. Ich kenne natürlich nicht alle Tageszeitungs- oder Wochenzeitungs-Journalisten, aber wenn ich nachdenke, fallen mir maximal eine Handvoll ein, die etwa gesellschaftspolitisch konservative oder deklariert christliche oder katholische Positionen vertreten.
Ich kenne einen konservativ katholischen Journalisten, der total in der inneren Emigration ist. Er sagt, er kommt eh nicht durch mit den Dingen, wie er sie sieht. Also schreibt er dazu überhaupt nicht. Vermutlich gibt es noch etliche andere, die man von außen, wenn man sie nicht privat kennt, gar nicht als konservativ oder katholisch erkennen kann.
FaireMedien: Wie erklären Sie das Fehlen von konservativen, christlichen oder wirtschaftsliberalen Journalisten? Was haben Sie selbst getan, um dem entgegen zu wirken?
Andreas Unterberger: Ja, ich habe immer wieder versucht, solche Leute auch in die Redaktion zu holen, aber man kann ja nicht jemand quasi mit dem Gewehr in der Hand zwingen. Denn Tatsache ist es, dass im weitesten Sinn bürgerliche Menschen ja meistens eine Studienrichtung wählen, die schon ein klares Berufsbild hat, z.B. Mediziner, Ärzte, Juristen, Rechtsanwälte und Richter. Solche Leute wollen eben nicht diese harte Durststrecke antreten, sich nach dem Studium als freie Journalisten jahrelang durchschlagen und hoffen, dass sie vielleicht doch noch einmal irgendwo eine Anstellung bekommen.
Vereinfachend gesagt, sieht man an den Universitäten eine klare soziologische Links-Rechts-Struktur. Bei Juristen, Medizinern, Ökonomen, also Fächern, deren Absolventen der Markt dringend braucht, gibt es bei den Studentenwahlen klare bürgerliche Mehrheiten. Hingegen sind alle Geistes- und Sozialwissenschaften, Politikwissenschaften, Psychologie, Komparatistik, aber auch klassische Geschichte, die früher einmal ein sehr konservatives Fach war, das sind alles Studienrichtungen, die fast überhaupt keinen Markt haben. Und deren Absolventen drängen dann in den Journalismus.
Eine zweite Ursache für das Fehlen konservativer, christlicher oder wirtschaftsliberaler Journalisten ist es, dass es auch keine Verleger gibt, die den Mut haben, ein Blatt außerhalb des Mainstreams zu machen. In wirtschaftsliberaler Richtung gibt es da zwar schon ein paar Versuche, aber in gesellschaftspolitisch konservativer oder christlicher Richtung gibt es keinen Verleger, der den Mut dazu hat. Es gibt ja eine Sogwirkung, ein Herdenphänomen. Wenn alle das eine machen, gibt es kaum einen, der sich traut zu sagen, ich mach jetzt etwas ganz anderes.
FaireMedien: Was würden Sie machen, wenn Sie etwa Verleger wären?
Andreas Unterberger: Ja, wenn ich Verleger wäre… Ich bin jahrelang mit dem Projekt einer Wochenzeitung hausieren gegangen. Aber umsonst. Es hat sich niemand bereit gefunden, die Investition zu riskieren. Ich glaube nach wie vor, dass es durchaus eine Chance wäre, sich mit einem konservativen Blatt zu positionieren. Ich habe in Deutschland beobachtet, wie die Zeitschrift „Cicero“ gegründet worden ist. Ich weiß schon, das ist keine Wochenzeitung. Aber das war so ein Ansatz – konservativ-intellektuell – und ist eine Erfolgsgeschichte geworden.
FaireMedien: Sie haben einmal erwähnt, dass Sie sich ein Fox-TV für Österreich wünschen würden.
Andreas Unterberger: Ja. Das wird zwar von allen anderen wüst beschimpft, aber Fox ist die weitaus meistgesehene Fernsehstation in den Vereinigten Staaten geworden. Die treten zwar zum Teil vielleicht zu hemdsärmelig auf – da weiß ich nicht, ob das so ganz ideal ist – aber die haben sicher ganz einfach dadurch Erfolg, dass sie sich viele Dinge anders zu berichten trauen, die von einem breiten Mainstream der anderen Medien sonst völlig einheitlich anders oder gar nicht berichtet werden. Etwa bei den Migrationsthemen. Da sehen jetzt schon sehr viele Leute, dass die Islamisierung Europas ja rapide Dynamik angenommen hat. Aber es traut sich fast kein Medium, das zu problematisieren, obwohl sie ja wissen müssen, dass ihre Leser das großteils sehr besorgt und kritisch sehen. Kein Medium etwa traut sich, das erfolgreiche australische Beispiel zu würdigen, wo illegale Migranten außer Landes gebracht werden. Dort gibt es jetzt keine Boote mehr, die im Meer versinken, weil eben die Schlepper Australien nicht mehr ansteuern, was sie jahrelang getan haben. Das sind ja Modelle, über die man zumindest diskutieren könnte.
Aber ich sehe nicht, dass man das auch nur diskutiert oder analysiert oder zumindest objektiv darstellt. Es findet alles nicht statt. Die innere Emigration, die ich zuvor bei einem mir bekannten Journalisten angesprochen habe, ist nach meinem Eindruck unter den Menschen noch viel größer. Das Vertrauen zu den Medien wie auch zur Politik nimmt rasch ab. Bei Umfragen sagen nur noch 20-25 %, sie hätten wenigstens ein gewisses Vertrauen in die Politik und die Medien. Das bewegt sich ja Hand in Hand. Ich glaube sogar, bei uns in Österreich ist es deutlich schlechter als in Deutschland, weil auch die personelle Qualität der österreichischen Regierung an die deutsche nicht herankommt, auch wenn es da ebenfalls vieles zu kritisieren gibt. Aber wir reden ja nicht über Politik.
FaireMedien: Wir reden über Medien.
Andreas Unterberger: Medien und die Politik sind natürlich fast untrennbare siamesische Zwillinge. Das ganze Feld Politik „hält sich“ die Medien – insbesondere in Österreich. Die Medien machen zwar oberflächlich ein bisschen Kritik an der Politik, aber sie sind in allen wesentlichen Fragen eben mit der Politik extrem verbunden.
FaireMedien: Aus liberaler Sicht wäre ja die Freiheit und Vielfalt der Medien ein zentraler Wert.
Andreas Unterberger: Ja, und der hat sich sicher verschlechtert. Dazu kommt auch, dass die Politik immer stärkere Gesetze gemacht hat und weiter macht, die die Meinungsfreiheit einschränken. Die sogenannten Verhetzungsparagrafen und vieles andere wird ja immer mehr dazu benutzt, um Autoren vorzuwerfen, dass sie Hass schüren. Wenn einer etwa nur auf manche Mordaufrufe hinweist, die es im Koran nun mal ganz eindeutig gibt, dann hat er sofort von grünen und linken Organisationen mit Anzeigen zu rechnen, dass er da ja Verhetzung betreiben würde. Da ist in letzter Zeit eine besonders schlimme Entwicklung in diese Richtung zu beobachten, dass man mit gesetzlichem Zwang die Meinungsvielfalt und -freiheit zu beschränken sucht.
FaireMedien: Wieso machen Journalisten da mit?
Andreas Unterberger: Naja, viele sind ja nicht sehr große Intellektuelle. Denen ist es halt wichtiger, dass sie am nächsten Morgen, bei der nächsten Pressekonferenz wieder im Kreis der Kollegen von den anderen Zeitungen akzeptiert sind und mitschwimmen können und nicht plötzlich die Sorge haben müssen, Außenseiter zu sein. Das ist ein kaum bewusstes, aber sehr wichtiges Faktum. Auch die Verleger bewegen sich alle nur in sehr engen Grenzen. Und dann sind sie alle in ihrer Unsicherheit oft auch noch massiv abhängig von der Politik. Ein besonderes Problem ist in Österreich der ORF, der ja durch die Zusammensetzung des Stiftungsrates komplett in SPÖ-Händen ist, obwohl die SPÖ ja eigentlich genau so schwach ist wie die SPD in Deutschland. Es herrscht ein totaler parteipolitischer Durchgriff im ORF, der viel schlimmer ist als in Deutschland. Da gibt es natürlich auch über ZDF und ARD genug zu jammern, aber es gibt ja in Deutschland noch die Landesrundfunkanstalten, so dass ein gewisser Ansatz von Pluralität stattfindet.
Um es an einem ganz konkreten Beispiel zu zeigen: In den Jahren, in denen eine Reihe von Missbrauchsfällen in katholischen Organisationen an die Öffentlichkeit gekommen ist, hat der ORF mindestens ein dutzendmal an verschiedenen Tagen die Spitzenmeldung in der Hauptnachrichtensendung des Fernsehen daraus gemacht. Als dann aber ein paar Monate später aufgedeckt wurde, dass in einem Kinderheim der Gemeinde Wien noch viel schlimmere Dinge passiert sind, war das einmal eine kurze Nachricht. Und dann hieß es sofort, die Gemeinde Wien wird das alles untersuchen und aufdecken. Da hat aber nie wirklich eine Aufdeckung stattgefunden. Und dann war es sofort unter dem Tisch. Da war wirklich jahrelang ein Zwangsbordell, in dem sich offenbar Leute ihre sexuellen Lüste an den dort zwangseingewiesenen Kindern befriedigt haben. Deren Zwangslage wurde auch kommerziell ausgewertet. Dieser Skandal in der Gemeinde Wien war weit schlimmer als das, was Übles in etlichen Klosterschulen passiert war.
Aber die Ungleichheit der Berichterstattung macht natürlich Stimmung. Man erweckt in der Bevölkerung den Eindruck, dass katholische Einrichtungen quasi ein besonders hohes Missbrauchsrisiko trügen, während der viel schlimmere Missbrauch der meist aus verwahrlosten Verhältnissen stammenden Kindern in diesen Gemeinde- und Landeseinrichtungen völlig negiert wird.
FaireMedien: Sie versuchen ja mit verschiedenen Blogs im Internet solchen Einseitigkeiten und solcher Stimmungsmache entgegenzuwirken. Wie funktioniert das und wie wirkt das?
Andreas Unterberger: In meinem eigenen Blog wirkt es sehr gut, glaube ich. Dort schreibe ich völlig unabhängig über jedes Thema, das mich interessiert. Die neuere Seite ORF-Watch hat noch nicht so hohe Zugriffszahlen wie mein eigener Blog, hat diese aber auch binnen eines Jahres verdoppelt. Es handelt sich hierbei um eine Kooperation von mehreren völlig unabhängigen Journalisten, die ähnlich denken. Ich merke, es wirkt ganz eindeutig. Der ORF verfolgt die Strategie, den ORF-Watch totzuschweigen. Ich merke aber, dass orf-watch.at gerade dort im ORF sehr intensiv gelesen wird. Denn wenn einmal irgend etwas gelobt wird – was ja auch vorkommt – dann sieht man eine Reihe von Retweets, also Weiterempfehlungen von ORF-Redakteuren auf Twitter.
Etwas deprimierend ist es, dass die Presseagentur APA, also das, was in Deutschland die dpa ist, sich immer mit geradezu windigen Ausreden davor gedrückt hat, irgend etwas über ORF-Watch zu publizieren, während sie über viel unbedeutendere Initiativen durchaus schreibt. Ich habe der APA ein paarmal Informationen dazu angeboten. Aber selbst eine einfache Tatsachenmeldung – das gibt es und diese und jene Leute machen das – selbst so eine einfache Meldung traut sich die APA nicht mehr. Denn die APA gehört zu rund 43 Prozent dem ORF. Und unangenehme Meldungen über den Haupteigentümer zu verbreiten, ist offenbar zu risikoreich.
FaireMedien: Geld spielt offenbar eine sehr große Rolle im Mediengeschäft.
Andreas Unterberger: Selbstverständlich. In Österreich gibt es noch ein spezielles Phänomen, das es in fast keinem anderen entwickelten westlichen Industrieland gibt. Das ist die Zeitungsbestechung durch Steuergelder. Ich meine damit nicht die staatliche Presseförderung, die ist erstens sehr klein und zweitens streng gesetzlich objektiv gemacht. Auch wenn viele davon reden, ist sie doch relativ unbedeutend, das sind ca. 10-15 Millionen Euro im Jahr. Demgegenüber stehen jedes Jahr 200 Millionen Euro, also das zwanzigfache an Geld, das mehr oder weniger freihändig von Parteipolitikern an Zeitungen vergeben wird – und zwar in Form von Inseratenkooperationen. Und das hat eindeutig nicht nur den Zweck, mit diesen Inseraten Werbung zu machen. Da die Zeitungen so schlecht wirtschaftlich dastehen, gibt es eine Reihe von Zeitungen, die ohne diese Gelder gar nicht überleben könnten und die daher in ihrer gesamten redaktionellen Linie und Haltung die Hand, die sie füttert, abschlecken. Ganz besonders massiv macht dies die rot-grüne Gemeinde Wien, die einen großen Teil dieser Gelder selbst oder durch ihre verschiedenen Holdingbetriebe, d.h. Energiebetriebe, Verkehrsbetriebe usw. fließen lässt.
Das Wiener Rathaus ist für die österreichische Sozialdemokratie eine wichtigere Festung als das Bundeskanzleramt. Von dort aus kann sie sehr viel steuern, Vereine subventionieren und eben auch die Medien bestechen. Ja, ich sag ganz offen: Bestechung. Das war damals zu meiner Zeit zwar noch viel harmloser, aber sowohl bei der „Presse“ als auch bei der Wiener Zeitung habe ich die Erfahrung gemacht, dass eines Tages der jeweilige Anzeigenleiter mir gesagt hat, er sei jetzt gerade beim Chef des Presse- und Informationsdienstes des Wiener Rathauses gewesen, also bei jener Stelle, die die Vergabe von Inseraten koordiniert. Dort sei ihm gesagt worden, solange der Unterberger bei euch Chefredakteur ist, bekommt ihr kein Inserat von uns. Da ist also ganz direkt der Druck ausgeübt worden. Ich wollte beide Male natürlich etwas über diese Erpressung schreiben, aber die Anzeigenleiter haben jeweils dringend gebeten, ich solle das auf keinen Fall machen, er sei sonst in der ganzen Branche erledigt, wenn er aus Vieraugengesprächen Inhalte weitergibt. Und er habe ja keine Zeugen. Inzwischen erscheinen übrigens in beiden Zeitungen solche Inserate in Massen.
Geld spielt also eine sehr große Rolle. Umgekehrt fehlt es einfach an jemandem, der ein bisschen Geld in die Hand nehmen würde, um zu versuchen, eine echte inhaltliche Konkurrenz zum Mainstream aufzubauen.
Hier findet man dieses Gespräch auf der Faire-Medien-Seite im Original.