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Chuzpe, dein Name sei Griechenland

Die griechische Dauerkrise wird von der dortigen Regierung mit einer ganzen Reihe von Geschichtslügen begleitet, die im Rest Europas erstaunlich oft geglaubt werden. Eine besonders häufig verbreitete Unwahrheit: Griechenland sei erst durch die Hilfe in den letzten fünf Jahren ruiniert worden, also durch das Diktat der Troika und nicht durch eigene Schuld.

Nichts ist falscher als das. Nicht nur weil kein europäisches Land in den letzten 200 Jahren so oft einen Staatskonkurs gebaut hat wie Griechenland. Es gehört dort offenbar zur nationalen Identität, jahrelang gut auf Schulden zu leben, aber diese dann nicht zurückzuzahlen.

Daher war es von den Gläubigern wohl falsch, Griechenland überhaupt noch Geld zu leihen. Das haben sie aber seit Jahrzehnten überreichlich getan. 2010, also schon bevor irgendein Troika-Programm gestartet ist, war Griechenland mit 300 Milliarden Euros (130 Prozent des BIP) verschuldet. Noch Dramatischeres zeigt der Blick auf das damalige jährliche Staatsdefizit: Es betrug 36 Milliarden (über 15 Prozent des BIP) und stieg jedes Jahr um zwölf Prozent.

Vom Standpunkt der Retter war es von Anfang an extrem fragwürdig, einem solchen Land mit vielen weiteren Krediten beizustehen. Von diesem Geld wird man ja das allermeiste nie wiedersehen, egal wie es jetzt weitergeht.

Es ist aber eine absolute Infamie, dass es jetzt die Exponenten Griechenlands sind, die herumgehen und diese Hilfe kritisieren. Statt sich täglich zehnmal dafür zu bedanken. Wäre Griechenland damals allein gelassen worden, hätte das für das Land viel dramatischere Folgen gehabt als alles, was nachher gekommen ist. Selbst ohne jede Kreditrückzahlung hat ja damals das (Primär-)Defizit 10 Prozent des BIP ausgemacht. Dank der Hilfe hatte Griechenland fünf Jahre Zeit, um dieses Primärdefizit auf Null herunterzufahren. Das hätte es sonst über Nacht müssen.

Es ist daher auch völlig falsch zu sagen, seither seien primär die ausländischen Banken gerettet worden. Überdies sind ein Drittel der Schulden Griechenlands innergriechische. Und jedenfalls haben die nicht-staatlichen Gläubiger sehr wohl gewaltig bluten müssen: 2012 wurden bei einem Haircut über 50 Prozent der Forderungen enteignet. Das waren über 100 Milliarden Euro oder 10.000 Euro Entlastung für jeden einzelnen Griechen auf Kosten meist europäischer Sparer.

Aber auch die jetzt dominierenden nicht-privaten Gläubiger haben schon heftig zugunsten Griechenlands geblutet. Sie haben die Kredite fast unendlich lang gestreckt und auf Zinssätze gesenkt, die weit unter den marktüblichen liegen. Die Griechen zahlen deshalb bereits heute insgesamt weniger Zinsen als Portugal, Irland oder Italien für die ihrigen.

Falsch ist auch die Behauptung, die Gläubiger-Länder hätten von den griechischen Schulden durch ihre Exporte profitiert. Wahr ist, dass etwa der Anteil Griechenlands an den deutschen Exporten vor der Euro-Einführung größer war als nachher.

All diese Zahlen machen die griechischen Vorwürfe und Klagen gegen Resteuropa zu einer einzigen Chuzpe.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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