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Die teuren Medikamente

Die Medizin kann immer mehr und trägt (neben Hygiene und Wohlstand) viel zur höheren Lebenserwartung und Lebensqualität bei. Die Medizin wird immer teurer und wird dadurch Hauptursache künftiger Krisen. Zwei widersprüchliche Trends, die ein wachsendes Dilemma auslösen. (Mit nachträglicher Ergänzung)

Pharma-Industrie und Medizintechnik haben tolle neue Produkte entwickelt. Sie erzielen damit auch tolle Gewinne. Sie treiben aber auch die Kosten des Gesundheitssystems toll in die Höhe. Was auch Besitzern von Pharma-Aktien ein gewisses Unbehagen bereitet.

Da scheint eine politische Lösung auf der Hand zu liegen: Man deckelt, man limitiert die Preise für Pharma-Produkte. Das verlangen insbesondere Krankenkassen und Spitäler, die diese Kosten zu tragen haben. Etwa jene zur Behandlung der chronischen Hepatitis C. Ein neues Präparat ist da zwar erfolgreich, erspart bisweilen auch Lebertransplantationen. Nur: Es kostet für die Heilung eines einzigen Patienten im Schnitt 50.000 Euro.

Also deckeln. Oder? Nun, Deckeln hat gleich drei gefährliche Folgen, die diese Strategie als doch nicht so weise erscheinen lassen.  

  • Erstens kann eine ohne Konsens mit dem Erzeuger erfolgte Deckelung dazu führen, dass ein Produkt in ein Land nicht mehr eingeführt wird. Das haben die Pharma-Konzerne schon mancherorts gemacht.
  • Zweitens kann sie dazu führen, dass pharmazeutische Produkte in Entwicklungsländern nicht mehr billig angeboten werden können. Was ja derzeit bei vielen Produkten als Entwicklungshilfe der Fall ist (das Hepatitis-C-Produkt wird etwa in Ägypten um zwei Prozent des österreichischen Preises angeboten).
  • Drittens kann sie auch dazu führen, dass künftige neue Medikamente gegen andere Krankheiten gar nicht mehr entwickelt werden. Die hohen Preise neuer Produkte – also solcher, denen auf Grund des Patentschutzes (noch) kein billiges Generikon Konkurrenz machen darf, – sind ja nicht durch die Produktionskosten verursacht, sondern durch die teuren Entwicklungskosten davor.

Die sind nicht nur wegen der teuren Forschungseinrichtungen und der vielen Tests so gewaltig, sondern vor allem wegen der hohen Drop-out-Rate. Im Schnitt kommt nämlich nur jedes hundertste Medikament am Ende wirklich in die Apotheken. Alle anderen erweisen sich als unwirksamer denn erhofft oder als der Nebenwirkungen wegen unakzeptabel. Bezahlt werden muss die Entwicklung dennoch.

Das ergibt ein heikles Dilemma: Zwar ist es fast nirgends so verführerisch preisregelnd einzugreifen; zwar gibt es bei vielen neuen Medikamenten keine wirkliche Konkurrenz, keinen echten Markt; zwar könnte es einem einzelnen preisregelnden Land bisweilen gelingen, Trittbrettfahrer zu werden, während andere Länder durch höhere Preise weiter Forschungen finanzieren. Aber dennoch ist klar: Die Menschheit würde sich sehr schaden, wenn sie kollektiv so agiert, als brauchte sie keinerlei neues Medikament mehr. Die aber sind bisher fast immer nur von gewinnorientierten Pharma-Konzernen entwickelt worden.

Nachträgliche Ergänzung: Nach nur drei Monaten des Einsatzes hat sich das neue Hepatitis-C-Medikament nun auch bei HIV-Infizierten als hoch wirksam (zu 95 Prozent!) erwiesen. Das ist medizinisch sensationell und humanitär hervorragend - das wird aber auch die Kosten des Gesundheitssystems endgültig explodieren lassen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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