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Parlaments-Kasperltheater ohne Charakterdarsteller

Es gibt wohl kaum etwas, mit dem sich die politische Klasse in diesen Tagen selbst mehr beschädigt als durch den Hypo-Untersuchungsausschuss. Diesen „Erfolg“ erzielt sie gar nicht mehr so sehr wegen der für Blau und Orange, aber auch Rot und Schwarz sowie (ein wenig) Grün verheerenden Inhalte. Die sind ja im Wesentlichen den Bürgern bekannt. Mehr als empört können diese wohl ohnedies nicht mehr werden. Die zusätzliche Selbstbeschädigung erfolgt vielmehr durch die prozeduralen Grotesken rund um den U-Ausschuss und das ständige ängstliche Einknicken der Mehrheitsfraktionen.

Da stehen auf der einen Seite die Medien wie ein zum letzten entschlossener Kampfhund. Sie erwarten sich ja, gratis viele Hunderte Seiten Zeitungsinhalte frei ins Haus geliefert zu bekommen. Und sie wollen sich dabei durch nichts mehr behindern lassen.

Da stehen auf der anderen Seite die täglich mehr vor Angst zitternden Koalitions-Fraktionschefs und eine schwache Parlamentspräsidentin. Sie bieten alle paar Tage dasselbe Schauspiel. Zuerst geht etwas nicht, dann vielleicht, dann doch. Das hat angefangen bei der Frage, ob es überhaupt einen Hypo-Ausschuss geben soll. Und das hat vorerst bei der Frage geendet, ob nicht schutzwürdige Zeugen Anspruch auf Namensvertraulichkeit gegenüber der Öffentlichkeit haben, etwa Untersuchungsbeamte.

Die Koalition hat zuerst auf der Geheimhaltung der Namen beharrt. Und zuletzt hat sie dann auch in dieser Frage wieder nachgegeben. Jetzt sollen alle Zeugen-Namen den Medien doch schon vor den Vernehmungen mitgeteilt werden. Und was ist dann mit den bisher als schutzwürdig angesehenen Interessen von Zeugen? Da sagen die Koalitionsfraktionen nun, dass die Medien eh „durch das Mediengesetz verpflichtet“ seien. Auf Deutsch: Der Schutz von (in keiner Weise belasteten!) Zeugen des Parlaments ist dem Parlament plötzlich wurscht. Diese Zeugen sollen sich selber um ihre Persönlichkeitsrechte kümmern und gegen deren Verletzung vorgehen.

Damit haben die beiden Fraktionen auch erneut das fast schon naturgesetzliche Schauspiel eines ständigen Einknickens geboten. Damit hat das Parlament unter einer Präsidentin Bures gezeigt, dass dortige Regeln keine Regeln, sondern nur ein netter Versuch sind.

Was Unrecht ist, soll also im Mediengesetz zu finden sein, glauben die Gesetzesmacher – die halt nur die einst selbst dort gemachten Gesetze nicht kennen. Denn dieses Mediengesetz ist eine totale Schaumgummi-Landschaft, in der sich niemand genau auskennt. Niemand weiß, was die Gerichte am Ende eines langen Rechtsweges über die Frage urteilen werden, ob ein Name veröffentlicht werden darf oder nicht.

Diese Ungewissheit kostet Zeit, Geld und Nerven. Dies muss jetzt ein bei der Verfolgung eingesetzter und um seinen Namensschutz bangender Kriminalbeamter selbst im Kampf gegen große Verlagshäuser investieren, weil Bures, SPÖ und ÖVP erneut vor der geschlossenen Medien- (und Oppositions-)Front in die Knie gegangen sind.

Das wirft erstens die Frage auf: Warum gehen sie überhaupt in solche Konflikte hinein, wenn am Schluss eh immer klar ist, dass sie nachgeben werden? Halten sie das für intelligent? Glauben sie, dass so bei den Bürgern der Eindruck eines handlungsfähigen Parlaments entstehen kann?

Und das zeigt zweitens: Wenn das Parlament schon bei jenen Fragen, wo es selbst ganz ohne Regierung die einzig befugte Institution ist, so knieschwach ist, dann sollte man sich nicht wundern, wenn die Parlamentarier außerstande sind, die oft elendiglich schwachen Regierungsvorlagen noch zu verbessern. Konkret trifft dieser Vorwurf natürlich die roten und schwarzen Abgeordneten, die anderen sind ja quasi egal. Sie trauen sich nicht einmal, das zu versuchen.

Dabei hätte das Parlament jetzt gleich zweimal bei wichtigen Materien die Möglichkeiten zu zeigen, was es kann. Beim (Umverteilungs-)Steuerpaket und beim (totalitären) Strafgesetz. Zweimal könnten die Abgeordneten beweisen, dass sie schlechte Regierungsvorlagen noch verbessern könnten. Oder dass sie der Regierung ihre Vorlagen wieder zurückschicken.

Das werden die beiden Fraktionen aber natürlich nicht tun, obwohl insbesondere die ÖVP-Führung „ihren“ Klub mit beiden Materien zu einem Totalverstoß gegen die eigenen Werte, Grundsätze und das eigene Programm (alt wie neu) zwingt. Zwar werden etliche Abgeordnete hinter vorgehaltener Hand schimpfen. Zwar könnte der eine oder andere Abgeordnete bei der entscheidenden Abstimmung gerade länger am Klo sein.

Aber eine eigenständige, von der Regierung unabhängige, die Bezeichnung „Volksvertretung“ rechtfertigende Linie und Haltung werden sie nicht einnehmen. Dazu fehlen längst schon die Persönlichkeiten. Dazu fehlt die inhaltliche Kompetenz. Dazu fehlt der Mut. Dazu fehlt der Charakter (Um der Wahrheit die Ehre zu geben: In der ÖVP gibt es immerhin ein halbes Dutzend Parlamentarier, die sich getraut haben, beim Fortpflanzungsgesetz Nein zu sagen).

Diese deprimierende Perspektive für die beiden wichtigsten und schlechtesten Gesetzesmaterien dieses Jahres ist – spätestens – seit dem Kasperltheater um den Untersuchungsausschuss für alle Österreicher klar. Für die Abgeordneten selber ist aber offenbar nicht klar: Je streichfähiger sie sich geben, um nur ja wiedergewählt zu werden, umso geringer ist ihre Chance, wiedergewählt zu werden. Auch wenn sie sich ständig von den Medien - oder eben der Regierung - vor sich herpeitschen lassen. Den Respekt der Bürger erringen sie damit gewiss nicht.

 

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