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Die Media-Analyse war noch nie so erstaunlich und zugleich potentiell folgenreich wie diesmal, da sie das Jahr 2014 bilanziert. Denn die Studie zeigt eine abenteuerlich steile Talfahrt der Kronenzeitung. (mit nachträglicher Ergänzung)
Die Kleinformat-Zeitung, die im ersten Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende in vielen Jahren Leseranteile über 43 Prozent errungen hat, liegt nun bei bescheidenen 31,6 Prozent. Das ist gewiss noch immer viel. Das zeigt aber einen weit tieferen Absturz, als ihn die meisten Parteien, Kirchen oder der Gewerkschaftsbund in der gleichen Zeit hinnehmen mussten.
Der formaljuristischen Korrektheit halber sei hinzugefügt, dass die Media-Analyse-Plattform wie fast jedes Jahr sagt, dass wegen einer „Methodenumstellung“ die Ergebnisse nicht mit früheren verglichen werden können. In Wahrheit aber wird das auf Verlangen teilnehmender Medien fast alljährlich deshalb getan, weil diese durch ein Vergleichsverbot die eigene Entwicklung besser verwischen wollen.
Daher wird von niemandem das Vergleichsverbot beachtet. Tatsache ist, dass 2014 bei fast allen anderen Tageszeitungen die Leser-Werte im Vergleich zu früheren Jahren recht konstant geblieben oder auch leicht gestiegen sind. Lediglich bei den Wochenprodukten gibt es einige rätselhafte Seltsamkeiten.
Zurück zum Absturz der Kronenzeitung. Dieser kann nicht auf einen Boom der Gratiszeitungen zurückgeführt werden, obwohl viele diesen Zusammenhang zu sehen glauben. Denn erstens haben trotz der ja auch für die anderen wirksamen Gratiskonkurrenz fast alle übrigen Zeitungen leicht dazugewonnen. Zweitens verzeichnen die Gratisblätter nicht einmal ein minimales Plus. „Heute“ ist mit 13,8 Prozent konstant geblieben; und „Österreich“ hat mit 9,5 einen halben Prozentpunkt verloren.
Der Absturz der Krone hat andere, hausgemachte Ursachen. Und er hat interessante Folgen.
Zu den Ursachen zählt vor allem der journalistische Qualitätsverfall des Blattes. Weil der geniale Blattmacher Hans Dichand verstorben ist, und weil in all den Jahren davor meist von Dichand selbst aus der Krone vertriebenen Könner heute dort nicht mehr vorhanden sind, gleicht das Blatt langweiliger Wüste. Der Dichand-Sohn scheint kontaktgestört, und er ist ganz sicher journalistisch unbegabt. In der journalistischen Mannschaft ist kein einziger interessanter Autor mehr erkennbar.
Dieser Problemkreis potenziert sich mit der auch für schlichte Menschen erkennbaren und der Glaubwürdigkeit sehr schadenden Nähe der Zeitung zu den Herrn Häupl und Faymann. Dazu kommt, dass diese beiden Politiker ja selbst in steiler Image-Talfahrt liegen. Dazu kommt die auch bei nur durchschnittlicher Intelligenz erkennbare Tatsache, dass diese Nähe mit der unglaublichen Menge an Bestechungsinseraten aus dem Machtbereich dieser Herren zusammenhängt. Der dritte Grund des Leserverlusts ist das weitgehende Einschwenken des Blattes auf Political Correctness. Längst ist in der linken Szene das jahrzehntelang pflichtgemäße Naserümpfen über die Krone einer satten Zufriedenheit mit ihr (und den beiden Gratis-Boulevardblättern) gewichen.
Für eine solche Zeitung auch noch Geld hinzulegen, widerstrebt immer mehr Menschen. Da lesen sie lieber gar keine Zeitung.
Das lässt sich auch am Rückgang des Prozentsatzes jener Österreicher erkennen, die noch irgendeine Zeitung lesen („Nettoreichweite“). Deren Anteil ist in den letzten Jahren von 75 auf 69 Prozent gefallen. Auch bei den Gratiszeitungen ist offensichtlich das Limit erreicht, obwohl diese Blätter deutlich schwungvoller wirken als die Krone (was freilich keineswegs heißt seriöser). Das Limit besteht schon darin, dass nicht jeder U-Bahn fährt oder diese Art Boulevard auch nur in die Hand nehmen will.
Daten aus anderen Ländern zeigen, dass bei der Nettoreichweite noch ein weiter Sturzraum nach unten möglich ist. Immer mehr einstige Zeitungsleser begnügen sich heute mit dem Internet.
Bei der „Krone“ kommen zu diesen Zahlen die immer dichter werdenden Gerüchte dazu, dass das Blatt auch von (einst üblichen) Bilanz-Gewinnen weit weg sei.
Das alles ist demokratiepolitisch gut für Österreich. Denn es ist unerträglich, wenn man auch von relativ mutigen Politikern immer wieder hört, gegen das Diktat der Kronenzeitung könne man ohnedies keine vernünftige Politik machen. Mit dem Siechen der Krone entsteht nun wieder mehr Raum und hoffentlich Bereitschaft zum Selberdenken. Damit wächst auch die Chance, dass die politische Klasse nun doch den Weg zur direkten Demokratie freigibt, den sie bisher gefürchtet hat. Sie hat ja immer behauptet, dass die direkte Demokratie einen noch größerem Einfluss für die Dichand-Zeitungen schaffen würde.
Freilich: Zumindest ein Werner Faymann wird sich auch weiterhin von der Krone am Nasenring führen lassen. Das empfindet er selber wohl nur deshalb als problematisch, weil er auch noch einen zweiten Nasenring hat, an dem aber nicht immer in dieselbe Richtung gezogen wird. An dem zieht nämlich der ÖGB. Und auf den hat Faymann seine ganze innerparteiliche Karriere gestützt.
Eigentlich hätte Faymann umgekehrt auch selbst eine Leine in der Hand, an der wiederum die Krone hängt: Das sind die gewaltigen (und in Rechtsstaaten eigentlich undenkbaren) Steuergeldflüsse aus dem SPÖ-Machtbereich in diesen Verlag. Diese Millionen sollten Faymann eigentlich auch umgekehrt etlichen Einfluss auf die Kronenzeitung geben. Aber da Faymann gar keine eigenen über den persönlichen Machterhalt hinausgehenden politischen Ziele hat, sind in der Realität die Vorgaben der Krone an Faymann viel stärker bemerkbar als eventuelle Anliegen Faymanns an die Krone.
Ein Beispiel sind die von der Familie Dichand abgelehnten Erbschaftssteuern. Diese hat sich Faymann – trotz des anderslautenden ÖGB-Verlangens – letztlich recht leicht von der ÖVP abringen lassen. Er wollte es sich ja ohnedies nicht wirklich mit den Dichands verscherzen. Daher hat er das Erbschaftssteuer-Thema eher nur als Verhandlungs-Chip verwendet.
Ein noch aussagekräftigeres Beispiel ist das Freihandelsabkommen TTIP. Das wird ebenfalls von der Krone abgelehnt. Was Faymann brav ausführt. Er übersieht dabei nur, dass er mittlerweile der einzige regierende Sozialistenchef in der EU ist, der TTIP ablehnt. Das wird in Europa langsam peinlich für ihn. Gerade die einst skeptischen deutschen Sozialdemokraten kämpfen jetzt sehr für TTIP, seit sie erkannt haben, wie wichtig der Freihandel mit Amerika – und in der Folge auch mit Asien – für Arbeitsplätze und Wohlstand ist. Und sie wissen auch, dass zu einem solchen Abkommen auch unbedingt Schiedsklauseln dazugehören, gerade im europäischen Interesse.
Die nun erkennbar gewordene Schwächung der Kronenzeitung könnte vielleicht jetzt doch dazu führen, dass der SPÖ-Chef endlich einmal anfängt, selbst über Österreichs und Europas Interessen nachzudenken. Diese Interessen würden zweifellos in den nächsten Monaten ein Ja zu Freihandelsabkommen samt Schiedsgerichten zum allervordringlichsten Anliegen machen.
Die Media-Analyse signalisiert: Das Tor öffnet sich. Jetzt müsste man nur auch die Courage haben durchzugehen. Das gilt primär für Faymann. Aber letztlich auch für alle anderen Parteien, wo noch immer viele die siechende Kronenzeitung mit der öffentlichen Meinung verwechseln.
Nachträgliche Ergänzung: Es ist irgendwie bezeichnend, dass gleichzeitig mit dem Bekanntwerden der Media-Analyse der Krone (und dem Fellner-Blatt "Österreich") der katastrophale fehler passiert, einen anderen Mann als angeblichen Copiloten der abgestürzten Germanwings-Maschine abzubilden. Halt irgendwo in Twitter gefunden. Und der Vorname des Abgebildeten war ja eh der gleiche wie jener des Selbstmörders. Und schon war der Mann am Titelbild. Unverpixelt. Das zeigt: Die Leser haben völlig recht mit ihrer Abwendung von der "Krone". Sie lassen sich nur eine Zeitlang mit Schmarrn hineinlegen. Aber nicht auf Dauer.