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Manches, was da Reinhold Mitterlehner beim ÖVP-Parteitag gesagt hat, klingt richtig begeisternd. Das gilt auch für etliche Anträge, die da in den letzten Tagen diskutiert worden sind, ebenso für die meisten Passagen des Programms. Dennoch will bei mir die Begeisterung so gar nicht ausbrechen.
Der Grund für diese totale Begeisterungslosigkeit ist gar nicht die Tatsache, dass ich schon allzu viele Parteitage erlebt habe, wo sich jedes Mal die anwesenden Funktionäre gegenseitig in Jubel und Begeisterung hineingesteigert haben, auch wenn sich das weder in den Wahlergebnissen noch in irgendeiner Form der innerparteilichen Solidarität widergespiegelt hat.
Auch jetzt ist das ja wieder so: Während man beim Parteitag wieder einmal den Anspruch aufs Kanzleramt erhebt, deuten alle Umfragen auf kräftige Verluste der ÖVP bei den nächsten Wahlen hin. Und während derzeit in fast allen europäischen Ländern ein klarer Trend der Wähler zu konservativen, rechtsliberalen oder bürgerlichen Parteien geht (mit Ausnahme des griechischen Linksextremismus, der ein paar Monate den Rausch der Surrealität genießen konnte), spürt die ÖVP nicht einmal einen Hauch dieses Trends.
Vielleicht hängt das damit zusammen, dass die ÖVP ja gar nicht konservativ oder bürgerlich oder rechtsliberal sein will, sondern „moderner“ und „weiblicher“? Oder gar „jünger“ (während Österreich in Wirklichkeit so schnell altert wie noch nie). Das alles sind freilich nur inhaltsfreie Schlagworte, mit denen man sich dem Intelligenzniveau des österreichischen Journalismus und der diversen „Politikberater“ anbiedern will. Aber auf diesem Niveau gibt’s halt für die ÖVP nichts zu gewinnen.
Dennoch ist das nicht der wirkliche Grund, warum die Begeisterung so gar nicht auszubrechen vermag. Der ist vielmehr in dem verwirrenden Umstand zu finden, dass diese Parteitags-ÖVP noch einen namensgleichen Doppelgänger hat: Das ist die Regierungs-ÖVP. Das sind die von dieser ständig mitgetragenen und bejubelten Beschlüsse der Regierung, obwohl sich darin nicht einmal ein Gramm all dessen findet, was da die ÖVP-Funktionäre so sehr in Ekstase versetzt hat.
Einzig der ÖVP-Chef glaubt, in die Regierungsbeschlüsse einen Erfolg hineinintepretieren zu können. Sein Argument: Die SPÖ habe ja zuvor noch viel Schlimmeres gefordert. Dabei sind diese radikalen Forderungen der SPÖ ja wirklich nur ein uralter politischer Trick. Wenn ich ohne jeden Grund von der ÖVP Tausend Euro fordere und „nur“ 300 Euro bekomme, kann doch die ÖVP nicht sagen, dass sie sich mit 700 Euro durchgesetzt hat!
Die SPÖ kann noch immer voll zufrieden sein damit, was sie alles erreicht hat. Es ist auch eindeutig die SPÖ, die seit Jahren den politischen Kurs dieses Landes prägt (dementsprechend schlecht steht das Land ja auch da). Und die bürgerlichen, die liberalen, die konservativen Alternativen der ÖVP finden sich ausschließlich in der Parteitags-Rhetorik. Es gibt absolut nichts, was sie in den letzten Jahren durchgesetzt hat.
Dennoch gebe ich offen zu: Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Trotz allem. Fast eine existenzialistische Einstellung. Auch wenn ich damit an jedem Intelligenztest scheitern würde, so klammere ich mich daran: Vielleicht wird ja doch noch einmal aus solchen wunderschönen Rhetorik-Blumen auch Realität.
Das gilt insbesondere für den sensationellen Satz Mitterlehners: „Die mutigste Idee wäre die Privatisierung des ORF.“ Natürlich wird das vom ORF verschwiegen. Natürlich spielen das alle sich vom ORF abhängig fühlenden Medien herunter. Aber umso mutiger und richtiger ist diese Idee. Fast könnte man Mitterlehner allein dieses Satzes wegen all seine Fehler verzeihen – wüsste man nicht, dass dieser Satz nur pure Parteitagsrhetorik ist. Und wäre er es nicht, würde es dem ORF zur Verteidigung seines rotgrünen Agitations- und Privilegiendaseins allemal reichen, die ÖVP-Landeshauptleute zu erpressen und bestechen. Denn stünde hinter dieser Idee Substanz, würde die ÖVP das Thema – endlich – wirklich professionell aufrollen. Und sie würde es nicht nur dann thematisieren, wenn der Parteiobmann bei einem Auftritt einmal selber mitkriegt, was sich im ORF abspielt.
Super klingt auch, dass die ÖVP energisch die raschere Erhöhung des Frauen-Pensionsalters fordert. Aber auch hier wieder erinnere ich mich: Im letzten Wahlkampf wurde diese Forderung – die ja schon früher zu hören gewesen war – feige entsorgt. Und seither ist die ÖVP unglaubwürdig.
Haargenau dasselbe gilt für das Verlangen nach Selbstbehalten im Gesundheitswesen: Auch zu diesem Thema geht die ÖVP jedesmal sofort ein, wenn sie mit rotem oder blauem Populismus konfrontiert wird. Und wenn irgendwo in hundert Kilometern Entfernung eine Wahlurne aufgestellt wird.
Wunderbar ist auch, dass sich die ÖVP zum Gymnasium bekennt. Aber war es nicht dieselbe ÖVP (oder eben die Doppelgänger-Partei), die der teuren und leistungsfeindlichen „Neuen Mittelschule“ zugestimmt hat? Und die in Tirol und Vorarlberg jetzt sogar das Gymnasium abschaffen will? Wieder nur deshalb, weil man gar so gern „modern“ wäre.
Herrlich zu hören, dass die ÖVP für die klassische Familie mit Kindern als Leitbild eintritt. Dabei stört freilich wieder die Erinnerung, dass dieselbe ÖVP vor ein paar Jahren, als sie ebenfalls besonders „modern“ sein wollte, mit der SPÖ die Witwenrenten für schwule „Witwer“ eingeführt hat, für die diese nie einen Cent Beitrag gezahlt haben.
Mit großer Freude würde man weiters registrieren, dass die ÖVP „leistungs- und eigentumsfeindliche“ Steuern ablehnt, fiele einem da nicht ein, was die Regierung da gerade alles beschlossen hat. Und an wie vielen leistungs- und eigentumsfeindlichen Steuererhöhungen der großen Koalition die ÖVP schon mitgewirkt hat.
Ach ja, wie schön ist es auch, den Wert des Eigentums betont zu hören. Würde nicht – noch dazu zeitgleich mit dem Parteitag – das von der Doppelgänger-ÖVP geleitete Finanzministerium gerade das Gesetz über die Abschaffung des Bankgeheimnisses vorlegen.
Dennoch: Ich liebe schwarze Parteitagsrhetorik. Aber nicht zu sehr. Denn ich weiß, dass am Morgen danach wieder die „moderne“ Doppelgänger-ÖVP am Werk ist, die ihren einzigen Lebenszweck darin sieht, der SPÖ für linke Inhalte die Mehrheit zu beschaffen. Und dass daher alle liberale, konservative, bürgerliche Rhetorik leider nicht zum Nennwert zu nehmen ist.