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Lehrer sollten mehr arbeiten

Michael Häupls Biertisch-Sager über seine 22-Stunden-Woche und die darauffolgende Diskussion über seinen Milch-Konsum (ich wusste eigentlich gar nicht, dass er einen solchen hat) haben eine sachliche Diskussion über die Lehrerarbeitszeit unmöglich gemacht. Das hat freilich auch schon zuvor die Bundesregierung bewirkt, die das Thema ohne jede Strategie aus einer alten Lade gezogen hat, und es seither mit der koalitionstypischen Widersprüchlichkeit und Unentschlossenheit zerredet.

Denn einerseits teilt uns die Regierung erstaunt über die Reaktionen mit: „Das ist ja ein uraltes Vorhaben, da kann man doch nicht überrascht sein darüber.“ Andererseits wird völlig konträr so argumentiert: „Wir wissen doch noch gar nicht, ob wir es überhaupt wollen. Warum wird dann darüber diskutiert?“

Einen nüchtern-distanzierten Standpunkt zur Frage der Lehrerarbeitszeit zu finden, ist aber auch jenseits des Herumeierns der Regierung schwierig. Denn es spielen viele sehr konträre Argumente hinein. Umso mehr sollte man aber eigentlich um einen Durchblick ringen.

Eine seriöse Diskussion heißt vor allem einmal: Man sollte sich von Einzelbeispielen lösen. Denn jeder kennt einen Lehrer, der toll engagiert ist. Jeder kennt aber auch Lehrer, die ihren Beruf prinzipiell nur als Halbtagsjob auffassen. So wie es halt Politiker gibt, die jede Woche 100 Stunden im Einsatz sind, aber auch Bürgermeister, die das schöne Leben genießen, sich mitten in der Woche regelmäßig freie Tage nehmen und auch am Wochenende nirgendwo im Einsatz sind.

Die wichtigsten Eckpunkte und Argumente zum Komplexbereich Lehrerarbeitszeit lassen sich jedoch ziemlich klar festmachen:

  • Es ist ein absoluter Wahnsinn, dass diese Diskussion regelmäßig einzig aus budgetären Nöten ausbricht, während nie die Schüler und die Bildungsnotwendigkeiten im Zentrum stehen.
  • Es ist aber auch ein absoluter Wahnsinn, wenn die Lehrergewerkschaft in ihrer Reaktion vor allem darauf verweist, wie viele Lehrerarbeitsplätze durch eine zweistündige Verlängerung der Lehrverpflichtung verloren gingen. Als ob das der wichtigste Aspekt wäre. Man baut ja (hoffentlich) auch keine chinesische Mauer quer durch Österreich, nur weil dadurch viele Jobs der Bauindustrie gesichert werden.
  • Es ist zweifelhaft und jedenfalls nie wirklich objektiv messbar, ob die Vorbereitung der Lehrer auf den Unterricht wirklich so viele Stunden in Anspruch nimmt wie behauptet. Ebenso zweifelhaft sind die dafür bei diversen Arbeitszeitstudien gemessenen (langen) Gesamtarbeitszeiten der Lehrer. Denn die beruhen letztlich ja immer zum Gutteil auf Selbstauskünften von Lehrern.
  • Es ist absolut absurd, Schulstunden eines Lehrers mit den gleichen Maßstäben im Hinterkopf zu messen wie die Arbeit in Büros oder Fabrikshallen. Wer jemals zwei Stunden vor einer Schulklasse vorgetragen hat, weiß, dass man danach mehr ausgelaugt ist als nach zehn Stunden in einer Redaktion.
  • Der Lehrerberuf ist in den letzten Jahren überdies auch noch anstrengender geworden, weil einerseits Konzentrations- und Disziplinprobleme auf Grund diverser Entwicklungen (wie etwa die Ersetzung des Lesens durch Internet und TV) bei den Schülern massiv zunehmen. Auch das immer öfter notwendige Unterrichten von Klassen voller Kinder mit fremder Muttersprache und ohne gemeinsame kulturelle Basis hat den Beruf extrem schwierig gemacht.
  • Eine illusionäre und populistische Bildungspolitik hat den Lehrern fast alle Mittel geraubt, um Kinder zu disziplinieren.
  • Es gibt trotz des vielen Politikergeredes noch immer keine Vorbereitungsklassen für fremdsprachige Kinder, damit sie die Unterrichtssprache und staatsbürgerliche, kulturelle sowie zivilisatorische Grundprinzipien beherrschen.
  • In einigen Bereichen – aber eben nur in einigen – ist das Unterrichten freilich auch wieder leichter geworden. In den AHS-Oberstufen werden die Kinder in den Wahlpflichtfächern auf viele Lehrer aufgeteilt, sodass jeder nur sehr kleine Gruppen unterrichten muss. Und in den Gesamtschulen stehen sechs Stunden pro Woche gleich zwei Lehrer in den Klassen, obwohl das gar keinen meßbaren Nutzen bringt.
  • Die massive Verweiblichung des Lehrberufs ist ein ganz massives Indiz, dass dieser Beruf tatsächlich vielfach als Halbzeitjob aufgefasst wird, der sich sehr gut mit familiären Aufgaben kombinieren lässt (der ob der Erwähnung solcher Fakten unreflektiert kommende Aufschrei der professionellen Feminismus-Lobby gilt als verlesen und kann nichts an den Tatsachen ändern).
  • Die Arbeitszeit der Lehrer ist in den letzten Jahrzehnten ständig reduziert worden – aber nicht die Wochenarbeitszeit, sondern die Unterrichtstage im Laufe eines Jahres. Durch Energieferien, durch Fortbildungsveranstaltungen, aber auch durch die immer beliebter werdenden (angeblichen) Sprachreisen. Diese Reisen während der Schuljahres sind ein glatter Diebstahl an den Kindern und deren (Aus-)Bildung, für die Lehrer jedoch meist ein bezahlter Auslandsurlaub. Die daran teilnehmenden Oberstufenschüler haben dabei zwar viel Spaß, machen aber meist nur wenig sprachliche Fortschritte. Besonders absurd sind solche Reisen, wenn nicht einmal die halbe Klasse daran teilnimmt, weil sich halt die Eltern schlicht einen zusätzlichen vierstelligen Eurobetrag nicht leisten können. Positives Gegenbeispiel sind hingegen jene Lehrer, die solche Reisen oder Sportwochen freiwillig während der Oster- oder Sommerferien anbieten und organisieren (ich kenne sehr konkrete Beispiele für das eine wie das andere).
  • Es ist ein echter Skandal, dass Lehrer (auch an AHS, auch in neugebauten Schulgebäuden) keinen eigenen Schreibtisch haben.
  • Auch wenn deren Effizienz zweifelhaft ist, ist es sicher suboptimal, und dass es fast kein psychologisches Unterstützungspersonal gibt.
  • Ein ganz schwerer Fehler sind die vielen Erlässe, Verordnungen und Weisungen, mit denen Ministerium und Landes(Stadt)schulräte die Arbeit der Lehrer immer mehr an die Leine zu nehmen versuchen.
  • Einer der allerschwersten Fehler des Schulsystems ist die Tatsache, dass es viel zu schwer und mühsam ist, pädagogisch oder nervlich ungeeignete Lehrer zu verabschieden.

Was also angesichts so widersprüchlicher Fakten tun? Da wären vor allem folgende Maßnahmen wichtig:

  1. Die budgetären Kosten ließen sich im notwendigen Ausmaß reduzieren, wenn man die Klassenteilungen in den Wahlpflichtfächern und die doppelte Lehrerpräsenz in NMS wieder abschafft.
  2. Im Interesse der Schüler und der Bildungsnotwendigkeiten wird die Unterrichtszeit um etwa zwei Wochen pro Jahr verlängert.
  3. Es braucht Vorbereitungsklassen und verbindliche Sprachstandsfeststellungen im vierten Lebensjahr mit klaren Konsequenzen, um die fremdsprachigen Kinder endlich sinnvoll ins Bildungssystem hereinzuholen.
  4. Für Kinder nach dem vierten Geburtstag, die nicht dem österreichischen Bildungssystem zugeführt werden, darf es auch keine Familienbeihilfen geben (Denn sonst wachsen weiterhin viele Kinder billig bei Großeltern in Anatolien auf, um dann etwa zum zwölften Geburtstag schnell nach Österreich gebracht zu werden: Hier sollen sie dann noch die Vorteile des österreichischen Systems  konsumieren, wie etwa die Ausbildungsgarantie in Lehrwerkstätten. Solche Kinder haben aber damit nie eine ausreichende Bildung bekommen).
  5. Abschaffung von Sprachreisen während des Schuljahres.
  6. Den Lehrern und Schulen müssen wieder mehr disziplinäre Maßnahmen gegen störende Schüler ermöglicht werden, wobei es natürlich nicht um Ohrfeigen oder den Einsatz von „Rohrstaberln“ gehen darf, wie Linke bei dem Stichwort „Mehr Disziplin“ immer automatisch behaupten; aber sehr wohl um Strafaufgaben, Nachsitzen, Ausschluss von beliebten Aktionen wie etwa einem Fußballspiel und letztlich auch einem Schulverweis.

Über eine Ausdehnung der wöchentlichen Lehrerarbeitszeit sollte hingegen erst dann gesprochen werden, wenn Österreich dort steht, wo Griechenland seit 2010 steht. Wenn also auch für alle anderen Berufe drastische Einschnitte wie Lohnkürzungen oder Arbeitszeitverlängerungen unvermeidlich sind. Noch ist es zum Glück zwar nicht so weit. Aber die Regierungspolitik steuert zielstrebig und mit ruhiger Hand auf diesen Crash zu.

 

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