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Das Paket, das Griechenland jetzt vorgelegt hat, enthält einige Maßnahmen, die zweckdienlich erscheinen. Vieles aber beweist, dass das griechische Paket ungefähr so problemlösend ist wie das Steuerpaket der österreichischen Koalition (vor allem, wenn dieses vorgibt, keine massive Defiziterweiterung zu bringen). Europa sollte daher keinesfalls auf dieses Paket hereinfallen, wenn es halbwegs bei Sinnen ist. Und zwar aus einer ganzen Reihe von Gründen.
Der wichtigste: Die gegenwärtige griechische Regierung hat mittlerweile jedes Vertrauen verspielt. Und ohne Vertrauen geht gar nichts. Viel zu oft hat Griechenland vor allem in den vergangenen Monaten getäuscht und getrickst. Viel zu oft sind auch in den Jahren davor Vereinbarungen nicht eingehalten worden. Viel zu lang ist mit der Vorlage dieses Pakets gezögert worden. Viel zu naiv hat die griechische Regierung gemeint, dass ein griechisches Wahlergebnis die Geldbörsen anderer Länder öffnen müsste.
Jeder Politiker im restlichen Europa, der jetzt noch immer Griechenland vertraut, muss mit einer Gewissheit rechnen: Er wird in seiner eigenen Heimat selbst massiv Vertrauen verlieren. Welcher ernstzunehmende Mensch kann denn noch darauf vertrauen, dass diese griechische Regierung, dieses Parlament, diese Verwaltung das im allerletzten Moment auf den Tisch Europas geknallte Paket – das ohnedies keineswegs alle Forderungen der Gläubiger erfüllt – getreu umsetzen wird?
Denn je mehr man sich dessen Details anschaut, umso klarer wird, dass da unglaublich viele Umsetzungs-Probleme liegen. So komplizierte Materien wie die jetzt plötzlich vorgeschlagenen würden – wenn man sie ernst gemeint hätte – Monate brauchen, um in sorgfältige und durchdachte Gesetze und Verordnungen umgesetzt zu werden. Und selbst diese Gesetze bedeuten bei den Griechen – auch wenn sie lauter nette und sympathische Menschen sind – noch gar nichts. Denn in Griechenland ist noch viel mehr als in anderen Ländern das, was in Gesetzbüchern steht, das eine. Und das, was dann von den Beamten und Behörden im wirklichen Leben getan oder nicht getan wird, etwas ganz anderes.
Griechenland ist auch ein Land, das seit Jahrzehnten verspricht, Grundbücher – eine völlig unverzichtbare Basis jeder postfeudalen Wirtschaft und Verwaltung – einzuführen. Es hat das aber bis heute nicht getan. Dabei ist es auch für Laien absolut klar, dass ein Land nur funktionieren kann, wenn bei jedem Grundstück a) dessen genaue Dimensionen und b) sein eindeutiger Eigentümer klar sind. Alles andere führt zwangsläufig zu wilden Streitereien, Gaunereien und Korruption (Mit etlichem Stolz darf man als Österreicher sagen: Das Grundbuch war – neben der Musik – wohl der wichtigste Beitrag Österreichs zur menschlichen Zivilisation, freilich eines besseren Österreich).
Wie wenig ernst es Griechenland wirklich mit dem Sparen ist, zeigt sich etwa daran, dass seine Regierung auch im letzten halben Jahr praktisch nichts unternommen hat, um mutmaßlichen Steuerflüchtlingen, die fette Konten in der Schweiz haben, das geschuldete Geld abzunehmen.
Besonders empörend ist, dass die linksextreme Regierung Griechenlands noch wenige Tage vor dem nunmehrigen Spar- und Kompromisspaket eine weitere provozierende Maßnahme gesetzt hat, die viel Geld kostet. Sie hat den Staatsrundfunk ERT wieder geöffnet und alle früheren (von der tapferen Vorgängerregierung wider alle Proteste) gekündigten Mitarbeiter neu angestellt. Während der im Vorjahr als Ersatz für den alten Staatsfunk gestartete Sender mit 800 Mann ausgekommen ist, sind es jetzt wieder mindestens 1600, die dort bezahlt werden. Die Vermutung, dass das nur ein rein linksextremer Propagandsender werden kann, liegt mehr als nahe (ich kanns nur nicht überprüfen, weil ich kein Neugriechisch kann). Wenn man den ORF hört und sieht, kann man aber wohl ahnen, was sich beim griechischen Öffentlich-„rechtlichen“ abspielt.
Das Vertrauen hat Griechenland aber auch schon davor verspielt, und zwar sowohl durch sozialistische als auch durch konservative Regierungen. Es ist heute ja unbestritten, dass das Land jahrelang alle relevanten volkswirtschaftlichen Statistiken gefälscht und manipuliert hat. Aber es hat dennoch deswegen kein einziges Strafverfahren gegeben. Woraus man mit Sicherheit schließen kann: Es ist nationaler Konsens aller Griechen, die europäische Außenwelt zu betrügen. Warum sollte das in Zukunft anders sein?
Gewiss: Ein „Grexit“ würde auch für andere Euro-Länder eine ruppige und im Detail nicht wirklich prognostizierbare Krisenstrecke bedeuten. Deswegen scheuen viele Politiker davor zurück. Aber es scheint doch, dass man sich inzwischen allseits halbwegs auf diesen Schock vorbereitet hat. Im Mai 2010 hat man ja diesen Schock noch für zu groß angesehen.
Heute ist freiliich klar: Euroland, der IWF, die EZB hätten sich viele Hundert Milliarden erspart, wenn man sich schon damals vertragsgetreu verhalten und keinen griechischen Bailout gemacht hätte. Dabei wäre es durchaus noch drinnen und sinnvoll gewesen, mit einem Teil des inzwischen auf Nimmerwiedersehen nach Griechenland geflossenen Geldes einen Dominoeffekt zu verhindern und manche Banken zu retten, die (im Vertrauen auf die Basel-Regelungen!) allzuviel griechische Anleihen im Portfolio hatten. Diese Banken sind ja mittlerweile durch einen einseitigen – weil die Staaten und die EZB schonenden – Haircut ohnedies schwer geschröpft worden.
Was viele auch in Österreich leider nicht verstehen und was die populistische Propaganda von Caritas&Co erst recht nicht verstehen will: Bankenrettungen haben nie den Zweck, Bankiers zu retten! Sondern es geht immer um die Rettung der vielen Hunderttausenden Menschen und Unternehmen, die auf einer zu rettenden Bank ihr Geld liegen haben. Und um die Millionen Arbeitnehmer, die in diesen Unternehmen arbeiten.
Hätte man schon 2010 auf die vertragswidrige Griechenland-Rettung verzichtet, wären europaweit die zwei wichtigsten Grundlagen jedes Zusammenspiels wieder klar in Erinnerung gerufen worden, die inzwischen leider total in Vergessenheit geraten sind:
Es wäre auch völlig falsch, wenn man sich jetzt von unterschwelligen Drohungen aus Athen beeindrucken ließe, dass man dann halt an Russland oder China heranrücken werde. Man kann den Griechen nur antworten: Viel Glück, gute Reise – und kein allzu enttäuschtes Erwachen, wenn sich zeigt, dass in Moskau oder Peking schon gar keine guten Onkel und Samariter sitzen, welche die Griechen retten wollen.
Europa sollte statt dessen in aller Gelassenheit signalisieren: Ja, wir wollen Griechenland weiter in der EU haben. Der Binnenmarkt mit seinen vier Freiheiten ist auch weiterhin eine essentielle Grundlage für eine gute Entwicklung Griechenlands wie auch die aller anderen EU-Mitglieder. Aber in einer Währungsunion kann nur Platz für sehr diszipliniert in einem engen Gleichklang agierende Länder sein.
PS.: Weil die guten Nachrichten und lobenswerten Beispiele viel zu selten erwähnt werden und vor allem unter den täglichen griechischen Chaos- und Schreckensmeldungen untergehen: Spanien wird heuer – nach drei harten wie konsequenten Sanierungsjahren unter einer konservativen Regierung – ein sensationelles Wachstum von rund 3,5 Prozent haben. Das ist das Vierfache des für Österreich berechneten Wachstums! Das ist toll – auch wenn durchaus damit zu rechnen ist, dass dort demnächst eine sozialistisch geführte Regierung alle Sanierungserfolge bald wieder verjubeln wird. So wie in Österreich nach 2007.