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Der Massenmord des „Islamischen Staats“ in Paris hat erstaunliche Folgen: Plötzlich sind die Karten im französischen Führungsspiel total neu gemischt und die des Staatspräsidenten deutlich verbessert. Das erinnert an historische Persönlichkeiten von Kennedy bis Carter, von Bush bis de Gaulle.
Es galt lange schon als klar, dass Francois Hollande keinerlei Chancen auf eine Wiederwahl hat. Das Rennen um die Präsidentschaft schien mit Sicherheit eines zwischen den beiden Kandidaten der Rechtsparteien zu werden, also zwischen Nicolas Sarkozy und Marine Le Pen. Hollande war nur noch eine Witzfigur, über den Kabarettisten müde Späßchen machen, der nicht einmal seine Liebesaffären unter diskreter Kontrolle halten konnte. Und besonders lächerlich wirkte er immer – ähnlich wie Werner Faymann in Wien –, wenn er auf Staatsmann zu machen versuchte.
Über Nacht ist jetzt alles anders. Hollande hat zumindest in den ersten Tagen nach den Anschlägen alles richtig gemacht. Er hat sich als Vater des Vaterlandes präsentiert. Er ist ständig präsent. Er zeigt entschlossene Führung. Im Gegensatz zum Herumeiern vieler anderer europäischer Politiker, die mit ihren salbungsvollen, aber inhaltlosen Worten ihr Angstschlottern nicht verbergen können, hat er dem „Islamischen Staat“ sofort eine harte Antwort per Luftwaffe geschickt. Er hat den Notstand ausgerufen. Er will alle rückkehrenden Dschihadisten aus Syrien und Irak unter Hausarrest (mit Fußfessel) stellen. Er hat überall Grenzkontrollen eingeführt und dürfte an diesen wohl auch lange festhalten.
Hollande nützt die Gunst des Augenblicks vorerst erstaunlich eindrucksvoll – und für ihn jedenfalls rettend. Im Gegensatz zur Zeit nach den Charlie-Hebdo-Anschlag begnügt er sich nicht mehr mit Rhetorik und sinnlosen Aufmärschen, sondern handelt. Das wirkt. Das werden sicher in den nächsten Tagen erste Meinungsumfragen beweisen.
Das beweist: Je schlimmer eine Nation herausgefordert ist, umso eher ist sie bereit, sich um den Chef zu scharen. Zumindest solange dieser Leadership ausstrahlt. Und das tut der Mann plötzlich.
Er hat einen Vorteil: Die beiden einzigen gefährlichen Rivalen stehen rechts von ihm. Daher kann er seine politische Linie problemlos nach rechts verschieben, ohne durch pazifistische oder Appeasement-Töne von links unter Druck zu kommen. Und er schnürt so den politischen Spielraum von Sarkozy und Le Pen plötzlich spürbar ein.
Gewiss: Vier Tage sind noch viel zu wenig, um ein abschließendes Urteil zu fällen. Aber Hollande hat nun sogar die Chance, sich nicht nur in Frankreich, sondern auch in der EU als wichtigster Führer zu profilieren. Das war ja in den letzten Jahren einzig und allein Angela Merkel. Diese aber ist in die größte Krise ihrer Karriere gestürzt. Da zugleich weder in der heutigen EU-Kommission noch in den anderen EU-Ländern derzeit aus den verschiedensten Gründen jemand für die Chef-Rolle in Frage kommt, ist plötzlich das Tor für Hollande offen.
Dies umso mehr, als er zwar ein Sozialist ist, aber zum Unterschied von österreichischen, deutschen, italienischen und griechischen Sozialisten immer gegen die offenen Tore für die Massenimmigration gewesen ist. Die anderen Sozialisten Europas stehen ohnedies fast alle schon skeptisch gegen den Angela-Merkel-Kurs des „Willkommen Völkerwanderung“; und die Rechtspopulisten und Konservativen (mit Ausnahme derer in Österreich) sowieso.
Das heißt nun gewiss nicht, dass sich Hollande das Pariser Massaker gewünscht hätte. Aber er kann jedenfalls an große historische Beispiele anschließen, wenn er nun zielsicher agiert. Starke Führung in Zeiten der Gefahr von außen oder eines wirklichen Krieges hat schon mehrmals einem Staats- oder Regierungschef innenpolitisch geholfen. Man denke etwa an:
Hingegen sind Chefs, die außenpolitisch schwach agieren, sehr bald auch innenpolitisch unten durch. Amerikanisches Musterbeispiel ist Jimmy Carter, der in Iran und Afghanistan versagte, der auch körpersprachlich weinerliche Schwäche ausstrahlte und der deshalb nach einer Amtsperiode eine vernichtende Wahlniederlage gegen Ronald Reagan einfuhr, also den dann innen- wie außenpolitisch erfolgreichsten Präsidenten der USA. Und Briten wird in diesem Zusammenhang wohl immer der Vorkriegspremier Chamberlain mit seinem verderblichen Nachgeben gegenüber den Nazis einfallen.
Das heißt aber nicht, dass es innenpolitisch immer vorteilhaft ist, möglichst kriegerisch zu agieren. Ein Präsident muss vielmehr stets ein gutes Gefühl haben, wie ein Volk reagiert, und zwar auch längerfristig. Sind doch die Menschen in ihrer politischen Stimmung recht wankelmütig. Ein Präsident kann also in bestimmten Situationen auch durch den Mut zum Rückzug zum großen Helden werden. Das war etwa zweifellos der Franzose Charles de Gaulle, als er Frankreich gegen heftige Proteste nach einem langen blutigen Krieg aus Algerien zurückzog. Auch Hollande sollte aufpassen, dass nicht die derzeitige Anti-IS-Emotion der Franzosen einmal in Frust umschlägt, wenn sich kein Erfolg zeigt.
Aus österreichischer Perspektive kann man wohl nur minimale Hoffnung haben, dass sich Werner Faymann jetzt dem Vorbild seines Parteifreunds Hollande anschließt. Er wird vielmehr weiter am Kittel von Angela Merkel klammern, zumindest solange es die in Berlin noch gibt.
Auch bei Merkel wie Faymann ist so wie bei Hollande die Innenpolitik hilfreich, außenpolitisches Verhalten zu verstehen. Nur führt sie bei den beiden Bundeskanzlern in die absolut gegenteilige Richtung zu der des Franzosen. Merkel muss immer zittern, dass es zu einer Aktivierung der rot-rot-grünen Mehrheit im Bundesrat kommt. Daher wird sie – selbst wenn sie anders wollte, was derzeit eher zweifelhaft ist, – weiterhin einen linken Kurs fahren.
In Österreich gibt es keine linke Mehrheit im Parlament, aber zum Unterschied von Deutschland dennoch einen linken Bundeskanzler. Faymann muss in den nächsten zweieinhalb Jahren dennoch keine Abwahl im Parlament fürchten, da kann er sich wohl auf Stimmenbringer von der ÖVP verlassen. Für ihn ist nur die eigene Partei gefährlich. Da es in dieser seit langem keinen nennenswerten rechten Flügel gibt, weiß er, dass er (neben der Gewerkschaft) nur auf den linken Flügel achten muss. Daher stellt er diesen ruhig, indem er in allem und jedem sehr linke Töne von sich gibt – vor allem eben in der Asylfrage.