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Ein Requiem auf die AfD am Gipfel des Triumphes

Schade und traurig: In Deutschland hat die „Alternative für Deutschland“ ihren Gründer Bernd Lucke gedemütigt und mit deutlicher Mehrheit entthront. Ohne Lucke wird die AfD ihren Erfolgsweg nicht mehr weitergehen können. Dennoch scheint Lucke seinen historischen Erfolg bereits erzielt zu haben.

Die AfD gerät in den gleichen Strudel aus Intrigen, Organisationsdefiziten, spinnenden Einzelgängern, Hinterzimmer-Strategen und ideologischem Chaotentum wie schon viele Partei-Neugründungen. Frauke Petry, die neue Parteichefin, wirkt zwar persönlich netter als Lucke, aber sie hat in den Augen der meisten Deutschen kaum Gewicht und Statur. Eine Parteichefin für die Funktionäre, nicht für die Wähler.

Lucke ist das passiert, was vielen Parteigründern passiert ist: Sehr rasch blüht ringsum Mittelmäßigkeit auf, sobald die ersten Erfolge da sind. Die Lucke zuerst zujubelnde Partei verhielt sich ihm gegenüber am Ende nur noch „schäbig“, wie es etwa Klaus Kelle in seinem Blog formulierte. Lucke war gewiss auch zu professoral auf sein zentrales Thema fixiert, also auf die Kritik an der falschen Euro-Politik, an Wirtschaft und EU. Er kümmerte sich viel zu wenig um Mehrheitsbildungen, Seelenmassage für Bezirksfunktionäre und den sonstigen Parteikram. Das wirkte sich vor allem im Osten fatal für ihn aus. Da half es auch nichts, dass Lucke ein brillanter Redner ist.

Im Osten war die AfD zwar besonders erfolgreich – aber zugleich wirkte es sich sehr negativ aus, dass zur AfD überraschenderweise vor allem von der Linkspartei Menschen überliefen. Dadurch geriet dann der seriöse – und auch von mir mit viel Sympathie begleitete – Kurs Luckes in die Minderheit. Er hatte proeuropäisch und prowestlich die Marktwirtschaft, die wirtschaftliche Stärke und den liberalen Rechtsstaat gegen allzuviel Merkel-Opportunismus, Schuldenmach-Sozialismus und Euro-Mystik retten wollen.

Jetzt haben sich in der AfD die Russland-Freunde und Amerika-Hasser durchgesetzt. Damit hat sich die Partei wohl selbst aus dem Rennen um eine Regierungsbeteiligung genommen. In Deutschland wird es daher jetzt auf längere Zeit nur eine Regierung mit Beteiligung mindestens einer der drei linken Parteien geben können (wobei man freilich erfreut festhalten sollte, dass die SPD weit weniger links als die SPÖ ist, und dass sie zugleich eine ganze Reihe exzellenter Spitzenpolitiker hat, die man in Österreich vergeblich suchen würde).

Die Überlegungen Luckes, jetzt eine eigene Partei zu gründen, haben keine Chance. Zwischen CDU, FDP, der Rest-AfD und dem neu aufblühenden „Liberalen Aufbruch“ von Frank Schäffler (einem von den Linken in der FDP an den Rand gedrückten Mann) ist da zu wenig Lebensraum für eine neue Lucke-Gruppierung.

Der Verlierer als Triumphator

Das war‘s dann wohl. Dennoch scheint Lucke in einer abenteuerlichen Dialektik der Geschichte einen historischen Erfolg erzielt zu haben: Die große Mehrheit in der CDU – aber auch unter den deutschen Wählern – sieht heute die ständig teurer gewordenen Rettungsaktionen für kommunistisch brabbelnde Bankrotteure in der EU keineswegs mehr als die richtige oder gar einzige „Alternative“. Das ist nicht zuletzt ein Erfolg von Luckes Argumentationskraft und der Angst von CDSU/CSU vor der AfD-Konkurrenz. Auch Angela Merkel hat inzwischen in ihrem wendefreudigen Populismus erkannt, dass ihre einstige – viele Milliarden Euro teure – Behauptung von der „Alternativlosigkeit“ der Griechenland-Rettung nicht nur falsch, sondern auch extrem unpopulär ist. Und auch die SPD zeigt keinerlei erkennbare Griechenland-Sympathien.

Das könnte sich im Rückblick als der größte Triumph Luckes erweisen. Er hat als erster gesagt, und dann die große Mehrheit überzeugt, dass es sehr wohl eine Alternative für Deutschland gibt. Das aber hat ihn und seine politischen Beiträge letztlich irgendwie überflüssig gemacht.

Oder doch nicht? Denn kaum ist die große Herausforderung durch Lucke beseitigt, könnte Merkel möglicherweise gleich wieder zum Einknicken neigen. Vielleicht schon in den nächsten Tagen, beim 997. Griechenland-Rettungsgipfel. Ohne Lucke könnten brillante CDU-Parlamentarier und Rettungs-Gegner wie Wolfgang Bosbach bald wieder an Gewicht gegen Merkels Wendefreudigkeit verlieren.

Und die neue AfD selber? Sie ist zwar keine neonazistische Gruppierung geworden, wie manche linke Medien sofort gekläfft haben. Aber als Russland-Partei ist sie für sehr viele Deutsche verständlicherweise schlicht unwählbar. Auch wenn es sicher in diesem Eck ein paar Stimmen zu holen gibt.

Dennoch hat die AfD noch eine Chance. Freilich mit einem ganz anderen Thema als dem ihrer Gründung: Die Angst von immer mehr Menschen angesichts von Asyl- und Migrations-Dramatik sucht eine politische Heimat – aber ohne Extremismus. Wenn die deutsche Regierung, wenn die CDU, zu spät die riesige Bedrohung durch die Massenvölkerwanderung begreifen und wenn sie nicht sehr bald energisch und mutig zu handeln beginnen, dann könnte das der AfD wieder Auftrieb geben. Dann könnte das für sie genauso zum Wachstumspropeller werden, wie es die falsche Euro-Politik der Regierung für Lucke gewesen ist.

 

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