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Die nächste Mitterlehner-Salamischeibe am Altar der SPÖ

Die Koalition feiert sich so, als ob die jetzt vorgelegte Schulreform die erste seit Menschengedenken wäre. Dabei gab es ja schon sehr viele von der Politik (und ihren Jubelmedien) gefeierte Reformen. Dabei zeitigt auch diese das gleiche Ergebnis wie fast alle bisherigen Reformen, mit Ausnahme der Einführung der Zentralmatura: Wieder wird das Bildungssystem ein Stück weiter nivelliert, wieder wird es qualitativ verschlechtert, wieder wird die Mitbestimmung der Bürger noch weiter reduziert statt ausgebaut. Und in ein paar Jahren wird man sich wieder wundern, dass das System schlechter geworden ist.

Man erkennt ein in der Ära Mitterlehner offenbar genetisch gewordenes Verhaltensmodell der ÖVP: Zuerst fordert die SPÖ enorm viel; dann sagt die ÖVP: "Keinesfalls!"; und am Schluss bekommt die SPÖ von der Volkspartei jedes Mal einen Teil des Geforderten. Jedes Mal eine weitere Salamischeibe ohne Gegenleistung. Die ÖVP feiert sich dennoch, dass die SPÖ „nur“ einen Teil bekommen hat.

Sie ist gar nicht mehr imstande nachzudenken, ob es überhaupt gut für Österreich und die Menschen oder gar die ÖVP-Wähler ist, dass die SPÖ einen Teil des Verlangten bekommt. Diesmal bekommt die SPÖ eben ohne jede Notwendigkeit die Zerstörung von 15 Prozent der Gymnasien, was Sozialisten (damit natürlich auch immer die Grünen) seit hundert Jahren in ihrem Kampf gegen die bürgerliche Leistungsgesellschaft fordern.

Was Mitterlehner in seinem Kammer-geprägten Selbstverständnis offenbar nicht begreift: Schule, Steuern, Mietrecht und alle anderen Gesetzesmaterien sind etwas ganz anderes als Lohnverhandlungen. Bei diesen ist es üblich, dass die Gewerkschaft zuerst bewusst sehr viel fordert; worauf die Arbeitgeber (=Kammer) immer sagen: „Kommt überhaupt nicht in Frage“; worauf dann am Schluss halt die Gewerkschaft nur einen Teil des Geforderten bekommt. Das war in Zeiten von ÖGB-Präsidenten mit weisem Augenmaß (Olah, Benya, Verzetnitsch) zufälligerweise meist immer genau so viel, wie der Markt und die internationale Wettbewerbslage hergeben, ohne dass die Arbeitslosigkeit steigt. Und wie die Löhne wohl auch ohne Gewerkschaft gestiegen wären. Das ist in den letzten Jahren (seit Hundstorfer) hingegen eindeutig zuviel gewesen, wie die rapide steigende Arbeitslosigkeit zeigt.

Bei Lohnverhandlungen sehen die österreichischen Arbeitgeber keine Alternative, als am Ende nachzugeben, weil die Gewerkschaft (zumindest in etlichen Branchen) das starke Drohmittel von Streiks hat, die ja immer großen Schaden anrichten. Das will die Wirtschaftskammer nicht riskieren.

Mitterlehner begreift nicht, dass es bei Gesetzen und Reformen keineswegs eine solche Streikgefahr gibt, deretwegen man am Schluss immer nachgeben muss. Er begreift nicht, dass in der Politik nur das Ergebnis zählt. Das inhaltliche und dann das Wahlergebnis.

In der Politik zählt dabei auch immer die Glaubwürdigkeit. Wenn also eine Partei mit lauten und heiligen Eiden angetreten ist „Keine neuen Steuern, keine höheren Steuern, kein Bonus-Malus bei der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer, keine Zerstörung des Gymnasiums,“ und wenn dann genau das alles doch passiert: Dann ist die Glaubwürdigkeit dieser Partei total beim Teufel.

Dazu kommt: Wenn das Ergebnis der „Reformen“ sachlich immer eine Verschlechterung darstellt, wenn alle diese Salamischeiben-Reformen vor allem die noch verbliebenen ÖVP-Wähler treffen, dann ist diese Mitterlehner-Politik nur noch als Masochismus einzuordnen.

Das heißt nicht, dass im Bildungsbereich nichts zu verbessern wäre. Nur: Diese Reform verbessert gar nichts. Wenn etwa alle Daten zeigen, dass die letzte Bildungs-Reform, nämlich die Zerschlagung der Hauptschulen und ihre Ersetzung durch die „Neuen Mittelschulen“, eindeutig eine (teure!) Verschlechterung gebracht hat, dann müsste eine sinnvolle Reform eigentlich eine strahlende Renaissance der Hauptschulen bringen. Statt dessen wird die nivellierende und leistungssenkende Gesamtschule jetzt noch um weitere 15 Prozent ausgebaut. Man fasst es nicht.

Der Zorn der Eltern

Niemand weiß zwar noch genau, wie die nun beschlossenen 15 Prozent Gymnasiums-Zertrümmerung und Vermanschung mit „Neuen Mittelschulen“ und sogar Sonderschulen(!) genau umgesetzt werden wird. Aber jedenfalls ist das ein gewaltiger Wert. 15 Prozent sind bald so viel, wie die ÖVP noch Stimmanteile bei den nächsten Wahlen erwarten darf.

Es ist jedenfalls eines zu hoffen: dass künftig alle Kinder von Rotschwarzgrün gezwungen sein werden, acht Jahre in solche Zwangseinheitsschulen zu gehen.

Die ÖVP täte gut daran, ein halbes Dutzend Referenten mit der einzigen Aufgabe anzustellen, die zornerfüllten Eltern zu beschwichtigen, die für ihre Kinder künftig keine Plätze im Gymnasium mehr bekommen, oder die dann teure Privatschulen zahlen müssen. Die ÖVP verscherzt es sich dadurch jetzt auch mit den jungen Mittelstands-Müttern, die sich zwar nicht sonderlich um die hohe Politik kümmern, die aber sehr energisch werden können, wenn durch pure politische Blödheit die Bildungschancen ihrer Kinder verschlechtert werden.

Besonders in Wien wird das dramatisch werden, wo die SPÖ schon seit Jahren die Eröffnung zusätzlicher Gymnasien trotz des – auch demographisch – rasch wachsenden Andrangs auf diese Schulen verhindert. Aber das ist ja einem Mühlviertler wurscht. Wie brutal ideologisch die SPÖ das in Wien angehen wird, sieht man auch schon an der Tatsache, dass sie gerade jetzt einen Linksaußen-Parteiapparatschik ohne Schul-Expertise an die Spitze des Stadtschulrats hievt.

Besonders ärgerlich ist es, dass allem Anschein nach die politische Gegenleistung für die 15prozentige Niveausenkung in der Einrichtung der sogenannten Landes-„Bildungsdirektionen“ bestehen sollte. Das ist halt ein bisschen mehr bürokratische Macht für die Bundesländer. Diese bürokratischen Machtfragen sind aber den Eltern und Wählern schnurzegal. Sie beschäftigen außer der politischen und bürokratischen Klasse höchstens noch die Medien.

Für die Konstruktion dieser „Bildungsdirektionen“ hat die Koalition die schlechteste aller möglichen Lösungen gefunden: Es ist eine gemischte Kompetenz zwischen Ländern und Bund. Damit kann keine der beiden Seiten zufrieden sein. Es wird auch weiterhin nicht die Möglichkeit eines fruchtbaren Wettbewerbs zwischen den Bundesländern geben. Und der Bund wird auch weiterhin nicht eine zentralistische Kontrolle haben. Aber dafür müssen zahllose Türschilder, Amtskalender, Visitenkarten und Briefpapiere geändert werden.

Mikro-Autonomie

Das einzig Positive an der „Reform“ ist eine marginale Aufwertung der Rechte der einzelnen Schulen. Das wesentlichste davon: Direktoren können künftig unter drei von der Obrigkeit angebotenen Kandidaten für einen Lehrerposten auswählen. Das ist besser als nichts, war de facto aber meistens jetzt schon der Fall.

Das ist noch aus einem weiteren Grund recht irrelevant: In vielen Fällen wird es angesichts des knappen Lehrerangebots gar keine echte Auswahl geben. Die Schuldirektoren können sich aber weiterhin nicht auf dem freien Arbeitsmarkt umschauen, ob es da nicht etwa unter den Job-Wechslern zwischen 40 und 50 exzellente Lehrer mit Lebenserfahrung gibt, auch wenn diese nicht die formelle Lehramtsprüfung eines ahnungslosen 25-Jährigen haben. Die Direktoren haben auch keine zusätzlichen Rechte bekommen, sich von unfähigen Lehrern zu verabschieden.

Es ist damit jetzt schon sehr wahrscheinlich: Die nächste „Bildungsreform“ wird bald kommen. Sie wird dann halt 50 Prozent der Gymnasien zerstören, wenn Rot-Schwarz-Grün noch eine Mehrheit haben sollten. Dann wird halt auch das noch halbwegs funktionierende Kindergartenwesen durch eine überflüssige Akademisierung zerstört werden (Dabei gibt es nicht das geringste Anzeichen, dass die schon länger zurückliegende Akademisierung der Pflichtschullehrer irgendeine Verbesserung gebracht hätte).

Das Ende der Mitbestimmung

Zwei noch nicht erwähnte Aspekte an dieser jetzigen „Reform“ sind aber am schlimmsten – weil sie dabei gar nicht vorgekommen sind:

  1. Die schwere Krise der Universitäten wird weiterhin ignoriert. Weder erhalten sie die Möglichkeit, sich generell (über die paar bestehenden Ausnahmen hinaus) ihre Studenten quantitativ und qualitativ aussuchen zu können. Noch wird sonst irgendwie diskutiert, warum die heimischen Unis außer bei den Gender-Professuren in jedem internationalen Vergleich ständig noch weiter zurückfallen. Und es wird auch nicht diskutiert, wieso etwa die Uni Wien Französisch-Lehrer produziert, die nicht französisch können.
  2. Bei der Reform haben nur Parteipolitiker von SPÖ und ÖVP mitgewirkt, und man hat nicht statt dessen Lehrern, Eltern und Pädagogikwissenschaftlern eine entscheidende Rolle gegeben. Noch schlimmer: Selbst die bisherige marginale Mitwirkungsmöglichkeit von Eltern und Lehrern in den Landesschulräten wird abgeschafft. Und am allerschlimmsten: Auch das bisherige Zustimmungsrecht der Eltern bei der Umwandlung einer Schule in eine Zwangseinheitsschule fällt weg.

Es geht nur um Macht, nicht um eine echte Verbesserung für unsere Kinder.

PS: Ich gebe zu, dass ich noch vor ein paar Tagen in einem Kommentar viel positiver über die Reform geschrieben habe. Aber damals war nur das einzig Positive durchgesickert, nämlich die leichte Erhöhung der Schulautonomie. Sorry.

 

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