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Der Tiefpunkt der Wiener SPÖ

Das war man bisher nur aus – höflich ausdrückt – weiter südlich liegenden Ländern gewohnt: Ein Mandatar wechselt genau in jenem Augenblick die Parteilinien, da dadurch die Mehrheitsverhältnisse bei einer Abstimmung verändert werden. Herr Akkilic und die SPÖ haben damit wirklich einen absoluten moralischen Tiefpunkt erreicht. Balkanisierung ist noch die freundlichste Bezeichnung für dieses Verhalten.

Dass es dabei um den Kampf zwischen den Parteien über das Wiener Wahlrecht geht, macht die Angelegenheit noch widerlicher: Es geht also in keiner Weise um Grundsätze, um Werte, um Ideologie, sondern um die nackte Macht. Die SPÖ will das sie bevorzugende mehrheitsfreundliche Wahlrecht auch über den Wahltag hinweg verteidigen, das ihr einige Mandate über ihren Stimmenanteil hinaus einbringt.

Da ich immer ein Mehrheitswahlrecht für sinnvoller gehalten habe, hat mich das auch nie gestört, wie ich mehrmals angemerkt habe. Etwas ganz anderes ist es mit den jetzt praktizierten Methoden. Die sind nur noch mies und letztklassig. Sie sind demokratiepolitisch viel devastierender als ein besseres oder schlechteres Wahlrecht.

Es ist daher auch egal, wie die SPÖ Herrn Akkilic zum Parteiwechsel „motiviert“ hat: durch das Versprechen auf ein sicheres Mandat, finanziell oder sonstwie. Nichts davon widerspricht übrigens auch der seltsamen Aussage von SPÖ-Klubobmann Schicker: „Herr Akkilic ist aus freien Stücken gewechselt". Ein skurriler Satz. Es glaubt ja niemand, dass das mit vorgehaltener Pistole erfolgt ist. Es glaubt aber halt auch kein einziger Mensch, dass der Mann aus hehren Gewissensgründen gewechselt ist.

Die SPÖ hat jetzt nur noch eine einzige Möglichkeit, ihre Ehre wiederherzustellen (Akkilic hat gar keine Möglichkeit mehr dazu): Indem sie nun freiwillig das Wahlrecht dem Vorschlag der anderen Parteien anpasst. Und selbstverständlich darf Akkilic auch nicht auf der SPÖ-Kandidatenliste aufscheinen. Glaubt wirklich jemand, dass der rote Machtklüngel das beides tun wird?

Gewiss: Es sind auch schon andere Abgeordnete in Wien und Österreich fraktionell gewechselt (wie jetzt auch gleich von der SPÖ und ihren Medien in Rechtfertigungsabsicht kommuniziert worden ist). Aber bei allen anderen Fraktionswechseln oder -Austritten gab es zum Unterschied von diesmal einen intensiven Konflikt des Wechslers mit der eigenen Partei. Und kein einziger Wechsel hat irgendwelche Mehrheiten umgedreht. Und bei keinem ist der Wechsel erst unmittelbar am Tag einer wichtigen Abstimmung bekannt geworden.

Dieser jetzige Fraktionswechsel in Wien ist nicht nur für die SPÖ zu einem moralischen Tiefpunkt geworden, sondern auch für die austrotürkische Bevölkerung. Schließlich galt Akkilic jahrelang als ein stolzer Vorzeige-Vertreter der Zuwanderer. Jetzt bestätigt er mit seinem Verhalten massiv die Vorurteile vieler Österreicher, dass durch den massiven – und vor allem von Rotgrün geförderten – Zuzug aus der Türkei nicht gerade eine Verbesserung der demokratischen, zivilisatorischen und moralischen Standards erreicht worden ist.

PS.: Einen solchen überraschenden Frontwechsel mit gravierenden Folgen in einem zivilisierten Land hat es meiner Erinnerung nach lediglich 1972 in Deutschland gegeben. Daran erinnern die SPÖ und ihre Medien aber natürlich nicht: Denn damals waren zwei CDU-Abgeordnete von der DDR-Staatssicherheit vor der Abstimmung bestochen worden. Dabei ging es auch um eine Machtfrage: nämlich ob Rainer Barzel statt Willy Brandt Bundeskanzler wird. Bis heute sind übrigens viele deutsche Politiker überzeugt, dass dabei auch SPD-Politiker ihre Hände im Spiel hatten.

 

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