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Christoph Schönborn hat jetzt die österreichische Kirche auf eine neue – und erstaunlich weise Argumentationslinie hingelenkt: Sie solle künftig bei politischen Fragen "nicht glaubensbegründete Argumente" verwenden, sondern so sprechen, dass es "auch Menschen außerhalb der Kirchen anspricht". Statt konfessioneller Standpunkte solle die Kirche "im Sinne der Menschenrechte und des Naturrechts" argumentieren. Das führt – ohne dass Schönborn dieses Wort in den Mund nimmt – absolut zu einem Schulterschluss mit dem klassischen Liberalismus.
Dieser hat nichts mit jener Karikatur des Liberalismus zu tun, wie sie heute etliche Politiker und Journalisten verwenden. Sie setzen das Wort liberal in Tarnabsicht oder im amerikanischen Sinn als Synonym für sozialdemokratisch ein. Der Ausdruck „Sozialdemokratie“ ist ja in den USA so unpopulär, dass sich die Linke dort lieber als „liberal“ bezeichnet. Das tun seit einigen Jahren auch viele der europäischen Linken, weil der von ihnen nach wie vor angestrebte Sozialismus halt nicht mehr so attraktiv klingt. Dabei war für sie einige Jahre davor "liberal" noch ein Schimpfwort.
Schönborns Denken hat sich zumindest in seinen jüngsten Äußerungen nicht diesem Tarnwort für „sozialdemokratisch“ angenähert, sondern er steht heute erstaunlich und eng beim traditionellen europäischen Liberalismus. Das tut der Kirche absolut gut. Das beendet einen absurden Konflikt zwischen Katholizismus und Liberalismus, der fast drei Jahrhunderte lang die europäische Geistesgeschichte belastet hat. Denn weder kann die Kirche gegen Freiheit, Menschenrechte und Vernunft sein, noch können echt Liberale übersehen, dass diese – ihre(!) zentralen Werte nirgendwo so tief wurzeln wie in den christlich geprägten Teilen der Welt.
Daher ist jetzt der Schönbornsche Kampf für die „Vertragsfreiheit“ einer, der zwar in dieser Formulierung aus dem Mund eines Kardinals ungewohnt ist, den aber jeder wirklich Liberale nur voll unterstützen sollte. Schönborn kämpft mit dem Argument der Vertragsfreiheit vor allem gegen den von den Linken geplanten Zwang, der sich unter dem scheinbar nichtssagenden Wort „levelling up“ verbirgt.
Die Sozialisten wollen damit gesetzlich einen tief ins Privatleben jedes Einzelnen gehenden Gleichbehandlungszwang dekretieren. Sie wollen damit, dass jeder jüdische Hotelbesitzer einer fundamentalistisch islamischen Gruppe seine Veranstaltungsräume vermieten muss. Dass eine konservative Frau ihr Untermietzimmer gegen ihren Willen auch an einen demonstrativen Schwulen hergeben muss. Dass sich ein katholisches oder jüdisches oder islamisches Ehevermittlungs-Institut seine Kunden nicht mehr auf Angehörige einer Religion beschränken darf.
Diese Pläne sind ein – weiterer – ungeheuerlicher Eingriff des Molochs Staat in die Privatautonomie der Menschen. Noch schlimmer ist, dass die linken Regulierungsfanatiker dabei sogar die Beweislast umkehren wollen, dass sich also die genannten Hotelbesitzer und Zimmervermieter selbst freibeweisen müssen, dass sie selbst ihre „Unschuld“ beweisen müssen, also warum sie nicht an Fundamentalisten oder Schwule vermietet haben. Jedenfalls will die SPÖ nun schon zum dritten Mal binnen weniger Jahre einen einschlägigen Gesetzestext im Parlament einbringen.
Dass SPÖ und Grüne die Freiheit der Menschen immer mehr einschränken wollen, hat sich ja schon hundertfach gezeigt. Dass sich aber die angeblich liberalen Neos nicht massiv gegen solche Pläne aussprechen, ist eigentlich unfassbar. Jeder wirklich Liberale muss sich freuen, dass nun Schönborn so deutlich gesprochen hat, da ja die - immer leicht zum Umfallen neigende - ÖVP noch immer ein wenig auf die Kirche hören dürfte.
Mit dem liberalen Argument der Freiheit hat Schönborn jetzt auch die beste Argumentation gefunden, warum der Staat Ärzte, Krankenschwestern und Spitäler nicht zwingen dürfe, bei Abtreibung oder Euthanasie mitzumachen, wenn sie dies ablehnen.
Wenn die Jahrhunderte die Kultur dieses Landes prägende Kirche in der neuen Diaspora-Situation ihre Wertvorstellungen nicht mehr dem Staat aufzwingen kann, ist das in mancher Hinsicht durchaus gut. Man denke etwa an den unsinnigen Kampf der Kirche gegen Scheidungen, der oft sehr lange gedauert hat. Aber dort, wo sich die Kirche heute für Freiheit, Menschenwürde, Vernunft einsetzt, ist sie goldrichtig unterwegs, ist sie vor allem bei ihrem Gründungsauftrag.
Und außerdem ist mir eine Kirche tausend Mal lieber, die sich mit wirklich Liberalen verbündet, als eine, die in einem Bündnis mit der kommenden Islam-Herrschaft ihre Zukunft sucht.