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Die Stadt als Spaßunternehmer

In ihrer zunehmend verzweifelt wirkenden Orientierungslosigkeit intensiviert die Wiener SPÖ seit einiger Zeit ein merkwürdiges Rezept: das der Verwandlung der Stadt in eine permanente Partymeile. Sie versucht, die Wiener durch Brot und Spiele abzulenken: von der explodierenden Arbeitslosigkeit, dem rapide wachsenden Migranten- und Asylanten-Problem, der Wirtschaftsflaute, der schlechten Qualität der Wiener Gesamtschulen und den sich vervielfachenden Stadtschulden. Solche Ablenkungsversuche haben freilich in der Geschichte noch nie dauerhaft funktioniert. Sie waren im alten Rom vielmehr Begleiterscheinung des Verfalls.

Um nicht missverstanden zu werden: Auch ich mag tolle Feste und abwechslungsreiche Freizeitmöglichkeiten. Nur vergeht mir sofort jeder Spaß daran, wenn mir bewusst wird, dass das alles nur mit sehr viel Steuermitteln finanziert wird, also mit Geld, das den Menschen zuvor zwangsweise, selbst mit Einsatz eines Exekutors abgenommenen worden ist.

Die Lustbarkeiten, die rund ums Jahr insbesondere – aber keineswegs ausschließlich – auf dem Rathausplatz stattfinden, lassen die Wiener ob ihrer zunehmenden Dichte immer kritischere Fragen stellen. Deshalb haben die PR-Agenten der Gemeinde nun einen neuen Schmäh entwickelt, um diese Geldverschwendung zu einem guten Geschäft zu erklären: Sie behaupten einfach, dass diese Events einen viel höheren „Werbewert“ für Wien hätten, als sie kosten würden. Das klingt gut, ist aber in Wahrheit eine völlig absurde und unbewiesene Behauptung.

Es kann doch im Rathaus niemand ernstlich glauben, dass etwa wegen des satte zweistellige Millionenbeträge aus Steuergeldern (die man gar nicht vollständig kennt, da sie in unzähligen Budgets versteckt wurden) kostenden Song Contests sich jetzt in aller Welt Menschen denken: „Ah, es gibt die Stadt Wien mit so einer schönen Stadthalle! Das hab ich ja gar nicht gewusst. Da muss ich jetzt hinfahren und viel Geld ausgeben.“

Der Song Contest hat im Gegenteil nur zu einem nachweislichen Effekt geführt: In der Zeit seiner Durchführung sind viele Gäste dem eher halbseidenen Spektakel ausgewichen. In Wien sind genau zu jenen Tagen 70 Prozent der Hotelbetten leer geblieben, während sie sonst zur gleichen Jahreszeit ausverkauft sind. Da ja Wien wie alle historischen Metropolen im Zeitalter des Städtetourismus enorm boomt. Der hat wieder zwei Ursachen: Das rasch steigende Durchschnittsalter in ganz Europa, das viele Menschen zum Abschied von Abenteuer-, Sport- und Strandurlauben veranlasst hat. Und die Unsicherheit an vielen anderen Destinationen.

Die angebliche Langzeit-Werbewirkung einer Veranstaltung wie des Song Contests ist reines Wunschdenken. Eine solche Langzeit-Wirkung müsste ja sonst auch in den früheren Orten des Schlagerwettbewerbs eingetreten sein. Dort müsste es einen über das allgemeine Wachstum des Städtetourismus hinausgehenden Zuwachs gegeben haben.

Das ist aber weder in Baku, Malmö oder Düsseldorf, noch in Belgrad, Moskau oder Helsinki der Fall. Um nur einige Austragungsorte der letzten Jahre zu nennen. Dabei würde in Orten, die bisher kein sonderliches Touristen-Interesse gefunden haben, Werbung noch viel eher Sinn machen als an einem traditionellen Tourismus-Hotspot wie Wien. Aber auch sie haben vom Song Contest nicht profitiert.

Aber wer prüft schon solche Aussagen über den angeblich in klingender Münze millionenfach sich niederschlagenden Werbewert nach? Der wird einfach von den jeweiligen Profiteuren beziehungsweise beauftragten PR-Agenturen behauptet.

Mit „Werbewert“ wurden auch die Kosten der Montage von schwulen Verkehrsampeln gerechtfertigt. Und als "Beweis" wurden lediglich die internationalen Zeitungsberichte genannt (die sich eher darüber lustig gemacht haben).

Auch bei der soeben durchgeführten Mega-Premiere von „Mission: Impossible“ in Wien wurde wieder vom "Werbewert" geschwafelt. Wieder ohne jede Beweisbarkeit. Aber die Stadtverwaltung brauchte auch da das Argument. Nicht nur um die teuren Subventionen für die Dreharbeiten zu rechtfertigen, sondern auch den Umstand, dass wichtige Teile der Stadt zwei Tage lang wegen der Filmpremiere gesperrt worden sind. Was der Wirtschaft Wiens heftige Umsatzausfälle beschert hat. Aber deren Proteste wurden vom Tisch gefegt. Denn – richtig: der Werbewert!

Apropos Wirtschaft: Den Wiener Unternehmen wird von der Stadt auch sonst immer mehr Konkurrenz gemacht. Auf Kosten der Steuerleistungen, die die konkurrierten Wirtschaftsbetriebe zuvor selbst erbringen mussten.

So verwandelt die Gemeinde Wien alljährlich den Rathausplatz zu technisch besonders hohen Kosten ein paar Wochen in einen Eislaufplatz. Was den gewerblichen Eislaufplätzen schwer schadet.

So müssen die Gastronomen, die auf dem Rathausplatz verkaufen wollen, oder die einen Marktstand haben wollen, teure Gebühren an dubiose Vereine zahlen, die ihre Geldflüsse weder der Öffentlichkeit noch dem Rechnungshof offenlegen müssen.

Jetzt hat man neue „Vorzeige-Lokale“ an der Neuen Donau eröffnet, auf der sogenannten Copa Cagrana. So als ob der Bau und Betrieb von Restaurants und ähnlichem zu den Aufgaben der Stadt gehörten. Dennoch hat man dafür wieder einmal tief in den Steuersäckel – beziehungsweise aufs Schuldenkonto – gegriffen und 2,5 Millionen Euro ausgegeben.

Die Stadt besitzt hunderte Unternehmen, die steuerzahlenden Betrieben Konkurrenz machen. Dabei schaffen nur wenige dieser Gemeinde-Betriebe das, was eigentliche lebensnotwendige Voraussetzung jedes privatwirtschaftlichen Unternehmens ist: wenigstens ausgeglichen zu bilanzieren.

Andere Unternehmen der Stadt sind teure Monopolisten wie beim Wasser, die von Bürgern und  Wirtschaft massiv überhöhte Gebühren abkassieren.

PS: Natürlich wäre es immer gut, dem Wien-Tourismus zu helfen. Da gäbe es sogar ganz schön viel zu tun (mit minimalen Kosten), um überflüssigen Ärger der Wien-Gäste zu vermeiden: So kenne ich keine internationale Stadt, wo so wenig Information auch in Englisch angeschrieben ist oder durchgesagt wird. So ist es absurd, dass in der Welthauptstadt der Musik zwei Monate lang keine Hochqualitäts-Musik zu hören ist. So wird jeder ausländische Autofahrer in Wien zumindest einmal ungewarnt Opfer der komplizierten und praktisch nicht kommunizierten Parkpickerl-Regelungen. So erfährt man in Durchsagen der öffentlichen Verkehrsmittel zwar, wann man zur Arbeiterkammer kommt, aber kein Wort zu den touristisch vielleicht etwas wichtigeren Zielen. So finden nicht einmal Wiener am Schwedenplatz den dort in einer ganz abgelegenen Ecke abfahrenden Flughafenbus. Und so weiter. Aber da überall aktiv zu werden, würde halt viel mehr Grips kosten, als ständig Party zu machen. Und viel weniger Geld.

Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.

 

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