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Wenn der Papst sagt, vor hundert Jahren haben die Türken (an weit mehr als einer Million Armeniern) einen Völkermord begangen, dann tut er dies zweifellos aus ehrenwerten Motiven: Weil er davon überzeugt ist. Weil er es für die Wahrheit hält. Wenn freilich in Österreich in Bälde jemand dasselbe sagt, dann weiß man nicht mehr: Sagt er das, weil er es wirklich für die Wahrheit hält? Oder sagt er nur deshalb nicht das Gegenteil, weil das neue totalitäre Brandstetter-Strafgesetz ihn dazu zwingt?
Selbst der Papst müsste sich bei einem eventuellen Österreich-Besuch an das Strafgesetz halten, wäre er nicht als ausländisches Staatsoberhaupt immun, also nicht den Gerichten unterworfen. Sonst sollte er unbedingt auch alle anderen Völkermorde wissen, die dann in Österreich als Wahrheit zu glauben vorgeschrieben sind.
Bei manchen Genoziden aus viel jüngerer Vergangenheit hätte der Papst freilich Probleme mit der mutmaßlichen Vergangenheit. Man denke etwa an das Ruanda-Genozid am Stamm der Tutsi (1994 wurde dabei fast eine Million Menschen abgeschlachtet und alle Welt schaute weg). Der Papst wird dafür nicht diesen Ausdruck verwenden, weil da ja auf der Täterseite katholische Kreise involviert gewesen sind.
Heikler macht das neue Gesetz die Lage für den ORF. Denn er ist ja rechtlich vor dem Strafgesetz nicht exemt. Daher wäre seine jetzige Berichterstattung über das Völkermord-Wort des Papstes rechtlich problematisch. Denn er hat sich von der Haltung des Papstes distanziert und das Wort „Völkermord“ nur in Anführungszeichen geschrieben. Wahrscheinlich denkt man dort ja automatisch, dass sich ein echter Linker prinzipiell von jedem Wort des Papstes zu distanzieren hat (wohl erst wenn die Kirche homosexuelle Verpartnerungen als künftige Pflichtvoraussetzung für Priesterweihen dekretiert, könnte da für rotgrüne Einheitsdenker ein Umdenken einsetzen).
Ob eine solche ORF-Distanzierung vom armenischen Völkermord nicht nach dem künftigen Strafgesetz strafbar sein wird?
Vielleicht. Wohl nicht strafbar, aber massiv manipulativ und damit falsch ist jedenfalls das diesbezügliche Insert in der „ZiB“ gewesen: „Protestwelle nach Papst-Aussage“. Dieser Wortlaut lässt jeden unbefangenen Zuseher auf einen massiven Patzer des Kirchenoberhaupts schließen. Dabei hat es nur in einem einzigen Land der Erde Proteste gegeben, eben in der Türkei. Dort will man ja auch nach hundert Jahren nicht zugeben, dass die eigenen Vorväter einen Völkermord begangen haben.
Damit aber kommt jeder Türke, der künftig in Österreich den Völkermord an den Armeniern leugnet, mit dem hiesigen Strafgesetz in Konflikt. Egal ob als nur kurz vorbeischauender Politiker oder als in Österreich lebender Migrant.
Die einzige Hoffnung, dass uns solche skurrilen Entwicklungen und außenpolitischen Verwicklungen erspart bleiben, besteht darin, dass dieses schwachsinnige Brandstetter/Heinisch-Hosek-Gesetz als Ganzes im Altpapier-Container landet. Wo solche Meinungsgesetze der Political-Correctness-Diktatur hingehören. Wir haben genug echte Sorgen in der Gegenwart.
Was nicht heißt, dass ich nicht vollste Sympathie für die ermordeten Armenier hätte. Oder Tutsis. Oder andere Opfer von Völkermorden. Aber über Wahrheit und Irrtum, Verzerrung und Lüge bei historischen Ereignissen sollten nie Gesetzgeber und Richter entscheiden. Weder bei der Frage, ob der Adam-und-Eva-Schöpfungsbericht der Genesis noch bei jener, ob Fakten-Behauptungen des Korans wörtlich genommen werden müssen. Unbestreitbares Faktum ist in Wahrheit nur: Das eine darf man in einigen US-Bundesstaaten nicht leugnen, das andere nicht in fast 50 islamischen Ländern.