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Griechischer Schwachsinn mit einer Prise Sinn

Die neue griechische Regierung gibt zur Verteidigung ihres wahnwitzigen Wirtschaftskurses so viel politischen Unsinn und Provokationen von sich, dass man geradezu überrascht ist, wenn sie auch einmal ein richtiges Argument verwendet.

Zur Erinnerung eine kleine Auswahl aus den Provokationen und Unsinnigkeiten der griechischen Machthaber:

  • Außenminister Kotzias wörtlich: „Das ist kultureller Rassismus, was uns angetan wird.“ Wer das Verlangen, endlich mit dem Schuldenmachen aufzuhören und einen Teil der Schulden zurückzuzahlen, mit solchen Hass-Formulierungen beantwortet, nimmt sich selbst aus jeder rationalen Diskussion heraus.
  • Ein anderes Argument desselben Kotzias: Griechenland habe ein Recht auf einen (neuerlichen) Schuldenschnitt, weil den einst Nachkriegsdeutschland auch bekommen hat. Er vergisst nur, dass Deutschland damals eine erfolgreiche und daher in den Augen der Gläubiger total glaubwürdige Sanierungspolitik betrieben hat. Was Griechenlands neue Regierung halt gar nicht tut. Herr Kotzias übersieht nebstbei auch, dass das deutsche Wirtschaftswunder vielen anderen Ländern sehr genutzt hat, und dass Deutschland sehr wohl sehr viel Wiedergutmachung geleistet hat (von Israel bis – ja auch Österreich).
  • Premierminister Tsipras behauptete mehrmals, vor allem Spanien und Portugal wollen seine Regierung stürzen. Das bestätigt die alte Erkenntnis: Paranoia und Verschwörungstheorien sind immer Eckpfeiler extremistischer Politiker. In Wahrheit kann es kein Krisenland hinnehmen, das wie Spanien, Portgual oder Irland bittere und harte, aber inzwischen weitgehend erfolgreiche Sanierungsjahre hinter sich hat, wenn ein anderes EU-Land ohne Sanierungsanstrengungen ständig Geld abkassieren will. Wenn das durchginge, würden in jedem EU-Land Parteien zum Zug kommen, die ihr Land und Europa unbekümmert mit haltlosen Versprechungen in den Graben fahren.
  • Eine weitere oft verwendete Argumentation: Ohne Griechenland in der EU werden zig Millionen Immigranten und Tausende Dschihadisten in die Union kommen. Die Wahrheit ist: Die sind schon längst gekommen, auch mit Griechenland als EU-Mitglied. Und sie werden leider in großer Zahl weiterkommen, mit und ohne Griechenland. Sie kommen über Ägypten und Libyen nach Lampedusa und Sizilien; übers Schwarze Meer; von der Türkei in die Adria; auf dem Landweg über Bulgarien und Exjugoslawien. Solange EU-Länder diese Immigranten nicht konsequent sofort wieder abschieben und solange sie vor allem in Deutschland, Schweden und Österreich sehr aufwendig betreut werden, werden immer mehr Zuwanderer (samt Fundamentalisten) kommen. Egal, was Griechenland tut.
  • Ein weiteres Argument des Herrn Kotzias ist in eine rhetorische Frage gekleidet: „Habt ihr euch gefragt, ob diese Generation proeuropäisch sein kann?“ Griechenlands Jugend höre nämlich von Europa immer nur von Bestrafung und Sanktionen; aus dieser Generation drohe daher Chaos, Rechtsextremismus und Dschihadismus zu erwachsen. Durchaus möglich – aber das droht in Wahrheit deshalb, weil Griechenlands Politiker selbst diese Jugend jahrzehntelang angelogen haben. Weil sie ihr vorgegaukelt haben, dass man dauerhaft auf Kosten anderer leben könne, dass Eigenverantwortung nur ein böses neoliberales Wort sei.
  • Fast noch seltsamer ist der jüngste Vorschlag des Finanzministers Varoufakis, dass Griechenland wieder neu wählen oder ein Referendum abhalten soll. Das kann nur dreierlei heißen: Entweder hat die extreme Linke schon überraschend früh eingesehen, dass sie völlig unfähig zum Regieren ist, und will die Macht wieder abgeben. Oder sie glaubt ernsthaft, Dauerwahlkampf ersetze eine Sanierungspolitik. Oder sie ist so naiv anzunehmen, mit ständigen Wahlkämpfen mache man Deutschland&Co williger,  noch mehr Milliarden in ein griechisches Fass ohne Boden zu schütten.

Der einzige Vorhalt der Griechen, der wenigstens ein Minimum an Logik hat, betrifft den Vergleich zwischen Krim und Nordzypern. Die Griechen flirten ja derzeit intensiv  mit Russland. Sie glauben köstlicherweise, künftig von Moskau ausgehalten zu werden. Das ist zwar in Anbetracht von Russlands eigener Krise eher nur dumm. Aber Linke halten halt immer noch Moskau so hoch wie Katholiken Rom. Und Griechenland hat natürlich das Recht, solches zu versuchen.

Auch mit dem Vergleich haben die Griechen Recht, wenn sie der EU zweierlei Maß vorhalten und ihr vorwerfen: Die russische Invasion in der Krim und in der Ostukraine werde mit Sanktionen beantwortet, nicht aber die seit 1974 bestehende türkische Besetzung Nordzyperns. Da hat Europa tatsächlich ein blindes Auge.

Freilich sollte Athen, das ja die Schutzmacht des von Griechen regierten Südzyperns ist, auch dieses richtige Argument nicht allzu sehr strapazieren: Denn ein unter jahrelanger UNO-Vermittlung ausgehandelter Plan der Wiedervereinigung Zyperns ist am Veto der griechischen Südzyprioten gescheitert. Während die Türken Ja gesagt haben. Es scheint also den Griechen der zypriotische Status quo durchaus nicht so unangenehm zu sein, wie sie tun.

Übrigens ist auch das Verhalten Athens gegenüber Mazedonien – einem Zerfallsprodukt des jugoslawischen Auseinanderfallens – glatter Chauvinismus, wenn nicht sogar Imperialismus. Denn die Griechen verbieten in allen internationalen Organisationen seit Jahrzehnten den Mazedoniern das Führen des von diesen selbst gewählten Namens.

Auch das hätte die EU niemals ignorieren dürfen. Ebensowenig wie die türkische Besetzung Nordzyperns . . .

 

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