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Sommerthema Kalte Progression

Es ist lähmend, wie die Parteien alljährlich irgendwelche abgestandene Themen in der Sommerpause hochjubeln. Und wie die Medien dann immer groß darauf einsteigen. Sie zeigen sich dankbar, etwas zu haben, mit dem sie in der Saurengurken-Zeit Spalten und Sendezeit füllen können, ohne groß die Relevanz zu hinterfragen. Dabei gäbe es für sie unglaublich viel Wichtigeres zu behandeln. Das halt nur (aus gutem Grund) nicht von den Parteien auf dem Präsentierteller serviert wird.

Wichtiger als die von Pressesekretären ausgebrüteten Sommerthemen wären vor allem zwei Themenbereiche:

  • Wirksame Maßnahmen gegen die Migrations- und Asylkatastrophe durch Grenzsperren und großangelegte Abschiebeaktionen. Und nicht bloß unendliche politmediale Debatten über die Umverteilung der hereinströmenden Massen zwischen Ländern und Bezirken. Besonders lächerlich ist es da, wenn tagelang bejubelt wird, dass die Slowakei Österreich fünfhundert „Flüchtlinge“ abnimmt – obwohl das lediglich die Menge ist, die an einem einzigen Tag zusätzlich nach Österreich hereinströmt.
  • Das wirtschaftliche Absinken Österreichs, das nun im Ausland sogar schon offen mit Griechenland verglichen wird (Aber das liest man nur in ausländischen Zeitungen wie etwa der FAZ).

Heuer ist statt einer energischen Konzentration auf Maßnahmen in diesen Bereichen die dauerhafte Abschaffung der Kalten Progression bei der Einkommensteuer als erstes Sommerthema ausgerufen worden. Das erfolgt bizarrerweise nur wenige Tage, nachdem die „größte Steuerreform aller Zeiten“ durchs Parlament gepresst worden ist. Dabei hatte ja gerade dieses Paket die (wenn auch nur vorübergehende) Bekämpfung der Kalten Progression durch eine Steuersenkung zum Inhalt. Dieses Steuerpaket verärgert aber auf der anderen Seite durch eine Vielzahl neuer Erhöhungen anderer Steuern, durch Verschärfung von Belastungen und Schikanen die Österreicher viel mehr, als sie über die Einkommensteuersenkung jubeln könnten. Es wird überdies mit großer Sicherheit eine weitere Erhöhung des Defizits bringen.

Da ist es schon erstaunlich, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt die gänzliche – und damit dauerhaft ungelöste Budgetprobleme aufwerfende – Abschaffung der Stillen Progression zum Sommerthema zu wählen. Wie es die ÖVP getan hat. Das ist vor allem dann wenig glaubwürdig, wenn man nicht den geringsten Vorschlag zur Finanzierung des Spaßes vorlegt.

Dennoch hat die Volkspartei mit ihrem Vorstoß die SPÖ offensichtlich kalt erwischt und im Kleinkrieg der Parteisekretariate einen Punktesieg errungen. Das zeigte sich schon daran, dass der ORF als SPÖ-Zentralorgan tags darauf gleich drei Sozialdemokraten im O-Ton zu bringen hatte. Deren Motto: Wieso wagt es die ÖVP, das vorzuschlagen, wo solche Forderungen doch unser Thema sind!

Freilich sind die Sozialisten schon gar nicht willens, seriöse Finanzierungsideen vorzuschlagen. Und sie wollen auch nicht wirklich eine Automatik, bei der die Steuersätze beziehungsweise Tarif-Grenzen alljährlich automatisch der jeweiligen Inflation angepasst würden. Vor allem Arbeiterkammer und Gewerkschaft wollen das lieber nur alle paar Jahre haben, damit sie dann jeweils einen großen Erfolg ihre „Kampfes“ verkünden können. Das Selbstverständnis einer Gewerkschaft besteht ja im dauernden Kampf+Sieg-Taumel.

Aber das alles ist ja letztlich eh egal. Es geht ja allen sowieso nur darum, die sommerliche Luft mit ihren Wortspenden in Bewegung zu halten. Spätestens bei der herbstlichen Abkühlung wird dann das Thema wieder verschwunden sein.

Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich bin ich sehr für die Abschaffung der Stillen Progression. Kassiert sie doch einen immer höheren Anteil der Einkommen und Löhne zugunsten von Bund, Ländern, Gemeinden, Sozialversicherungen, Arbeiterkammern, auch wenn die Einkommen real um keinen Cent steigen. Das ist zutiefst ungerecht. Das sollte dringend abgeschafft werden.

Es gibt nur einen einzigen Grund, die Stille Progression doch nicht abzuschaffen. Das ist, wenn dadurch der totale Staatsnotstand ausgelöst wird, wenn dadurch Österreich endgültig im Schuldensumpf untergehen und zu einem zweiten Griechenland würde. Das aber ist sogar die sichere Konsequenz, wenn man immer nur Geschenke verteilt, aber sie nicht zu erarbeiten, anderswo einzusparen bereit ist. Das ist umso sicherer die Konsequenz, seit Werner Faymann regiert, ist doch seither praktisch keine einzige wirksame Reform zur Reduktion der Staatsausgaben erfolgt.

Dabei wäre vor allem eines logisch: Wenn man die Einkommensteuertarife als wichtigste Staatseinnahme automatisiert reduziert, dann müsste man zwingend auch etliche Ausgaben automatisiert reduzieren. Das wäre insbesondere bei den Pensionen wichtig und seit Jahren fällig: Dort fließt ja das meiste Geld unaufhaltsam und in ständig wachsender Menge weg. Das heißt: Das Pensionsantrittsalter müsste sich automatisch der Erhöhung der Lebenserwartung anpassen. Plus einer zusätzlichen nachträglichen Erhöhung, weil man diese Notwendigkeit jahrzehntelang (mit Ausnahme einiger Teilreformen in der Schüssel-Zeit) ignoriert hat.

Aber gerade eine solche Pensionsautomatik haben SPÖ, Arbeiterkammer und Gewerkschaften stets als gezielten Anschlag auf den Kern ihrer Identität gesehen und daher verhindert. Und das werden sie wohl auch weiterhin.

Dabei wäre zweifellos auch eine automatische Reaktion bei anderen Ausgaben nötig, die sich überproportional erhöhen: etwa wegen der wachsenden Zahl an Arbeitslosen, an Grundeinkommensbeziehern, und eben auch an Pensionisten.

Solange aber da keine Bewegung eintritt, solange das alles nicht einmal die ÖVP zu erwähnen wagt, die FPÖ übrigens auch nicht: Solange möge man uns bitte, bitte mit solchen Sommerthemen verschonen.

 

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