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Sebastian Kurz hat den ÖVP-Parteitag mit dem Vorschlag eines minderheitsfreundlichen Mehrheitswahlrechts beglückt. Eine nicht sehr durchdachte Idee. Da hat er schon viel bessere gehabt.
Der Vorschlag, der stimmenstärksten Partei auf jeden Fall die Hälfte der Mandate – aber minus einem Sitz zu geben, ist gewiss der Frustration über die ewige und ewig frustrierende rot-schwarze Koalition entstanden. Da sucht man verzweifelt nach Alternativen. So weit ist das ja nachvollziehbar.
Aber ist Herrn Kurz auch klar, was das bedeutet? Nach sämtlichen Wahlergebnissen der letzten neun Jahre und nach fast allen Umfragen wäre die Konsequenz nämlich klar: Es würde sofort zu einer rot-grünen Regierung kommen. Denn die SPÖ war fast immer Nummer eins. Und sie geht natürlich sofort mit den Grünen, ihrem Traumpartner, ins Bett, sollte es endlich möglich werden. Diese Kombination hat zwar noch nie von den Wählern eine Mehrheit bekommen und hat heute noch weniger denn je eine Chance. Aber Kurz will sie plötzlich möglich machen.
Erstaunlich. Bekommt er dann von den beiden Linksparteien den großen rotgrün-Orden am Bande?
Freilich halten seit einiger Zeit die Meinungsumfragen auch noch ein anderes Wahlergebnis für möglich: Dass nämlich die FPÖ Nummer 1 wird. Das hieße nach der Kurz-Formel wiederum: Die FPÖ bildet mit irgendeinem kleinen Anhängsel jedenfalls die nächste Regierung. In diesem Fall hätte Kurz dann wohl Anspruch auf den blauen Kornblumen-Orden.
Natürlich ist auch denkmöglich – wenngleich nicht mehr sehr wahrscheinlich –, dass die ÖVP als Nummer eins aus der Wahl hervorgeht. Dann würde also sie die Regierung mit einem Juniorpartner bilden. Angesichts des derzeitigen Zustands der ÖVP würde das mit hoher Wahrscheinlichkeit wohl erst recht wieder die SPÖ sein.
Also mehr vom bisherigen. Daher nicht sonderlich Orgasmus-fördernd. Und jedenfalls unwahrscheinlich.
Unklar ist da aber vor allem eines: Warum eigentlich verficht Kurz eine Wahlrechtsvariante, die in den wahrscheinlichsten Fällen massiv zum Bedeutungsverlust seiner Partei führen würde? Nur um sich ins Gespräch zu bringen?
Was aber am meisten gegen das „minderheitenfreundliche Mehrheitswahlrecht“ spricht: Damit ist der viel klügere und viel substantiellere Vorschlag mausetot, den Kurz selber vor zwei Jahren präsentiert hat. Das war die Einführung der direkten Demokratie.
Warum spricht Kurz nicht mehr davon? Weil er ständig etwas Neues, etwas Anderes vorschlagen will, um nur ja in die Medien zu kommen? Weil ihn also die Substanz der eigenen Vorschläge in Wahrheit gar nicht interessiert? Weil er auch schon von der Altfunktionärsmentalität der beiden Regierungsparteien beherrscht ist, die das Volk für viel zu blöd für die direkte Demokratie halten