Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Die Wiener Grünen stehen vor einem argen Scherbenhaufen. Der Wechsel ihres Abgeordneten Akkilic zur SPÖ genau vor einer entscheidenden Abstimmung, bei der sich die Grünen erstmals gegen die SPÖ zu stellen gewagt haben, ist für sie ein Riesen-Desaster.
Das ist freilich keineswegs der erste verblüffende Parteiwechsel bei den Grünen. Das löst beim Wähler die gleiche Sorge aus wie auch bei den rechten Oppositionsparteien FPÖ, BZÖ, TS, wo es ebenfalls schon allzuviele Übertritte/Wechsel/Austritte gegeben hat: Er bleibt immer im Ungewissen, welche Fraktionen denn die von ihm gewählten Abgeordneten in der nächsten Legislaturperiode wirklich stärken werden. Das ist weder vertrauenserweckend noch demokratiefördernd.
Dazu kommt: Dieses moralische Desaster eines Grünabgeordneten passiert genau zu dem Zeitpunkt, da sich die Grünen erstmals mutig zu einem moralischen Verhalten durchgerungen haben. Ansonsten haben die Grünen in Wien ja eine ganze Legislaturperiode der SPÖ die Mauer gemacht. Sie haben bis zuletzt ohne relevanten Widerstand das Weitergehen von Korruption, das Versagen im Gesundheitsbereich, die massive Medienbestechung, die bürgerfeindliche Bürokratie ermöglicht. Bisweilen haben sie dabei sogar aktiv mitgetan. Sie haben damit in Wien ihr Image komplett vernichtet, das sie sich anderswo als Aufdecker und Vorkämpfer gegen die Korruption erworben haben.
Aber zuletzt haben sie – wohl auch den Wahltag vor Augen – sich dann doch an das einstige Gelübde erinnert und sich in Sachen Wahlrecht gegen die SPÖ gestellt. An einer Wahlrechtsänderung haben die Grünen zwar auch ein Eigeninteresse; sie waren aber sicher auch darum bemüht, sich letztlich moralisch zu verhalten und nicht wortbrüchig zu werden.
Sachpolitisch fällt für die Grünen die Bilanz über die Jahre als Mehrheitsbeschaffer der SPÖ zwiespältig aus. Mit der Ausnahme Mariahilferstraße war man sich im Stadtsenat weitgehend einig. Rot wie Grün waren in Wien jahrelang einträchtige Vorkämpfer in Sachen Gesellschaftsveränderung. Schwulismus, Genderismus, Familienfeindlichkeit, Sprachzerstörung, Männerfeindlichkeit, Gleichmacherei, Leistungsfeindlichkeit, Blindheit gegenüber Sozialmissbrauch, Zuwanderungsförderung, Schuldenmacherei: All das wurde von beiden Rathausparteien ebenso konsequent wie einträchtig verfochten.
Das hat die traditionelle rote Basis bisweilen erstaunt. Aber sie hat es irgendwie hingenommen. Auch in jenen Bereichen, wo ein bürgerlich gewordener Facharbeiter innerlich eigentlich längst nicht mehr mitwill. Nur in einem Bereich nicht: in Sachen Verkehr. Da ist die grüne Radfahrerpartei massiv mit den SPÖ-Wählern kollidiert. Für die ist das Auto nämlich sehr wichtig. Das hat sich insbesondere beim Mariahilferstraßen-Krieg entladen. Dieser ist zeitweise zu einer schweren Belastung der Rathauskoalition geworden.
Die grüne Parteiführung hatte und hat aber nicht nur mit der roten, sondern auch mit der eigenen Basis Probleme. Und zwar mit zwei ganz verschiedenen Teilen dieser Basis. Einerseits gehört in Wien die Szene der gewalttätigen Demonstranten zum grünen Urgestein. Für die grüne Parteiführung waren aber Gewalttaten, die sehr nahe der eigenen Partei passieren, nicht ganz so angenehm.
Andererseits waren die Grünen auch die Partei, die ihre Wurzeln in städtischen Bürgerinitiativen hat. Mit diesen geriet die Parteiführung zuletzt aber total in Konflikt. Besonders frustrierend für diese einst primär grüne Bürgerinitiativen-Szene war und ist die Zustimmung der grünen Parteiführung zum Mega-Hochhaus neben dem Konzerthaus. Da stellt sich die Rathausmannschaft aus dubiosen Gründen an die Seite offensichtlicher Spekulation und hemmungsloser Profitmacherei mit Luxuswohnungen. Dabei zeigte sich, mit welcher eiskalten Brutalität die Vassilakou-Mannschaft über Bürgerinitiativen drüberzufahren bereit ist. Wie wenig ihr Ästhetik und Stadtbild-Erhaltung wert sind. Dasselbe miese und kulturlose Verhalten im Interesse von Bauspekulanten und Hässlichkeit legen die Grünen auch bei der Verbauung der Steinhofgründe und der Zerstörung von Neustift an den Tag.
Das ist für viele einstige oder potenzielle Grünwähler aus dem bürgerlichen Spektrum schwer enttäuschend. Dieses Verhalten von Vassilakou&Co ist moralisch für sie genauso mies wie der seltsame Fraktionswechsel eines einzelnen austrotürkischen Grünabgeordneten aus nicht sonderlich ethischen Motiven. Geht es dabei doch um die Politik der ganzen Partei und nicht nur um einen Einzelnen.
Dabei hätten die Grünen gerade in Wien soziologisch durchaus Chancen. Haben sie doch noch immer unter Studenten einen überdurchschnittlichen Wähleranteil. Und gibt es doch in Wien relativ viel mehr wahlberechtigte Studenten als in anderen Bundesländern. Ebenso ist in Wien die Kulturschickeria, also eine ebenfalls massiv rotgrüne Schicht, ebenfalls weit zahlreicher als sonstwo. Daher sind Rot und Grün in Wien aber auch weit linker als in anderen Bundesländern.
Ihre extrem linke Positionierung schadet den Wiener Grünen bei den Wählern aber jedenfalls. Denn jeder Wiener weiß, dass die Grünen letztlich immer nur Mehrheitsbeschaffer für die SPÖ sein können. Das bringt ihnen zwar einige Proteststimmen von Linken, die mit der SPÖ gerade aus irgendeinem Grund unzufrieden sind, die aber doch mit Sicherheit links wählen wollen. Das macht sie aber total unwählbar für alle jene, die meinen, dass hundert Jahre SPÖ-Herrschaft eigentlich schon aus demokratiepolitischer Hygiene genug wären.
Eine Konstellation wie beispielsweise in Wiener Neustadt ist in Wien daher noch länger undenkbar. Dort waren ja die Grünen bereit, sich ins gleiche Boot wie die FPÖ zu setzen, um die in Wiener Neustadt ebenfalls ewig scheinende Macht der lokalen SPÖ einmal zu beenden.
In Wien hingegen machen die Grünen mit ihrer totalen Absage an eine Kooperation mit Schwarz und Blau die einzige realistische Alternative zur SPÖ-Herrschaft unmöglich. Dies gilt vor allem deshalb, weil auch die neuantretenden Neos (die in Wien personell etwas attraktiver aufgestellt sind als anderswo) haargenau den gleichen Fehler begehen. Damit schießen sich die Grünen und eben auch die Neos selbst aus der Liste wählbarer Parteien für alle jene Wähler, die vor allem ein Ende der SPÖ-Herrschaft wünschen.
Diese aber sind nach dem seltsamen Überlauf des Herrn Akkilic zur Wiener SPÖ sicher noch viel zahlreicher geworden.
Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.