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Landesverrat, E-Zigaretten und die Schlepper

In Deutschland tobt derzeit eine merkwürdige Hysterie, weil gegen einige Journalisten Anzeige wegen Landesverrats eingebracht worden ist. Ich bin wohl der Einzige, der sagt: keine Ahnung, ob das stimmt. Ich komme statt dessen ob dieser deutschen Aufregung stark ins Sinnieren über den Zustand der Justiz und der Rechtsstaatlichkeit in der westlichen Welt (mit nachträglicher Ergänzung).

Im ganzen deutschen Sprachraum tönt es derzeit nämlich absolut einhellig empört: Diese Anzeige und die in der Vorwoche aufgenommenen Ermittlungen wegen Landesverrats seien ein Skandal. Offenbar wissen alle anderen mehr als ich zum Sachverhalt.

Ich stelle mir hingegen ganz andere Fragen:

  1. Sollte dieser Empörung die Sorge um die Meinungsfreiheit zugrunde liegen, dann hätte sie zwar meine volle Sympathie. Dann ist es aber absolut unerklärlich, warum all diese Empörten geschwiegen haben, als nach einem Beschluss der EU-Justizminister die Meinungsfreiheit durch Gesetze wider die angebliche „Verhetzung“ in einem seit der Nachkriegszeit nie dagewesenen Umfang eingeschränkt worden ist? Potentieller Landesverrat ist für die Aufgeregten kein Delikt? Eine bloße Meinungsäußerung, die „geeignet“ ist, bei anderen Hass gegen bestimmte politisch-korrekt privilegierte Bevölkerungsgruppen hervorzurufen, ist schon eines? Wo bleibt da die Logik? Was sind da die Maßstäbe?
  2. Warum regt sich niemand darüber auf, dass die halbe deutsche Regierung – der linkssozialistische Justizminister sogar vor Fernsehkameras – massiv in ein Strafverfahren eingreift und öffentlich „Zweifel“ äußert, ob es hier wirklich um Landesverrat und den Verrat von Staatsgeheimnissen gehe? Wo bleibt da die Gewaltentrennung? Wo die Unabhängigkeit der Gerichte? Ist das nicht eine total rechtsstaatswidrige Verhaltensweise? Werden Prozesse im 21. Jahrhundert wieder wie einst im alten Rom durch den nach oben oder unten zeigenden Daumen der Machthaber entschieden?
    (nachträgliche Ergänzung: Der deutsche Justizminister hat, wie sich jetzt herausstellt, sogar direkt in die Ermittlungen eingegriffen und diese gestoppt - ein skandalöses Verhalten, das in Österreich seit den Sabotageaktionen von SPÖ und FPÖ in den 80er Jahren gegen die Ermittlungen nach den Lucona-Morden nicht mehr vorgekommen ist. Erfreulicherweise hat der deutsche Generalbundesanwalt den bundeswerten Mut, öffentlichlich gegen diesen rechtsstaatsswidrigen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz zu protestieren. Noch skandalöser ist die totalitäre Intoleranz, mit der der vom linkesten SPD-Flügel kommende Justizminister Maas dann wenige Stunden später den Generalbundesanwalt zur  Rache feuert. Als eiskalte Demonstration, wie Linke die Unabhängigkeit der Justiz sehen).
  3. Sollten die Empörten aber das Delikt des Landesverrats überhaupt für nicht mehr strafbar ansehen – was man durchaus argumentieren kann –, warum sagt das dann keiner von ihnen? Warum will man nur in diesem Fall unbedingt einen Prozess verhindern, in anderen hingegen nicht?
  4. Und der allerböseste Gedanke kommt mir bei dem in manchen Kommentaren verwendeten Argument: Ja, selbst wenn das Landesverrat war, was die verdächtigten Internet-Blogger begangen haben, dürfe dagegen nicht vorgegangen werden, weil es doch Journalisten seien. Ja, um Himmels willen, stehen die über dem Gesetz? Dürfen Journalisten alles, und gelten Gesetze nur für das gemeine Volk?

Medienpopulistische Justiz

Aber auch eine Reihe von anderen spektakulären Strafverfahren der jüngsten Zeit lässt die Gewissheit wachsen, dass Justitia nicht mehr blind ist, also nicht mehr objektiv zu sein trachtet, sondern sich ganz nach den Rufen von den medialen Rängen richtet. Also total populistisch ist. Oder in anderen Fällen für Privatkriege in der Beamtenschaft missbraucht wird.

  • Da wird in Großbritannien ein ehemaliger Bankmitarbeiter zu zwölf(!) Jahren Haft verdonnert, weil er bei der Manipulation von Börsenkursen mitgewirkt hat. Eine absurd strenge Strafe, die es bisweilen nicht einmal bei Mord gibt, die nur mit der europaweiten Hatz auf die Bankenwelt zu erklären ist (mit der die Politik von ihren in Wahrheit viel größeren eigenen Fehlern abzulenken versucht).
  • Da werden in einem der ersten Schlepperprozesse in Österreich zwei Schlepper verurteilt: Sie bekommen – abgesehen von einer bedingten Verurteilung, die aber ungarischen Staatsbürgern ziemlich egal sein kann, – ein Monat beziehungsweise sechs Monate unbedingt. Eine absurd milde Strafe, die keinen einzigen Schlepper abschrecken wird. Im Gegenteil: Jetzt wissen alle übrigen, dass sie in Österreich nichts Gravierendes bedroht, wenn sie bei ihrer einträglichen Tätigkeit doch einmal erwischt werden sollten. Aber offenbar gilt: Schlepper sind ja eigentlich Gutmenschen, die den armen „Flüchtlingen“ helfen.
  • Da wird in Wiener Neustadt allen Ernstes ein hochnotpeinlicher Prozess geführt, weil eine Justizbeamtin Lehrlinge Interviews mit Strafgefangenen abtippen hat lassen, die sie dann für eine Facharbeit in ihrem – vom Staat durch einen Kostenzuschuss gefördertes – Studium verwendet hat. Ein völlig überflüssiger Prozess, der wohl nur durch justizinterne Intrigen zustandegekommen ist, der aber jedenfalls – bei ehrlicher Kostenrechnung – viele Zehntausende Steuer-Euro verschwendet hat. Zu untersuchen wäre höchstens, wieso eine Staatsbeamtin Zuschuss für ein Studium bekommt; das ist ja ein Normalsterblichen nicht zugängliches Privileg.
  • Da hat es in den USA mehrere Fälle von Waffeneinsatz durch Polizisten gegeben, wobei in etlichen Fällen Schwarze die Opfer waren. Und in absolut jedem Fall haben amerikanische wie europäische Medien jeweils in der ersten Minute gewusst: Die Getöteten waren unschuldig, waren Opfer des Rassismus, der Waffengebrauch war weder provoziert noch sonstwie gerechtfertigt. Etwas anderes ist für die Medienwelt gar nicht vorstellbar.

Lob für den VfGH

Aber um doch mit etwas Positivem zu schließen. Anlass dafür ist ausgerechnet der zuletzt hier oft gescholtene Verfassungsgerichtshof: Er hat das unsinnige Privileg aufgehoben, dass die E-Zigaretten (die viel weniger schädlich sind als echte) nur in Trafiken verkauft werden dürfen.

Dieses Gesetz war eine der vielen Fehlleistungen der Koalition, die sich nur noch als Vollstreckungsorgan der „Sozialpartner“ versteht. In diesem Fall hatte sich die in der Wirtschaftskammer sehr mächtige Trafikantenlobby durchgesetzt, die sich per Gesetz ein möglicherweise zukunftsträchtiges Geschäft als Monopol holen wollte.

Immerhin hat damit der VfGH – nach dem ebenfalls klaren und rechtsstaatlich positiven Urteil zu den nachrangigen Hypo/Heta-Anleihen, welche die Regierung einfach für wertlos erklären wollte – zum zweitenmal gezeigt, dass er bisweilen doch der Regierung die Zähne zu zeigen imstande ist. Sollte ausgerechnet der VfGH zum Lichtblick im gegenwärtigen Dunkel der Justiz werden?

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