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Empörung, Frustration, Apathie, Wut, Zorn, Entsetzen, Sprachlosigkeit: Das sind die Reaktionen fast aller Österreicher, die man – hinter dem Jubel bei ÖGB, bestochenen Zeitungen und politisch finanzierten Vereinen wie dem Wifo – zum gewaltigen Belastungspaket hören kann. Seit Bruno Kreiskys Zeiten hat es im Nachkriegsösterreich noch nie eine so gewaltige Umverteilung von Leistungsträgern zu Nichtleistungsträgern gegeben. Noch nie sind Familien und Unternehmer so arg verhöhnt worden. Das besonders Unfassbare: Gegen Kreiskys Umverteilung hat das ganze bürgerliche Österreich einschließlich der ÖVP getobt. Jetzt tobt wieder das ganze bürgerliche Österreich gegen mindestens ebenso gravierende (weitere) Umverteilungen. Aber leider ohne ÖVP. Denn die ÖVP ist vom Feind zum Mittäter der Umverteilung geworden.
Man fasst es einfach nicht, warum die Mitterlehner-ÖVP dem Paket zugestimmt hat. Sie hat ja keinen einzigen ihrer Werte und kein Anliegen ihrer Wähler auch nur einen Millimeter verwirklichen können. Sie hat nur ein paar noch ärgere SPÖ-Forderungen abgewehrt. Sie hat aber der SPÖ einen Riesenerfolg verschafft.
Man wird in diesen Stunden von großer Nostalgie nach Michael Spindelegger gepackt, der als Ehrenmann lieber zurückgetreten ist, als so etwas mitzuverantworten. Denn jetzt ist genau das passiert, was offenbar schon im letzten Sommer einige schwarze Strippenzieher wollten und was Spindelegger halt als erster zu spüren bekommen hat. Erst jetzt wird einem ganz klar, wie tausendprozentig recht er damals hatte, als er davon sprach, dass sich in der ÖVP die Populisten durchgesetzt hatten. Und es waren ja in der Tat genau die Spindelegger-Killer – die Landeshauptleute Wallner und Pühringer und sein Nachfolger Mitterlehner – die jetzt bei den Geheimverhandlungen den Sozialisten die Zustimmung zu diesem Paket gegeben haben.
Aus Dummheit? Aus Feigheit? Aus Angst um den eigenen Job? Weil sie im Grund ihres Herzens längst schon Sozialisten sind?
Wie auch immer: Die Rechnung für die ÖVP-Populisten wird schlimm werden. Die ÖVP hat sich mit diesem Paket freiwillig und ohne Not in einen Abwärtsstrudel gestürzt, der nicht mehr rückgängig zu machen ist.
Es können nämlich nur die allerschlichtesten Parteigehirne nach Studium aller Details des Belastungs- und Umverteilungspakets noch meinen, dass da irgendwo ein Erfolg für die ÖVP zu finden wäre – oder für die Werte, für die die Volkspartei einst gestanden ist. Gewiss, es gibt keine Vermögens- und Erbschaftssteuern im engeren Sinn, von denen die SPÖ immer geredet hat. Bei Studium des Kleingedruckten hätten sie aber erkennen müssen, dass allein die Grunderwerbssteuer eine besonders schlimme und belastende Form der Erbschaftssteuer ist.
Diese gewaltig nach oben geschnalzte Steuer ist nicht nur der Höhe nach schlimm. Sie ist gleichzeitig auch extrem familienfeindlich. Denn jede Besserbehandlung von Kindern im Erbsfall wird jetzt eliminiert. Ein Großteil der Familien, bei denen den Kindern ein schönes Einfamilienhaus vererbt wird – und das ist genau das, was der ganze Stolz liebevoller und pflichtbewusster Mittelklasse-Eltern ist –, wird in den nächsten Jahren entdecken, dass sie dank SPÖ und ÖVP nunmehr eine konfiskatorische Steuer bezahlen müssen.
Mit Zustimmung einer Möchtegern-Familienpartei, von der sich nun alle Familien hineingelegt fühlen.
Nächster Wahnsinn: Selbst wenn überraschenderweise das Kalkül der Regierung aufgehen sollte, dass die nun ein wenig höheren Netto-Bezüge trotz der sich rapide ausbreitenden Krisenstimmung den Konsum und damit die Steuereinnahmen ein wenig ankurbeln, ist das sowohl volkswirtschaftlich wie moralisch falsch. Denn in Wahrheit wird kurzfristiger Konsum gefördert, aber die Zukunft geopfert. Denn das Paket bringt ansonsten für Leistungsträger, Familien, Sparer und Investitionen absolut nichts. Außer Belastungen. Aber genau das wären die entscheidenden Zukunftsfaktoren – und nicht die momentanen Konsumgelüste von Gewerkschaftsfunktionären, die wie die Eisenbahner schon bald nach dem 50. Geburtstag in Pension gehen wollen. Die noch dazu im internationalen Vergleich extrem üppig ausfällt.
Genauso empörend ist die Ausrufung des nun schon fast totalen Überwachungsstaates, die Beseitigung des Bankgeheimnisses, die Aufstockung der staatlichen Prüferhorden oder die Registrierkassenpflicht.
Die Volkspartei – einst liberal gewesen – hat all das hingenommen, ja sie bejubelt es. Und niemand weiß warum. Es hätte nämlich genügt, zu den SPÖ-Forderungen „Nein“ zu sagen.
Es hätte genügt, den Sozialisten klar und öffentlich zu sagen: „ZUERST muss es Klarheit geben, wo eingespart wird und wann vor allem das Pensionssystem wirklich reformiert wird; und ERST dann stimmen wir einer Einkommensteuersenkung zu. Neue und höhere Steuern mit welcher Bezeichnung auch immer, eine Erhöhung der Lohnnebenkosten, einen totalitären Kontrollstaat: Das alles wird es mit uns nie geben. Das könnt ihr fordern, solange ihr wollt. Das könnt ihr höchstens dann machen, wenn ihr mit den Grünen einmal eine Mehrheit erringen solltet. Oder wenn ihr doch einmal wieder mit den Blauen packelt, die ja auch gelegentlich ähnliche Tendenzen zeigen. Wir werden es jedenfalls massiv bekämpfen, weil es schlecht für Österreich ist.“
Das war auch ungefähr das, was Spindelegger gesagt hat. Das war noch viel mehr das, wofür Wolfgang Schüssel immer gekämpft hat, als Vizekanzler ebenso wie als Bundeskanzler.
Reinhold Mitterlehner hat jedoch mit einem Schlag die gesamte Identität der ÖVP zunichte gemacht. Nur damit er ins Amt kommt, hat er mit ein paar provinziellen Verbündeten den katastrophalen Fehler gemacht, der SPÖ die vom ÖGB geforderte Einkommensteuersenkung zuzusagen, ohne dafür wenigstens irgendwelche Gegenleistungen einzuhandeln.
Ja, manche Sozialisten sind jetzt sogar selbst überrascht, wie viel sie erreicht haben. Und zugleich können sie weiterhin vorspiegeln, dass sie nachgegeben hätten, weil es ja keine Vermögens- und Erbschaftssteuer im eigentlichen Sinn gibt. Dass das nur ein Zwischenerfolg beim ständigen Salamischneiden ist.
Mitterlehners Verhalten ist psychologisch nur dadurch erklärbar, dass er damit an die Macht kommen konnte, und dass er Angst vor einem Platzen der Koalition hat. Die Zustimmung eines Christoph Leitl zu all dem ist noch viel unbegreiflicher. Dieser Mensch kann ja nichts mehr werden. Und dennoch stimmte er dem schwersten Anschlag auf hunderttausende Unternehmer seit Menschengedenken zu. Obwohl er immer vorgegeben hat, die Interessen der Wirtschaft zu vertreten.
Das „Schlimmste“, was der ÖVP bei einem grundsatztreuen Nein passieren hätte können, wäre ein Rücktritt von Werner Faymann und/oder der Schritt der SPÖ zu Neuwahlen. Na und, kann man da nur fragen. Eine Partei, die für irgendetwas steht, bräuchte sich vor beidem nicht zu fürchten. Eine Partei, die FÜR die Leistungsträger, für eine massive Senkung der Staatsquote, für die Familien, für den Schutz der Privatheit, für eine echte Vielfalt und Autonomie des Schulsystems und für das Eigentum als zentralem Inbegriff bürgerlicher Freiheit steht, hätte allemal gute Chancen auch bei Neuwahlen. Eine grundsatztreue Haltung ist – selbst gegen den Wind der Medien – zehn Mal mehrheitstauglicher als Sesselkleberei und Umfallerei. Oder auf der anderen Seite der SPÖ-Einsatz für die Ausgleichszulagenbezieher.
So hat die ÖVP mit Garantie keine Zukunftschancen mehr. Statt für ihre eigenen Reformanliegen zu kämpfen, schanzt die Mitterlehner-ÖVP der Arbeiterkammer noch viel mehr Geld zu, als sie ohnedies jetzt schon hat! Dabei agitiert die AK immer als propagandistische Speerspitze für die SPÖ (bekanntlich? Der ÖVP offenbar doch nicht bekannt). Faktum ist: Die AK ist in aller Stille einer der größten Profiteure der Erhöhung der Höchstbeitragsgrenze in der Sozialversicherung. Diese müssen Mittelstand und Leistungsträger zahlen – einstige ÖVP-Stammwähler.
Geht’s noch irgendwie? Oder beantragt diese Partei freiwillig, unter Sachwalterschaft gestellt zu werden?
Was aber noch viel schlimmer ist: Die Regierung hat Österreich mit diesen Beschlüssen endgültig und rettungslos in die Krise gestürzt. Ihr Verhalten erinnert immer mehr an Griechenland. Auch dort gibt man ja in blinder Realitätsverweigerung vor, den Staat durch Jagd auf – gutteils imaginäre – Steuersünder sanieren zu können; und durch die steuerlich wirksamen Rückflüsse von Steuersenkungen.
Zwar trägt ganz eindeutig die SPÖ die Hauptverantwortung an dem Katastrophenpaket, aber die Mitterlehner-ÖVP hat freiwillig die volle Mitverantwortung übernommen. Mitterlehner hat damit den entscheidenden schweren Fehler seiner Karriere gesetzt. Er gleicht damit einem Josef Pröll, der einst ebenfalls unfähig oder zu feig war, Nein zu sagen, als ihm Bayern die Hypo Alpe Adria aufzwang. Auch Mitterlehner hätte einfach nur Nein sagen müssen.
Ach ja: In diesen Stunden hat noch jemand seinen Zauber verloren, all seine Perspektiven vernichtet und sich ebenfalls als feige und überfordert erwiesen: ein gewisser Hans Jörg Schelling. Das ist der rasche Tod einer bürgerlichen Zukunftshoffnung. Dabei wäre Schelling wohl in einem Jahr Kanzler geworden, wenn er jetzt Nein gesagt und abgedankt hätte.
Man sollte sich aber auch jeden einzelnen ÖVP-Abgeordneten anschauen, der im Parlament nun diesem Paket zustimmt. Und jeden WKO-Funktionär, der Christoph Leitl nach seinem knieweichen Totalumfaller dennoch zum WKO-Präsidenten wählt. Auf beiden Ebenen würde es Revolutionen geben, wenn dort nicht mehr nur Hampelmänner säßen. Und wenn diese Partei noch irgendeine bürgerliche, liberale, Konservative Substanz hätte. Ja: würde . . .