Ein trauriger Tag für Österreich
14. März 2015 03:03
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 7:00
Das Umverteilungspaket der Regierung ist - trotz einiger Positiva - vor allem aus einem Grund schlimm: Österreich hat eine Gelegenheit zu tiefgreifenden Strukturreformen ausgelassen, die wohl nicht mehr wiederkommen wird. Der Populismus hat klar gesiegt und das Land klar verloren. Das Paket ist letztlich ein Spiegelbild der politischen Stärke einzelner Lobbies, vor allem der Gewerkschaft, der Bundesländer und der Pensionisten. Verloren haben vor allem die Wirtschaft, die Familien und die Zukunft. Die Regierung hat - so wie ihre griechischen Kollegen - den Ernst der Lage nicht begriffen. Im Vergleich dazu tun derzeit sogar schon die Regierungen Italiens, Spaniens und Frankreichs mehr als Österreich, um die Überlebenskraft ihres Landes zu verbessern. Aber dennoch sei in der Folge versucht, fair die Positiva und Negativa der Reform aufzulisten.
Bei uns – als wohl letztem Land Europas – diktiert noch immer die Gewerkschaft, zumindest den Kurs der größeren Regierungspartei. Aber auch die Volkspartei tut letztlich dabei mit und wagt es nicht, der Gewerkschaft Nein zu sagen. Was unweigerlich bergab führen muss. Denn die Kurzsichtigkeit der Gewerkschaften kann von keinem Optiker behoben werden. Ihr Lebensprinzip ist europaweit kurzsichtiger und egoistische Populismus. In anderen Ländern stellt aber zumindest bei einigen Politikern die Weitsichtigkeit ein Gegengewicht dar. In Österreich nicht.
Dennoch soll nicht verschwiegen werden - die Regierung und ihre Medien trompeten es freilich ohnedies laut hinaus -, dass das Paket auch einige gute Seiten hat.
- Im Prinzip ist jede Senkung der Steuern auf Leistung positiv. Arbeit ist zusammen mit Kapital ja das Wichtigste für die Erhaltung unseres Wohlstands.
- Positiv ist insbesondere die Senkung des Eingangssatzes bei der Einkommensteuer von 36,5 auf 25 Prozent. Darüber werden sich nicht nur die Einkommensteuerzahler freuen. Das ist auch volkswirtschaftlich gut. Denn solcherart werden – hoffentlich – etliche Österreicher mit ihren Bezügen nicht mehr bewusst ab der Schwelle der Einkommensteuerpflicht jede Mehrarbeit ablehnen, die ihr Einkommen über diese Schwelle hinaus vergrößern würde.
- Positiv ist sicher auch, dass der Mittelstand der Einkommensteuerzahler durch Hinaufschieben von Steuerstufen ein wenig entlastet wird.
- Positiv ist, dass es doch keine Vermögens-, Erbschafts- oder Schenkungssteuern gibt. Denn die wären völlig unberechtigt und ungerecht, da es dabei (bis auf Erbschaften und Schenkungen zugunsten Familienfremder wie Parteien oder Tierschutzvereine) immer um schon versteuerten Besitz geht. Freilich ist das keine echte Verbesserung, sondern nur die Abwehr einer besonders standortschädlichen Forderung der SPÖ. Also quasi keine Verschlechterung.
die Liste der Negativa ist freilich viel länger.
- Das langfristig Schlimmste ist zweifellos die Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 55 Prozent. Auch wenn dieser erst ab einer derzeit von kaum jemandem erreichten Einkommens-Höhe einsetzen soll, ist das international ein weiteres verheerendes Signal aus Österreich. Denn jeder Investor und jeder Geschäftsführer einer einen Standort suchenden Europaniederlassung schaut fast als erstes auf die Höhe des Spitzensteuersatzes. Und wird von diesen 55 Prozent massiv abgeschreckt. Dass diese Erhöhung nur fünf Jahre gelten soll, ist nur ein verfrühter Aprilscherz. Denn wie etwa auch der deutsche „Soli“ (eigentlich einst nur für die Kosten der Wiedervereinigung eingeführt!) zeigt, lassen Sozialisten niemals zu, dass ein Spitzensteuersatz sinkt. Auch in Österreich ist die 2013 eingeführte „Solidarabgabe“ für Jahreseinkommen ab 186.000 Euro ursprünglich befristet gewesen, inzwischen aber schon unbefristet. Viele Österreicher wissen auch: In etlichen Jahren wird es auf Grund von Einkommenssteigerungen und wohl auch Inflation immer mehr Menschen geben, die in diesen Spitzensteuersatz hineinwachsen. Und dann wird längst vergessen worden sein, dass der einst nur befristet gewesen ist.
- Frustrierend ist auch, dass die bösen Wirkungen der Stillen Progression nicht endlich durch eine Automatik verhindert werden. Diese Wirkungen bestehen bekanntlich darin, dass man (auf Grund der nicht mit der Inflation mitwachsenden Tarifstufen) nach einer nominellen Gehaltserhöhung prozentuell viel mehr Steuer zahlen muss, auch wenn man real eigentlich gleich viel verdient. Den Zorn über diese immer mehr von Lohnerhöhungen wegfressenden Stillen Progression hat ja die Gewerkschaft von immer mehr Mitgliedern zu hören bekommen, die gesagt haben: Was helfen uns Lohnerhöhungen, die ohnedies wieder von der Steuer und der Sozialversicherung gefressen werden! Genau aus diesem Grund hat ja die Gewerkschaft den Kampf von den Löhnen zur Lohnsteuer umgelenkt und die regierung unter Druck gesetzt.
- Im Gegenteil: Die Stille Progression wird durch Erhöhung des Spitzensteuersatzes mittelfristig sogar verschlimmert. Das ist mathematisch völlig klar, wenn der Spitzensteuersatz steigt.
- Die Registrierkassenpflicht erschwert zwar künftig massiv Steuerhinterziehung (was an sich gut ist), sie bringt aber auch hohe Kosten für die Steuerzahler mit sich. Sie bedeutet auch eine massive Ausweitung des staatlichen Kontrollsystems und der ohnedies schon unerträglichen Überregulierung. Dagegen war die vielgeschmähte Rufdatenspeicherung auf gut österreichisch ein "Lercherl".
- Ganz besonders übel ist die endgültige Vernichtung des Bankgeheimnisses. Es wird zwar beteuert, das Bankgeheimnis werde nur bei Steuerprüfungen aufgehoben. Aber da die Obrigkeit jederzeit solche Steuerprüfungen ansetzen kann, hat die Regierung de facto das Bankgeheimnis aufgehoben. Das ist historisch ein besonders trauriger Tag, weil die Österreicher auf dieses Bankgeheimnis lange sehr stolz sein konnten, weil es ein Refugium der Freiheit und Privatheit gegenüber der staatlichen Allmacht war. Libertas requiescat in Pace.
- Eine massive Steuererhöhung und eine Fast-Erbschaftssteuer ist die massive Erhöhung der Grunderwerbssteuer. Das trifft nicht nur viele österreichische Familien, sondern schreckt darüber hinaus massiv davon ab, in Österreich zu investieren (wozu ja immer auch Grunderwerb gehört) und Arbeitsplätze zu schaffen.
- Diese Steuer macht auch absurderweise die Anschaffung einer Eigentumswohnung noch teurer. Und das Erben eines Hauses auch für die eigenen Kinder geradezu unerschwinglich. Eine absolute Schweinerei!
- Eher marginal negativ scheint die dreiprozentige Erhöhung der Umsatzsteuer für Hotels zu sein. Aber auch da sollte Österreich dringend auf die Auswirkungen aufpassen, auch wenn Städtetourismus - Wien, Salzburg, Innsbruck - derzeit global (nicht zuletzt demographisch bedingt) im Trend liegt, auch wenn die Schweizer Wintersport-Konkurrenz zuletzt durch den Frankenkurs noch viel teurer geworden ist als Österreich.
- Massiv negativ ist hingegen für den ohnedies schwer siechen Börseplatz Wien die geplante Erhöhung der Steuern auf Dividenden. Das wird Investieren in Österreich noch unattraktiver machen. Das wird die dringend nötige Beschaffung von Eigenkapital für Unternehmen noch mehr erschweren.
- Erst in der Zukunft wird sich zeigen, dass viele Hoffnungen des Regierungspakets total unrealistisch sind (gewaltige Einnahmenerhöhungen durch Kampf gegen Steuerhinterziehung; und Selbstfinanzierung der Steuersenkung durch steigenden Konsum). Das wird eine dramatische Schuldenkrise von fast griechischen Ausmaßen auslösen. Die (berechtigte) Kritik von EU, OECD, IWF und vielen anderen an der steigenden Verschuldung Österreichs ist ja schon vor diesem Paket immer lauter geworden.
- Während die Senkungen des Einkommensteuertarifs zwar sehr teuer kommen, aber als Gegenmittel gegen die stille Progression volle Berechtigung haben, daher auch gerecht sind und überdies das Arbeiten wieder attraktiver machen, passiert anderswo reine Umverteilungspolitik aus populistischen Motiven. Nämlich durch Negativsteuern beziehungsweise die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge von Nichtsteuerzahlern. Davon profitieren durchwegs Menschen, die gar nicht von der Stillen Progression getroffen werden. Bei denen es gar keinen Anreiz geben kann, damit sie mehr arbeiten. Damit macht man Schwarzarbeit noch attraktiver. Damit werden vor allem Pensionisten beglückt, die sich immer um eine sozialversicherungspflichtige Arbeit gedrückt haben. Das ist etwas ganz anderes als die Gewerkschaftsforderung „Mehr netto von brutto“. Das ist ein weiterer massiver Anreiz zur Nicht-Leistung.
- Noch viel schlimmer ist, dass mit dem Paket absolut keine Strukturverbesserungen und Ausgabenreduktionen beschlossen worden sind. Der SPÖ wären solche aber realistischerweise nur im Gegenzug für die von der Gewerkschaft verlangte Lohnsteuersenkung abringbar gewesen. Dabei hätte es – alleine schon von der Größenordnung her – unbedingt und in erster Linie um das Pensionssystem gehen müssen, also um einer Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters. Da das nicht geschafft worden ist, wird es wohl bei Rotschwarz nie gelingen. Daher hat diese Koalition in Wahrheit endgültig ihre Daseinsberechtigung verloren.
- Und eindeutig negativ ist letztlich auch, dass die ÖVP dadurch Werner Faymann noch eine Zeitlang das Überleben als Bundeskanzler ermöglicht. Gut für ihn, aber ganz schlecht für Österreich.
Trotz des penetranten Jubels der SPÖ-hörigen Medien war dieser Freitag, der Dreizehnte, ein trauriger Tag.
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