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Die ÖVP oder: An ihren Taten werdet ihr sie erkennen

Man sollte keinen Programmentwurf veröffentlichen, wenn man im wirklichen Leben das genaue Gegenteil tut. Das ist aber genau das, was die ÖVP jetzt macht. Rätselhaft. Aber vielleicht gibt es die ÖVP ja doppelt? Und vielleicht hat die eine mit der anderen gar nichts zu tun?

Um nur einige Beispiele zu nennen:

  1. Was soll die nett klingende Lyrik eines solchen Programms, wenn etwa Ex-Jungstar Sebastian Kurz gleichzeitig verkündet: „Der Islam gehört zu Europa“? Dieser Satz steht aber absolut nicht im VP-Programm, obwohl die Kurz-Behauptung ja im Grund die totale Selbstdemontage der ÖVP-Identität und Programmatik bedeutet.
  2. Was soll das Bekenntnis zu der Absicht, „den Schuldenstand abzubauen“, wenn gerade ein Regierungspaket beschlossen worden ist, das mit absoluter Sicherheit – wenn auch offiziell noch nicht eingestanden – eine Zunahme der Schulden auslösen wird?
  3. Was soll das Bekenntnis zu einer „gemeinsamen europäischen Armee“, solange man nichts darüber sagt, wer denn diese Armee eigentlich kommandieren und in Bewegung setzen soll, und solange man vor allem selbst intensiv dabei mitwirkt, dass die letzten Reste einer österreichischen Armee verenden?
  4. Was soll das Gerede von Transparenz, wenn in den Medien mehr über diesen Programm-Entwurf steht als auf der ÖVP-eigenen Homepage, wenn man also selbst nicht zu Transparenz willens oder imstande ist?
  5. Was soll das Gerede von der für die ÖVP wertvollen „Familie“, wenn die gleiche Partei bei der soeben von der Regierung in die Höhe gepeitschten Grunderwerbssteuer jetzt zwar für den Tourismus um eine Ausnahme kämpft, aber nicht für innerfamiliär vererbte Einfamilienhäuser?
  6. Was soll das Programm-Gerede von einer besseren Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes, wenn gleichzeitig von der Regierung der Grenzsteuersatz erhöht wird? Oder weiß man etwa nicht, dass dieser Grenzsteuersatz eine der wichtigsten Größen für ausländische Manager bei der Entscheidung darüber ist, an welchem Standort sie eine neue Niederlassung ansiedeln?
  7. Was soll das Gerede von der „Toleranz gegenüber anderen Lebenszielen“, wenn in Wahrheit längst schon Toleranz gegenüber heterosexuellen Menschen nötig wäre? Was man etwa zuletzt daran gesehen hat, dass der Sänger Andreas Gabalier von der Kulturschickeria ausgepfiffen und ordinär beschimpft wird, bloß weil er sagt, dass man es heute nicht leicht hat, wenn man sich als Manderl noch für Weiberl interessiert, und wenn dieselbe Schickeria gleichzeitig einem Conchita Wurst und einem Gossen-Rapper zujubelt.
  8. Was soll das Gerede vom Mehrheitswahlrecht, wenn die Wiener ÖVP gleichzeitig vehement gegen die mehrheitsfördernden Elemente im Wiener Wahlrecht kämpft?
  9. Was soll das Gerede vom e-voting, wenn gleichzeitig ein viel wichtigeres Ergebnis der jüngsten ÖVP-Mitgliederbefragung zum Thema Wahlrecht unter den Tisch gekehrt wird? Bei dieser haben nämlich 87 Prozent verlangt, dass immer der Kandidat mit den meisten Vorzugsstimmen auch das Mandat erhalten soll! Da kann das e-voting-Gerede nur noch als Ablenkungsmanöver gewertet werden, damit man nicht merkt, wie jeder Demokratisierungsansatz von der Macht der Gremien zunichte gemacht wird.
  10. Was soll das vage Gerede von „verstärkten Möglichkeiten der direkten Demokratie“, wenn man zugleich die klare Festlegung der ÖVP vor der letzten Wahl aufgibt, dass es zwingend ein Referendum geben müsse, wenn genügend Wähler dies verlangen?
  11. Und last not least: Was soll das Gerede, dass „zu hohe bürokratische Lasten“ auf ein „erträgliches Maß verringert werden“ müssten, wenn gleichzeitig die ÖVP einem gewaltigen Bürokratiepaket zustimmt?

Die Bürokratie-Explosion

Falls die Programmschreiber nicht mitgekriegt haben, was nämlich gerade zu diesem Punkt die Regierung, also eben auch die eigene Partei, so alles beschlossen hat, ein paar „Highlights“ in Kürze. Sie alle bedeuten mehr Bürokratie, mehr Verwaltung:

  • 500 Beamte mehr, um Österreichs Selbständige und Unternehmer durch schikanöse Steuerprüfungen zu quälen;
  • Zwang für zahllose Unternehmer, Registrierkassen anzuschaffen;
  • Zwang, bei jedem Grundstücksverkauf und jeder -vererbung teure Preisschätzungen machen zu müssen;
  • Erhöhung der Kapitalertragssteuer, die viele Kleinunternehmer veranlassen wird, wieder von der GmbH zur Form von Einzelpersonenunternehmen zu wechseln. Was perfekt die Groteske der letzten Jahre fortsetzt: GmbH - GmbH light - GmbH;
  • Gründung einer neuen staatlichen Wohnbauinvestitionsbank, als ob Wohnbauförderung nicht auch über bestehende Banken abgewickelt werden könnte, und als ob staatseigene Banken nicht die zentrale Finanzkatastrophe der letzten Jahre ausgelöst hätten;
  • Verkomplizierung des Vergaberechts, wo allen Ernstes teurere Anbieter auf Kosten der Steuerzahler Staatsaufträge erhalten sollen, nur weil sie mehr ältere Mitarbeiter beschäftigen; was überdies nur durch viel Bürokratie überhaupt überprüft werden kann;
  • Die – an sich lobenswerte – Ermöglichung von Crowdfunding wird nach den Plänen der Regierung so kompliziert gestaltet, dass das Instrument im Bürokratiedschungel wohl völlig hängenbleiben wird;
  • Statt dass die zahllosen Ausnahmen im Steuerrecht wenigstens ein bisschen reduziert werden, gibt es neue Freibeträge. So wird für ausländische Forscher ein „Zuzugsfreibetrag“ geschaffen. Das ist dreifach absurd: Erstens weiß kein Mensch, wie man ohne langwierige bürokratische Überprüfung überhaupt einen Forscher von einem anderen Menschen, einem Techniker oder Manager unterscheidet (nur weil es auf einem Antrag steht?). Zweitens gibt diese famose Regierung mit diesem Freibetrag offen zu, dass die (jetzt neuerlich erhöhten!) Grenzsteuersätze für Ausländer abschreckend sind. Wobei aber drittens niemand erklären kann, warum nur „Forscher“ angelockt werden sollen und nicht auch andere Spitzenkräfte, die für den Standort wichtig wären, wie eben Manager, Techniker oder Unternehmer, für die es aber allesamt kein Freibetrags-Zuckerl gibt;
  • Und schließlich werden mit Sicherheit bei der legistischen Ausarbeitung des Umverteilungspakets noch viele weitere bürokratische Foltermethoden notwendig werden.

Über all diese gewaltigen bürokratischen Eruptionen kann auch die winzige Erleichterung nicht wirklich hinwegtäuschen, dass man künftig für den Erhalt der Familienbeihilfe kein eigenes Formular unterschreiben muss. Aber das ist schon wirklich die einzige Entbürokratisierung, die ich in diesem Paket gefunden habe.

Das alles bestätigt den Eindruck, dass die ÖVP, die Grundsatzprogramme schreibt, mit der ÖVP, die den Sozialisten ständig nachgibt, absolut nichts zu tun hat.

Und wo bleibt das Positive?

Der Grant über diese Doppelzüngigkeit ist groß. Und ebenso der Ärger, dass die ÖVP ihre eigenen positiven Ansätze – eine echte direkte Demokratie und die Auswahl der Mandatare rein auf Grund der Vorzugsstimmen – eiskalt entsorgt hat. Das zeigt die Macht des herrschenden Funktionärs-Apparats. Dennoch soll das Positive nicht ganz übersehen werden:

  • Positiv ist das Verlangen nach staatlichen Sanktionen für jene (Eltern), die gegen zusätzliche Bildungsmaßnahmen für ihre Kinder sind.
  • Positiv ist der Verweis bei der Kulturförderung auf das private Engagement; das kann nur heißen, dass es keine Erhöhung der Steuergelder für die Kulturszene geben soll.
  • Positiv ist das nun doch sehr klare Bekenntnis zum Gymnasium.
  • Positiv ist die mutige Infragestellung der Neutralität (auch wenn diese noch immer sehr populär ist).
  • Positiv und mutig ist das Bekenntnis zum ungeborenen Leben.
  • Positiv ist der Akzent auf mehr Selbstbehalte im Gesundheitsbereich.

Viele dieser Punkte zeigen, dass die ÖVP auch zu Unpopulärem den Mut hat. Das ist sehr lobenswert. Umso unverständlicher ist es aber, dass sie in den populären Punkten (Direkte Demokratie und Wahlrecht) einen Rückzieher macht.

Oder eigentlich ist es doch verständlich: In diesen Punkten geht es ja um die Macht der Funktionäre. Da wird beinhart jeder Funke an Erneuerung ausgetreten.

PS.: Wer gefürchtet hat, Gesellschaftsveränderung und Geldverschwendung machen nach dem Umverteilungspaket eine Schnaufpause, kann beruhigt aufatmen. Es gibt schon wieder neues, offenbar dringend Notwendiges: den arbeitsfreien „Papamonat“ nun auch für homosexuelle Partner. Also wieder kann die Mitterlehner-ÖVP erfreut abhaken: Auch heute schön progressiv gewesen; auch heute die letzten verbliebenen eigenen Wähler provoziert.

PPS.: Kleiner Vorschlag für die nächste progressive Tat (ganz ohne Beraterhonorar): Man könnte doch die Vervielfachung der Grunderwerbssteuer für homosexuelle Paare außer Kraft setzen.

 

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