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Wenn es nicht so beklemmend und dramatisch wäre, könnte man darüber fast lachen: Es haben 24 Stunden genügt, um aus flammenden sozialdemokratischen Gutmenschen in der Realität angekommene Schlechtmenschen zu machen. Es hat nur wenige Wochen gedauert, bis unter ewige Freundschaft schwörenden europäischen Nachbarn wieder Feindschaften in einer seit Jahrzehnten unbekannten Intensität ausgebrochen sind. Und einige Monate hat es gedauert, bis es zu einer – aber dafür inhaltlich erfreulich vernünftigen – Kehrtwende von Reinhold Mitterlehner in der Asylfrage gekommen ist.
Die Einkehr der Vernunft bei den beiden sozialdemokratischen Regierungen in Zagreb und Laibach ist so schnell erfolgt, dass die Kirche das eigentlich sofort als Wunder registrieren müsste. Wie haben sich die beiden Staaten doch bisher moralistisch über Ungarn wegen seiner Grenzschließung alteriert! Und wie sehr haben sie sich doch selbst als praktizierende Gutmenschen positioniert, die den Migranten gleichsam jeden Wunsch von den Augen ablesen würden.
Doch ein Tag der echten Konfrontation mit den Migrantenmassen hat gereicht, dass nun die beiden Staaten blitzschnell selber Ähnliches wie Ungarn versuchen. Reihenweise werden Grenzübergänge blockiert. Reihenweise werden unter den Balkanländern giftige Worte gewechselt. Und reihenweise werden von Kroatien Migranten – nach Ungarn weitergeschoben. Ungarn hat daraufhin blitzschnell auch einen Zaun Richtung Kroatien zu bauen begonnen – und schiebt bis dahin die Migranten wieder Richtung Österreich ab. Andere Migranten wieder werden von Kroatien zum Absender Serbien zurückgeschickt. Das aber will sie nicht zurücknehmen.
Serbien ist zum Unterschied von den anderen genannten Staaten noch kein EU-Mitglied. Daher will es sich besonders durch Wohlverhalten auszeichnen. Es hat nur ein großes Problem: Niemand weiß so genau, was für die EU-Länder im Asylanten-Tsunami eigentlich noch das „Wohlverhalten“ eines Balkan-Landes ist. Denn die Heuchelei und Schizophrenie gehen in der ganzen EU tief. Zwar beschimpfen viele EU-Politiker Ungarn, bis auf die aus der CSU. Aber insgeheim sind fast alle (vor allem in Deutschland und Österreich) froh, dass Ungarn ihnen jetzt mit seiner Grenzabriegelung zumindest vorübergehend ein bisschen Luft verschafft hat.
Da ist es für Serbien, aber auch andere Staaten Restjugoslawiens verteufelt schwer: Sollen sie sich jetzt an der flüchtlingsfreundlichen Buonismo-Rhetorik des germanischen Blogs orientieren, oder an dessen klar erkennbarem, aber offiziell nie ausgedrücktem Willen, der durchaus einen Stopp des Migrationsstromes will?
Diese Staaten können einem da eigentlich leid tun. Denn sie sind schuldlose Opfer einer von anderen Staaten verursachten Megakrise. Hauptschuldig sind ja vielmehr Deutschland (das nach außen bis heute allen Zuwanderungswilligen de facto signalisiert „Wir nehmen jeden“), Griechenland (das juristisch eigentlich als erstes Land zur Abwehr illegaler Migranten verpflichtet wäre, aber statt dessen die Menschen mit Staatsfähren und Sonderzügen rasch Richtung Norden weiterschiebt) und die Türkei (die absolut nichts gegen die Verbrecherbanden unternimmt, welche von türkischem Territorium aus Tausende Schlepperfahrten organisieren).
Zu den Mitschuldigen zählt natürlich auch Österreich, das einfach Hunderttausende Menschen ohne jede Ausweiskontrolle durch sein Gebiet durchreisen lässt. Und heuchlerisch so tut, als ob die ja schon irgendwo anders kontrolliert worden wären. Das hat jetzt erstmals auch zu offener Kritik aus Bayern geführt: Der bayrische Innenminister Herrmann wirft dem südlichen Nachbarn nicht zu Unrecht vor, damit europäisches Recht zu missachten.
Damit attackiert aber nun wohl schon jedes Land in diesem Raum alle anderen. Die peinlichen Ausfälle des europäischen Clowns Werner Faymann aus dem Glashaus auf Nachbarn passen da perfekt in diese Reihe. Es gibt fast keine europäischen Nachbarn mehr, die noch reibungslos miteinander kooperieren würden.
Eigentlich macht es fassungslos, wie rasch das europäische Kartenhaus aus vielen papierenen Verträgen zusammenbricht. Es ist auch mehr als bezeichnend, wenn eine österreichische Diplomatin (und Ex-Außenministerin) jetzt in einer TV-Diskussion einfach – in abwiegelnder Absicht! – sagt, dass es nur noch darum gehe, in Europa „den Rechtsstaat wieder herzustellen“. Womit sie ja zugibt, dass der Rechtsstaat kollabiert ist. Der ja in Wahrheit das wichtigste Fundament von Staaten und Unionen ist.
Auch der Bayer Herrmann gibt dasselbe nun offen zu: Die Grenzkontrollen werden so lange aufrecht bleiben, „bis in der EU wieder rechtmäßige Zustände hergestellt sind“. Das kann lange sein. Oder vielleicht ewig?
Sogar der deutschen Wirtschaft – die sich eine Zeitlang über den Zuzug billiger Arbeitskräfte gefreut hatte – wird zusehends mulmig. Arbeitgeberpräsident Kramer gibt nun zu, dass die von seinem eigenen Land ausgelöste Krise „nur zusammen mit den europäischen Partnern zu lösen“ sei. In Deutschland sei nicht die Wirtschaft, sondern zuerst „der Staat“ mit folgender Agenda gefordert: „Erst Deutsch, dann Beschulung, dann Ausbildung“. Vor Tische las man das noch ganz anders . . .
Fassungslos macht auch der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der jetzt ständig verlangt, dass Europa noch mehr der „Flüchtlinge“ aufnehmen soll. Herr Ban kommt aber aus dem reichen Südkorea, das (bis auf Nordkoreaner) keinen einzigen Flüchtling aufgenommen hat! Heuchelei ist noch ein harmloser Ausdruck für ein solches Verhalten.
Die absolute Dummheit zum Tag stammt aber aus dem Mund eines Mannes, der bisher noch nicht zu dem Thema zu hören war: Es ist der österreichische Justizminister Brandstetter. Er sagte allen Ernstes: „Gewalt gegen unbewaffnete Flüchtlinge an innereuropäischen Grenzen“ sei „inakzeptabel“. Er bezog sich dabei auf den Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas durch Ungarn, nachdem Tausende Immigranten von Serbien aus mit Gewalt den ungarischen Grenzzaun niedergerissen, Steine auf die Polizisten geworfen, etliche von ihnen verletzt und sich illegal nach Ungarn hineingedrängt hatten.
Da darf sich Ungarn in der Vorstellungswelt Brandstetters nicht wehren? Oder glaubt er, dass da gutes Zureden geholfen hätte? Muss man sich seiner Meinung jeden Rechtsbruch, jede Gewaltanwendung gefallen lassen, solange dabei keine Waffen verwendet werden? Mit welcher Legitimität übt dann bitte die österreichische Justiz ihrerseits Gewalt gegen Rechtsbrecher aus, die ja zu 99 Prozent unbewaffnet sind? Oder sind für ihn Verhaftungen, Gefängnisstrafen, (Geld-)Exekutionen nicht eine Form der Gewaltanwendung? Weiß der Mann nicht, dass Ungarns Regierung sogar die europäische wie auch nationale Rechtspflicht hat, die Außengrenzen des Schengen-Europas zu schützen? Mit welchen Mitteln soll in der Vorstellungswelt Brandstetters diese Aufgabe denn sonst erfüllt werden? Oder darf das alles nur Ungarn nicht, Österreich schon?
Unbegreiflich. So ein Mann ist JUSTIZminister. Wenn er solche Aussagen ernst meint, müsste logischerweise fast die ganze Justiz als überflüssig zugesperrt werden. Oder ist das nur billige Hetze, weil es am heimischen Boulevard gut ankommt?
Doch gerade in diesen Stunden gibt es Trost von unerwarteter Seite: Ausgerechnet Reinhold Mitterlehner, der sich bisher meist nur mit Phrasen oder Schweigen über die Asylanten-Krise hinwegzuturnen versucht hat, sagte jetzt plötzlich richtige und kluge Sätze. In einem Interview mit den „Salzburger Nachrichten“ plädiert er wörtlich für eine „Festung Europa“ als einzige Lösung. Man glaubt seinen Augen nicht zu trauen, dass sich Mitterlehner plötzlich zu diesem Begriff bekennt, der ja bisher für die politischkorrekte Klasse immer als der leibhaftige Gottseibeiuns gegolten hat.
Und Mitterlehner erkennt jetzt auch richtig, dass dazu nicht nur gehört, die EU-Außengrenzen zu kontrollieren, dass dafür nicht nur an diesen Außengrenzen „Hotspots“ errichtet werden müssen, in denen die Asylverfahren abzuwickeln sind. Diese Punkte hört man ja schon seit Wochen in vielen europäischen Politikeräußerungen. Mitterlehner fügt aber erstmals auch den entscheidenden zusätzlichen Punkt hinzu: Dorthin müsse auch jeder Asylwerber, der illegal nach Europa eingereist ist, hingebracht werden.
Bravo, Herr Mitterlehner. Nur so kann in der Tat noch eine Rettung Europas glücken. Das ist freilich genau das australische Modell, das in diesem Tagebuch – wenn auch ohne Verwendung des seltsamen Ausdrucks „Hotspot“ – schon seit einem Jahr immer wieder als einzige Lösungschance skizziert worden ist (übrigens auch schon lange, bevor die FPÖ sich dazu bekannt hat).
Aber hier soll es gar nicht um eine Hab's-immer-schon-gesagt-Besserwisserei gehen, sondern um Freude über einen Schritt zur Vernunft. Jetzt lauert freilich noch viel Überzeugungsarbeit auf Mitterlehner. Nicht nur bei seinem noch ganz im realitätsfernen Gutmenschtum verhafteten Koalitionspartner, sondern eben etwa auch bei Brandstetter. Denn es ist klar, dass die illegalen und immer wieder sehr aggressiv aufgetretenen Immigranten nicht nur durch freundliche Worte in diese Hotspots gebracht werden können.
Wenn einmal diese zentrale Erkenntnis von der Unumgänglichkeit einer Rückführung um sich gegriffen hat, dann sind freilich noch ein paar andere kaum weniger schwere Fragen zu lösen: Müssen nicht auch die vielen Hunderttausenden, die bisher via Ägäis oder Mittelmeer nach Europa gekommen sind, in diese Hotspots gebracht werden? Nach welcher Rechtspraxis wird dort dann über die einzelnen Fälle entschieden – nach deutscher mit mehr als 90 Prozent Asylgenehmigungen, oder nach ungarischer mit weniger als 10 Prozent? Und wo werden diese „Hotspots“ errichtet?
Auf die letzte Frage scheint ein auf den ersten Blick skurril wirkender Vorschlag eines ägyptischen Milliardärs eine gar nicht so blöde Antwort zu sein: Er hat ein 200-Millionen-Offert für zwei griechische Privatinseln gelegt, auf denen er Flüchtlings-Zentren errichten will. Europa und Griechenland sollten darüber nicht lachen, sondern sofort ernst verhandeln.
Und nicht über Quotenidiotien oder Gewaltfreiheit phantasieren.