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Die wahre Tragödie Stronach

Der scheibchenweise Untergang des Teams Stronach bedeutet viel mehr als bloß den Wechsel einiger Abgeordneter in eine andere Fraktion.

Die Vier, die vom Team Stronach zur ÖVP gewechselt sind, waren sicher die interessantesten Persönlichkeiten in der Fraktion des kanadisch-österreichischen Milliardärs. Sie stellen den Nukleus eines liberalkonservativen österreichischen Bürgertums dar, das zwar der Welt viele große Ökonomen und Denker beschert, aber in Österreichs Politik seit dem 19. Jahrhundert fast keine Rolle gespielt hat.

Lediglich die Namen Kamitz, Schüssel und Molterer haben diesem ordoliberalen Lager in der Nachkriegszeit noch zu Relevanz verholfen. Mit nachweislichem wirtschafts- und staatspolitischem Erfolg, aber ohne anhaltende Nachwirkungen in ihrer eigenen Partei, also der ÖVP. Seit in der Pröll-Ära der Schüssel-Kurs für „abgewählt“ erklärt worden ist, dominiert in der Volkspartei nur noch die Interessenpolitik der unterschiedlichen Berufsgruppen und ein dumpfer Sozialdemokratismus, der in ständigem Nachjapsen nach grünroten Ideologismen glaubt, „modern“ zu sein.

Es ist jedoch sehr zweifelhaft, dass die vier Überläufer da jetzt in der Volkspartei einen tragfähigen liberalen Kern bilden können. Dazu müssten sie den Mumm haben, bisweilen Nein zu sagen zu fragwürdigen Kompromissen, bei denen sich wieder einmal die SPÖ oder die Bundesländer durchgesetzt haben. Diesen Mumm werden die Vier aber wohl nicht haben, weil sie ja spüren, dass sie in der ÖVP-Fraktion nur von vielen scheel angesehene Außenseiter und Newcomer sind.

In der heutigen ÖVP werden ja Lobbywünsche diverser Branchen und Kammern mit Liberalismus verwechselt. Dieses Denken erlebte erst in den letzten Tagen einen weiteren Höhepunkt mit der unglaublichen Forderung, die Steuerlast auf den Unternehmen ausgerechnet dadurch zu mildern, dass man den Familien eine Milliarde Euro wegnimmt. Alljährlich. Solche Pläne stellen ein nahtloses Anknüpfen an das Desaster des Steuerpakets dar. Die Werte-Orientierung der ÖVP ist durch eine artifizielle EU-Ideologie ersetzt worden, so als ob die EU ein Wert an sich wäre. So als ob es (bei allem Lob für den Binnenmarkt) von den Österreichern gewollt wäre, durch immer mehr europäische Regulierungen und Vorschriften statt durch österreichische bedrängt zu werden.

Vom liberalkonservativen Denken ist in der heutigen ÖVP fast nichts mehr zu finden; lediglich Generalsekretär Blümel und Außenminister Kurz scheinen sich noch daran zu erinnern – aber ohne jede Unterstützung durch Parteiobmann, Regierungsteam oder Landesfürsten. Alle konservativen Haltungen (Zuwanderungsskepsis, leistungsorientierte Schule, Familienorientierung, Patriotismus, Ablehnung des Genderismus und Quotendenkens, Ablehnung von Bevorrechtung für Schwule und Asylanten) hat man der FPÖ überlassen, die überdies auch einige klassisch liberale Werte wie die Meinungsfreiheit zunehmend glaubwürdig vertritt.

Freilich lässt auch die FPÖ durch ihren militanten und immer prorussischer werdenden Antiamerikanismus und durch das Fehlen jedes ordoliberalen Denkens wichtige Positionen des Bürgertums unbeackert (zu dem europaweit heute ja auch die Mehrheit der qualifizierten Arbeiterschaft gehört).

Stronach als vermeintlicher Messias

In dieser Situation schien vielen Frank Stronach der ideale Lückenfüller zu sein. Sein schwer amerikanisiertes Deutsch und seine vor allem im Ausland verbrachte Vita nützten ihm mehr, als dass sie schadeten. Auch seine scharfen Attacken auf ORF, Medien oder Kammern brachten ihm anfangs viel Jubel ein. Viele hielten ihn für einen Messias.

Doch dann kam – schon im Wahlkampf – die herbe Enttäuschung. Stronach hatte von vielen zentralen politischen Fragen, über die er sprach, erstaunlich wenig Ahnung. Er fiel auf viel zu viele Glücksritter ohne jeden Tiefgang und mit oft sehr vordergründigen Interessen hinein. Er fand kaum qualifizierte Personen, die seinen Egoismus akzeptierten und die sich ihm unterwerfen wollten. Er gab sich dem skurrilen Irrglauben hin, nur mit gelegentlichen Auftritten als kurz vorbeischauender Urlaubsgast Politik gestalten zu können. Er glaubte, sich wie Dürrenmatts alte Dame bei ihrem Besuch alles in der alten Heimat kaufen zu können. Er hat weder die bedrohliche Dramatik des kollabierenden Pensionssystems begriffen noch die tödliche Dimension, die die rapide Islamisierung und Massenzuwanderung bildungsferner Drittwelt-Männer bedeuten. Er leidet vor allem an einer unglaublichen Selbstüberschätzung und der Unfähigkeit, sich mit irgendeinem neuen Gedanken geistig auch nur zu befassen.

Das musste in einem dramatischen Scheitern enden.

Das ist aber unglaublich schade. Denn Österreich bräuchte viel von dem, wofür Stronach zu stehen schien. Eine Erneuerung der erstarrten Strukturen des Verbände-, Kammern-, Wohlfahrts-, Subventions-, Provinzialismus-, Protektions-, Proporz-, Political-Correctness-, Medienbestechungs-, Hochsteuer-, Frühpensionierungs-, Überregulierungs- und Schuldenmacherstaates wäre dringender denn je. Der Verfall dieses Landes hat ja in den letzten Jahren ein unglaubliches Ausmaß angenommen und scheint sich angesichts einer schwachen Regierung und eines überforderten Bundeskanzlers sogar zu beschleunigen.

Ob es jetzt nach dem De-facto-Abgang Stronachs Platz und Energie für einen Neuanfang geben wird? Wo die Kraft zu einer Erneuerung herkommen soll? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich wird es sie erst im Zeitpunkt des Zusammenbruchs geben – oder gar nicht mehr, weil ja Österreich, weil Europa eine untergehende Kultur ist.

Ein europäischer Trend

Schließlich ist es auch im restlichen Europa ähnlich. Lediglich in Großbritannien, Irland und Ungarn, sowie in einem Teil Finnlands, Portugals, Spaniens, Dänemarks und der Niederlande sowie in der Rhetorik des Franzosen Nicolas Sarkozy stellen sich relevante liberalkonservative politische Kräfte dem doppelten (dem ökonomischen wie dem demographischen) Untergang entgegen. Deutschland hingegen profitiert zwar von den Agenda-2010-Reformen im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik, reagiert aber völlig falsch auf die noch viel größeren Bedrohungen der Zukunft durch Asylanten und Islamisierung einerseits und die falsche Euro-Rettungspolitik andererseits.

Es kann nur ein kleiner Trost sein, dass es sich auch in Deutschland als sehr schwer erweist, die liberalkonservativen Kräfte zu bündeln. Der Zerfall der „Alternative für Deutschland“ durch weitgehendes Hinausdrängen der Liberalen, das Hinausdrängen der Konservativen aus der FDP sind da ganz ähnliche Prozesse. Auf noch viel kleinerem Maßstab spielt sich das auch im Zerreißen der deutschen Hayek-Gesellschaft ab, der in den letzten Wochen viele Linksmedien zu hämischer Freude veranlasst hat.

Dabei hat gerade Hayek einst geistig den Liberalismus mit einem (dem Feudalismus und National-Chauvinismus längst entwachsenen) konservativen Denken wieder zusammengeführt. Er hat sich nur deshalb lieber als Liberalen und nicht als Konservativen bezeichnet, weil er den Konservativen vorwarf, nur immer bis zum letztlichen Nachgeben gegenüber linken Positionen auf ihren Werten zu beharren, diese danach aber völlig zu vergessen und statt dessen die zuvor bekämpfte Sozialdemokratisierung zu bejubeln.

Hayek hat also schon vor einem halben Jahrhundert offenbar die heutige Entwicklung der ÖVP vorhergesehen (oder den inzwischen eingetretenen Untergang der noch weiter nach links gerückten italienischen Christdemokraten).

Das alles ist die eigentliche Tragik rund um das Ende des Freizeitpolitikers Frank Stronach.

Rotgrün in Panik

Das Amüsante am Zerfall seines „Teams“ ist hingegen die plötzliche Panik von Grünrot, dass sich die – in Wahrheit ja seit 1983 immer bestehende – rechte Mehrheit im Parlament nun deutlicher auswirken könnte als bisher. Wie ein aufgeregtes Huhn will die grüne Glawischnig sogar den Bundespräsidenten als Bollwerk dagegen einschalten. Dabei könnten SPÖ und Grüne in Wahrheit unbesorgt sein: In der Denkwelt von Reinhold Mitterlehner gibt es nur die (bequeme) große Koalition. Und in der von H.C. Strache nur die (bequeme) Opposition. Überdies haben die beiden derzeit auch weiterhin lediglich zusammen mit den Team-Stronach-Resten eine Mehrheit – selbst wenn die FPÖ nicht durch innere Streitereien wieder ein paar Abgeordnete verloren hätte.

Also wird die Macht rot und grün bleiben.

Davon unabhängig würde die Faymann-SPÖ freilich angesichts ihrer Schwäche ohnedies nicht vorzeitige Neuwahlen verlangen. Zumindest nicht solange die ÖVP ermöglicht, dass Faymann hinter dem Türschild „Bundeskanzler“ sitzen darf.

Dennoch wäre es mehr als legitim, wenn die rechte Parlamentsmehrheit zumindest in den letzten Wochen vor der nächsten Wahl genau das täte, was Faymann vor der Wahl 2008 getan hatte: also die Koalition brechen und wider den Willen des Koalitionspartners Gesetze durchs Parlament pressen.

Dafür gäbe es mindestens zwei wichtige Aufgaben, bei denen sich ÖVP, FPÖ und TS-Reste im Wesentlichen einig sein dürften:

  • Medienbestechung strafbar zu machen, womit diese also auch im Bereich der Gemeinde Wien unmöglich würde (also alle durch von Politikern aus Steuermitteln an Medien vergebene Inserate beziehungsweise Kooperationen ohne detaillierte öffentliche Ausschreibung und nachgewiesene Notwendigkeit strafrechtlich zu verfolgen);
  • Den ORF aus der linken Dominanz zu befreien – oder das Gebührenmonopol überhaupt abzuschaffen.

Aber die ÖVP ist halt viel feiger als die SPÖ und wird das nicht tun . . .

 

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