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Weiß jemand einen Job für einen Altbundeskanzler?

Die künftigen Jahre werden für Werner Faymann fast so hart wie die nächsten Tage. Nur ganz anders. Denn dann stellt sich die Frage: Wer kann den schwächsten Bundeskanzler der zweiten Republik nach seiner Amtszeit noch brauchen? Bleibt für ihn nur ein gut bezahlter Hinterzimmer-Posten in der Arbeiterkammer?

Denn es ist praktisch fix: Faymann ist bald nicht mehr Bundeskanzler. Mit ein bisschen Ehrgefühl müsste er sofort abtreten. Und ohne Ehrgefühl sollte er zumindest die rasch gewachsene Wahrscheinlichkeit zur Kenntnis nehmen, dass er noch vor dem Sommer gehen wird müssen. Die Tatsache, dass die Wiener Wahlen entgegen ursprünglichen Überlegungen doch erst am letztmöglichen Termin im Oktober abgehalten werden, öffnet nämlich ganz „zufällig“ ein Zeitfenster für einen solchen Schritt.

Michael Häupl weiß: Ein solcher Schritt würde die Chancen der SPÖ verbessern, die für die Partei allerwichtigste Machtposition doch noch zu verteidigen, also das Rathaus, von dem aus ja die ganze linke Szene finanziert wird. Bei einem rechtzeitigen Austausch des Bundesparteichefs könnte der Neue-Mann-Effekt wie schon so oft in der Politik wirksam werden. Während gleichzeitig bei der ÖVP der Neue-Mann-Effekt Reinhold Mitterlehners verblasst. Es ist geradezu unmöglich, dass die Wähler von dem dann antretenden neuen SPÖ-Chef eine schlechtere Meinung haben als von Faymann.

Faymanns Abschlachtung in mehreren Akten

Die endgültige Überreichung der seidenen Schnur hat soeben bei der Jahresklausur der Wiener SPÖ stattgefunden. Faymann wurde dort nämlich im letzten Moment – nicht etwa im Vorhinein! – als „erkrankt“ entschuldigt. Gewiss rollt derzeit eine Grippewelle durchs Land. Aber angesichts der Bedeutung der Wiener SPÖ hätte sich jeder Parteichef mit einem minimalen Machtinstinkt selbst bei 39 Grad Fieber zu einem Auftritt vor den Rathausgenossen fahren lassen. Und Machtinstinkt hat Faymann ja. Daher kann es als sicher gelten, dass ihm die Wiener Partei beschieden hat: Er werde nicht gebraucht. Und selbst wenn ihm das nicht signalisiert worden wäre, werden das jetzt in der SPÖ viele als Faktum ansehen.

Die Faymann-Absenz war aber nur ein weiterer Akt einer plötzlichen Demontage des Mannes. Der erste Akt war die überraschende Ansage des Wiener Bürgermeisters zur Steuerreform, die einen totalen und für Faymann völlig unerwarteten Kurswechsel der SPÖ darstellte. Die Bedeutung wurde dadurch nicht reduziert, dass Häupl selbst seine Ansage dann wieder fast vollständig zurücknahm. Denn dadurch hat er ja gleich zweimal demonstriert: In dieser Partei hat nur einer das Sagen, selbst wenn er Haken schlägt. Und das ist nicht der Bundesparteiobmann.

Eine weitere Etappe ist nun das Verlangen Häupls nach dem Kopf von Parteigeschäftsführer Darabos. Häupl sagte in einem Interview mit seiner Kronenzeitung auf die Frage nach der Zukunft des Burgenländers: „ . . .ich bin mir ganz sicher, dass der Bundesparteivorsitzende weiß, was er zu tun hat.“ Deutlicher geht’s nimmer.

Häupl meinte den Esel, schlug aber den Sack. Denn Darabos ist der engste Mitarbeiter Faymanns in der Partei. Lässt ihn Faymann jetzt auf Verlangen Häupls wirklich gehorsam fallen, dann ist er nur noch eine peinliche Witzfigur, gegen die sogar die oft zitierte lahme Ente noch wie ein eindrucksvoller Löwe wirkt. Hält Faymann hingegen an Darabos fest, dann wird ihm sofort vorgeworfen werden, dem Wiener Wahlkämpfer in den Rücken gefallen zu sein. Was ihm ebenfalls in der Partei schwer schaden würde.

Was auch immer der „kranke“ Faymann jetzt tut, das Unheil wird nur ständig noch größer. Häupl hat Faymann schon so in die Enge getrieben, dass diesem eigentlich nur noch der sofortige Rücktritt bleibt. Wenn er irgendeine Selbstachtung im Leib hat. Das wäre dann eine totale Parallele zum Abgang Michael Spindeleggers: Diesem sind damals die VP-Chefs aus Tirol, Vorarlberg und Oberösterreich wochenlang in den Rücken gefallen. Faymann ist jedoch nicht einmal die Rache Spindeleggers zuzutrauen, der seine Jäger dann zumindest zur Erhaltung seiner Selbstachtung als „Populisten“ attackiert hat.

Es kann auch kein Zufall sein, dass Häupls Kesseltreiben gegen Faymann zeitgleich mit dem Entschluss begonnen hat, mit dem Wahltermin noch zuzuwarten. Beides hängt für Häupl ganz offensichtlich eng zusammen. Dennoch überrascht die Brutalität des Wiener Bürgermeisters.

Aber er hat klar erkannt: Faymann ist kein Votegetter mehr, sondern ein Bleigewicht. Genauer gesagt: Faymann war auch nie ein Stimmenbringer. Seit seinem Amtsantritt hat die SPÖ ja überall und Alles verloren (mit Ausnahme von Kärnten, wo sie die zerfallene FPÖ beerben hat können). Man hat in der Partei nur geglaubt, die Faymann-Loyalität der Dichand- und Fellner-Blätter würde trotz Faymanns Hohlheit der SPÖ nützen. Aber wie immer haben Politiker da die Bedeutung des Boulevards überschätzt.

Rettung durch die Volkspartei?

Die einzige Lebensrettung für Faymann könnte ausgerechnet von der ÖVP kommen. Wenn diese doch noch einer Einführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer zustimmen sollte, dann hat Faymann eine winzige Überlebens-Chance.

Allerdings müsste die ÖVP von allen guten Geistern verlassen sein, wenn sie das wirklich täte. Ein Ja zur Schenkungssteuer und ähnlichem würde die ÖVP nach den vielen glasklaren Ansagen der letzten Monate und Jahre nämlich zur lächerlichen 20-Prozent-Partei reduzieren. Aber freilich: In ihrem Selbstzerstörungsdrang und angesichts der Angst mancher Funktionäre, dass die SPÖ ihre Neuwahl-Androhungen auch wirklich realisiert, ist der ÖVP durchaus zuzutrauen, dass sie der SPÖ wie schon so oft in den letzten Jahren nachgibt.

Dabei kann die Volkspartei nur gewinnen, sollte sie diesmal nicht in die Knie gehen. Gerade bei den für die ÖVP in Frage kommenden Wählern sind solche Steuererhöhungen total verhasst. Und da neue oder höhere Steuern dank Spindelegger nicht im Koalitionsübereinkommen stehen, würde die Partei mit einem konsequenten Nein dazu auch keine Vereinbarungen verletzen. Parteitaktisch hätte sie auch den Vorteil, bei baldigen Neuwahlen dem Kesseltreiben zu entgehen, das die SPÖ-Medien (insbesondere der ORF!) rund um den Hypo-Ausschuss schon gegen sie vorbereitet haben.

Um glaubwürdig zu werden, müsste die ÖVP nur endlich einmal klar sagen, wie sie eine familienfreundliche Senkung der Belastung der arbeitstätigen Österreicher ohne neue Steuern finanzieren würde. Eine Steuersenkung müsste ja ohnedies immer das oberste Ziel einer Partei sein, die wirtschaftsliberal wie auch konservativ sein will.

Die Antwort, wie das auf bürgerliche Art zu finanzieren wäre, ist nicht so schwer. Um nur ein paar Beispiele zu nennen:

  • Durch eine signifikante Erhöhung des Pensionsantrittsalters,
  • durch eine Reduktion der Pflichtbeiträge zu Arbeiter- und Wirtschaftskammern,
  • durch eine verwaltungsvereinfachende Konzentration der Schulkompetenz bei den Ländern (wofür diese ja schon mehrfach finanzielle Gegenleistungen in Aussicht gestellt haben!),
  • durch eine ganz konkrete Liste von Regulierungen, die samt den dazugehörenden Behörden abzuschaffen sind,
  • durch Privatisierungen, die dem Budget bis zur Wirksamkeit mancher Strukturreformen helfen könnten (sogar das linke Wifo hat schon mehrmals Privatisierungen vorgeschlagen).

Eine selbstbewusste ÖVP könnte es dann locker in Kauf nehmen, wenn die SPÖ daraufhin Neuwahlen ausrufen will. Wenn sich diese wirklich traut, das zu tun, dann würde ihr eine selbstbewusste ÖVP nur zurufen: Wenn ihr wollt, dann macht nur.

Freilich: Ich habe von einer selbstbewussten ÖVP gesprochen . . .

Schieder, Kern, Hundstorfer

Vorzeitige Neuwahlen in wenigen Wochen würden wohl auch das SPÖ-Kalkül stören, noch rechtzeitig den Spitzenmann austauschen zu wollen. Der Nachfolger steht nämlich noch gar nicht so klar fest. Ganz anders als in den letzten Monaten der Gusenbauer-Ära, wo schon Faymann als Erbschleicher fix gewesen ist. Faymann hat damals – pardon: Die ihm innig nahestehenden Medien haben damals monatelang eine gezielte Schmutzkampagne gegen Gusenbauer gefahren, wobei sogar die Pubertätsprobleme der Gusenbauer-Tochter in degoutanter Weise öffentlich bloßgestellt worden sind.

Jetzt wird zwar allenthalben schon ÖBB-Chef Christian Kern als Erbe genannt. Vor allem Kreise rund um Franz Vranitzky tun das sehr oft. Kern hat gerade bei einer Veranstaltung des Gewerbevereins so demonstrativ nicht zu Politik Stellung nehmen wollen und sich so sehr mit allgemeinen Wohlfühlphrasen begnügt, dass das im Grunde eine klare Bestätigung seiner oberflächlich dementierten Ambitionen ist. Denn selbstverständlich hätte er als normaler Spitzenmanager eines Großbetriebs bei einem öffentlichen Auftritt auch zur Lage Österreichs Klartext reden müssen. Was ja auch alle anderen tun. Man kann kein Unternehmen führen, ohne Ansprüche an die Politik zu stellen (das haben gerade die ÖBB sonst auch immer sehr intensiv getan). Außer man will selbst in die Politik gehen.

Dennoch dürfte Kern – trotz aller Freude über das neuerdings auf ihn fallende Scheinwerferlicht – in den beiden relevanten SPÖ-Machtzentren zu schlecht verankert sein. Also bei Gewerkschaft und Wiener Partei. Da wäre es schon eher stimmig, wenn Klubobmann Andreas Schieder das Rennen macht, ein vor allem in Wien gut vernetzter Mann. Schieder hält sich als geschickter Fuchs im Hintergrund und genießt es, dass ständig nur Kern genannt wird. Sozialminister Hundstorfer ist der dritte Kandidat; er hat ein nettes Wesen, besitzt sowohl in der Wiener SPÖ wie im ÖGB Stallgeruch, hat aber auf Grund seiner totalen Reformunfähigkeit zweifellos seinen Höhepunkt schon hinter sich. Und er muss sich ohnedies schon anstrengen, wenn er seine onkelhafte Nettigkeit zumindest bis zur Präsidentenwahl hinüberretten kann.

Gebührenstopp ist ein eher mageres Wahlzuckerl

Die Wiener SPÖ hat jedenfalls zugleich – trotz der Verschiebung des Wahltermins – alle Maschinen für ihren eigenen Wahlkampf angeworfen, um ihre Lage doch noch zu verbessern. Steht sie doch auf ihrem tiefsten Stand seit hundert Jahren. Ihre jetzigen Wähleranteile bei Umfragen entsprechen nur noch den Prozentsätzen, welche vor einigen Jahrzehnten die Wiener ÖVP gehabt hatte. Das hatte damals bei der viel höheren Wahlbeteiligung sogar einem weit größeren Anteil an den Wahlberechtigten entsprochen hat als der heutige SPÖ-Stand.

Zündende Ideen sind der SPÖ aber noch keine eingefallen. Die Wähler werden jedenfalls nicht im Eilschritt zu ihr zurückkehren, wenn ihr nur Wahlzuckerl der Qualität einfallen: „Keine Gebühren- und Tariferhöhungen“. Als ob nur ein einziger Wiener angenommen hätte, dass es solche rund um Gemeinderatswahlen geben würde. Als ob die gewaltigen Erhöhungen von 30 oder auch 70 Prozent in der ablaufenden Legislaturperiode nicht schon für ein ganzes Jahrzehnt ausreichen würden.

 

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