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Es ist ein überaus seltsames Projekt, das da künftig in die Hofburg einziehen soll: ein „Haus der Geschichte“. Es droht gleich aus mehreren Gründen zum Unheil zu werden.
Zum einen wird zugunsten dieses Projekts der Raum zweier Museen mit Weltgeltung lebensbedrohlich zusammengestutzt. Zum zweiten löst alles, was über die inhaltliche Konzeption bisher bekannt geworden ist, großes Befremden hervor. Das „Haus der Geschichte“ droht zu einer seltsamen Mischung eines Hitler-Exorzismushauses und eines Hauses der Sozialdemokratie zu werden.
Die Sorge, dass da ein Hitler-Exorzismus- und damit automatisch Gedenkhaus entsteht, wurde durch alle bisherigen Stellungnahmen ausgelöst. Denn die Initiatoren haben dabei ständig den von ihnen so bezeichneten „Hitler-Balkon“ ins Zentrum gerückt. Das klingt so, als ob der Balkon im Heldenplatz-Rundbogen geradezu für den Hitler-Auftritt im März 1938 gebaut worden wäre. Und gleichzeitig klingt das so, als ob dieser Auftritt das wichtigste Ereignis in der ja tief ins Mittelalter zurückgehenden Geschichte der Hofburg gewesen wäre.
Die Initiatoren wollen nun offenbar eine Art Exorzismus rund um diesen Balkon organisieren. Damit aber passiert genau dasselbe, was katholische Teufelsaustreibungen immer bewirkt haben: Der „Teufel“ wird dabei letztlich nicht aus-getrieben, sondern ganz im Gegenteil auch vielen Menschen ins Bewusstsein eingeprägt, die auf ihn sonst meist vergessen hätten. Begreifen das die an dem Projekt hauptschuldigen Herren Ostermayer und Rathkolb nicht?
Oder wollen sie diesen Effekt vielleicht sogar? Ist das bewusst zum Zweck der ideologischen Instrumentalisierung beabsichtigt?
Die Instrumentalisierung und Dämonisierung des Hitler-Balkons ist umso absurder und überflüssiger, als inzwischen fast alle Zeitzeugen jener Jahre schon von uns gegangen sind. Das erinnert an die Serben, welche die mehr als 600 Jahre zurückliegende Schlacht am Amselfeld (Kosovo) noch immer als nationalen Fetisch hochstilisieren.
Diese Instrumentalisierung des Balkons macht nur in einer Hinsicht Sinn: Wenn man das Haus der Geschichte in Wahrheit insgeheim als Haus der Sozialdemokratie konzipieren will. Auf diese Weise kann sich die SPÖ zumindest ex post als Speerspitze des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus profilieren. Obwohl die Sozialdemokraten im Gegensatz zu Kommunisten (diese freilich nur vor und nach dem Ribbentrop-Molotow-Pakt), Monarchisten, Christen in jenen Jahren recht wenig Widerstandsaktivitäten gezeigt haben. Dabei ist fast nur der Gewerkschaftsflügel rund um Franz Olah eine positive Ausnahme gewesen. Das ist für die SPÖ umso peinlicher, als sie dann in den 60er Jahren selber Olah im Zuge eines parteiinternen Machtkampfs ins Gefängnis werfen ließ.
Vom üblen Umgang der SPÖ mit Olah wird aber wohl in dem neuen Ostermayer-Museum sehr wenig die Rede sein. Ebensowenig wie vom lauten Anschluss-Jubel des zweifachen SPÖ-Staatskanzlers Renner. Oder von der „Diktatur des Proletariats“, die das SPÖ-Programm in der Zwischenkriegszeit zur Panik vieler Österreicher verlangt hatte – immerhin knapp nach der Millionen Opfer fordernden Oktoberrevolution in Russland, die unter dem gleichen Slogan gelaufen ist.
Die Vermutung, dass im Grund ein Haus der Sozialdemokratie geplant wird, wird aber nicht nur durch den Balkon-Exorzismus bestätigt. In dieselbe Richtung sprechen die Jahreszahlen, ab denen sich das Museum überhaupt erst mit Österreichs Geschichte beschäftigen will, die ja über tausend Jahre alt ist (und die eigentlich auch in der Hallstatt- und in der Römischen Zeit zu reflektieren wäre). Beginnen soll das Museum jedoch nach Ostermayers Willen erst mit 1848 und mit voller Intensität nur ab 1918.
Das sind „zufällig“ genau die Jahre, ab denen die Sozialdemokratie überhaupt zu existieren begonnen hat. Erst ab diesen Jahren soll es für das Museum also Österreich gegeben haben. Das deutet ganz stark darauf hin, dass sich die Sozialdemokratie damit noch rasch selbst ein Denkmal setzen will, während sie ja schon in der Abenddämmerung ihrer eigenen Lebensspanne angekommen ist.
Diese hatte genau um 1848 mit ersten Kondensationskernen begonnen, also im Schatten der bürgerlich liberal-nationalen Revolutionen. Und ab 1918 kommt die Sozialdemokratie dann vielerorts an die Macht – etwa in der Stadt Wien (mit Ausnahme der Periode 1933 bis 1945) sogar kontinuierlich bis heute.
Auch sonst lassen die Initiatoren keine Zweifel, was sie bezwecken. Man braucht nur die jetzt im angeblichen Konsens präsentierten Schlagworte auf ihre wahre Bedeutung hin zu durchleuchten. Sie zeigen alle – soweit sie über aussagelose Leerformeln hinausgehen – die klare Intention, ein sozialistisches Ideologiemuseum zu errichten:
Für dieses Ideologieprojekt soll nun nicht nur – nirgendwo vorhandenes – Steuergeld ausgegeben werden. Es sollen auch trotz ihrer verzweifelten Proteste etliche Museen von Weltrang dramatisch kastriert werden, die derzeit noch in den Hofburg-Räumlichkeiten untergebracht sind: vor allem das Weltmuseum (bis vor kurzem hieß es Völkerkundemuseum) und die Sammlung alter Musikinstrumente (in der Welthauptstadt der Musik!).
Das alles hat der langjährige Chef des Kunsthistorischen Museums, Wilfried Seipel, verächtlich als „Reinquetschen in einen Altbestand“ bezeichnet. Für ein Haus der Geschichte gebe es gar „nichts Ungeeigneteres“ als die Hofburg.
Wieso aber hat die Volkspartei dem offensichtlich zugestimmt? Wohl vor allem deshalb, weil die derzeitige ÖVP-Führung geistig so ausgelaugt und bar jedes Geschichtsbewusstseins ist, dass sie der geballten linken Mehrheit in den Vorbereitungsgremien nichts entgegenzusetzen hatte. Ausgerechnet der Wirtschaftsspezialist Harald Mahrer war da rätselhafterweise als Unterhändler eingesetzt gewesen.
Dieser hat die – wohl bei jedem Brainstorming zu welchem Thema immer irgendwann fallende – Phrase eingebracht, man müsse mehr auf die „Zukunft“ schauen. Er schlug daher ein „Haus der Zukunft“ vor, wofür er allen Ernstes einen modernen neuen Holzbau an der Ringstraße verlangte, „einen Holzbau als Zeichen der Leistungsfähigkeit der heimischen Holzwirtschaft“ (ich hoffe für Mahrer, dass wenigstens diese ihm für solche PR-Sprüche weiterhin dankbar ist)!
Dieser Mahrer-Vorstoß wurde jedenfalls von der taktisch klugen SPÖ sofort aufgegriffen. Sie handelte sich damit selber grünes Licht für ihr Haus der Sozialdemokratie ein. Die SPÖ tat dies freilich mit dem eleganten Schmäh „Ja super, aber später, in einer zweiten Phase“. Damit ist der Holzbau an der Ringstraße wohl dauerhaft auf der langen Bank.
Was immerhin ein Glück im Unglück ist, während das Haus der Sozialdemokratie offenbar nicht mehr zu verhindern ist.
Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.