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Mit rund zwei Prozent Teilnahme war die ÖVP-Mitgliederbefragung nicht gerade sensationell erfolgreich. Dafür gibt es mindestens sechs mögliche Erklärungen. Aber trotz der mageren Teilnahme ließe sich aus den Befragungsergebnissen jedenfalls immer noch eine überlebensfähige Basis künftiger schwarzer Politik zimmern. Sofern nicht die Kompromisslerei und die Möchtegern-Progressivität der jetzigen Parteispitze auch auf diesen Rest noch verzichtet.
Zuvor aber: Warum haben überhaupt so wenige ÖVP-Mitglieder beim „Evolutionsprozess“ abgestimmt? Warum waren das kaum mehr Menschen als die Summe der Mandatare in Gemeinden, Kammern, auf Landes- und Bundesebene sowie aller jener, die von der ÖVP einen Job in der Wirtschaft erhalten haben?
Die erste Erklärungsmöglichkeit: Die ÖVP-Mitglieder sind total an Politik desinteressiert. Das klingt unwahrscheinlich und bei Parteimitgliedern eigentlich widersprüchlich, ist aber nicht unmöglich. Vielleicht sind ja viele Parteibücher noch immer bloßer Bezugsschein zu Wohnung oder Job?
Die zweite Erklärungsmöglichkeit: Manche haben gar nichts erfahren von der Befragung. In der Tat ist für diese nicht viel Kommunikation gemacht worden. Einerseits deshalb, weil die Medien fast zur Gänze nicht gerade ÖVP-freundlich sind. Und andererseits weil es das Parteisekretariat tunlichst vermieden hat, statt einer bemühten Wonne-Waschtrog-Begeisterungs-PR die durchaus bestehenden Meinungsverschiedenheiten zu kommunizieren. Dies wäre aber der einzige Weg, Menschen emotional zu aktivieren. Nur wenn es um etwas geht, setzt man sich zur Unterstützung einer Meinung oder der Gegenmeinung in Bewegung.
Die dritte Erklärungsmöglichkeit: Die ÖVP-Mitgliederzahl besteht fast nur noch aus Karteileichen. Aus Verstorbenen oder Menschen, die sich längst politisch von der Volkspartei absentiert haben.
Die vierte Erklärungsmöglichkeit: Es hat gar nie so viele ÖVP-Mitglieder gegeben wie die Partei behauptet.
Die fünfte Erklärungsmöglichkeit: Da nichts an dem Votum bindend ist, haben es viele Mitglieder als Zeitverschwendung angesehen, sich mit dem Evolutionen-Fragebogen überhaupt zu befassen. Denn wenn jetzt die Antworten erst zu Anträgen an den Parteitag umformuliert werden, dann ist das ja eine Verhöhnung der Abstimmenden. Das signalisiert: Nicht die Parteimitglieder sind entscheidend, sondern die Kontrollfreaks in der Funktionärsschicht, die dann auf einem Parteitag entscheiden. Beziehungsweise diejenigen, die zuvor in den „Gremien“ hinter dicken Polstertüren überhaupt erst Anträge formulieren.
Die sechste Erklärungsmöglichkeit: Die Parteimitglieder haben durchschaut, dass die (mitten im Prozess gewechselte!) Parteiführung die meisten wirklich spannenden Themen gar nicht mehr auf den Fragebogen gesetzt und durch populistische No-Na-Fragen ersetzt hat. Das hat viele provoziert und verärgert. Sie fühlen sich wie kleine Kinder, denen man alles Heikle vorenthält.
Dennoch gibt es trotz all dieser Einwände ein paar Ergebnisse der Evolutionen-Fragen, die wichtig sind. Denn nichts deutet darauf hin, dass eine höhere Beteiligung andere Ergebnisse gebracht hätte. Bei aller Enttäuschung über die erwähnten Defizite müsste man nämlich froh sein, wenn die Regierungspartei wenigstens diese Antworten zum unverzichtbaren Inhalt ihrer ja sonst durch ewiges Nachgeben und Kompromisslertum geprägten Politik machen würde:
Da fehlt zwar vieles. Es wäre aber wohl noch immer eine ausreichende Basis für das weitere Überleben der Volkspartei, würde sie zumindest alle diese Antworten der Parteimitglieder künftig eisern beachten. Auch wenn klar ist, dass sich etliches davon nicht gegen die SPÖ durchsetzen lässt, würde es niemand verstehen, wenn die ÖVP darüber hinaus selbst einem Rückzug von diesen Positionen zustimmen würde.
PS.: Einen Vorwurf wird sich die Parteiführung jetzt sicher nicht anhören müssen: Dass sie die Teilnehmerzahlen nach oben manipuliert hätte. Das ist ja bei solchen unabhängig nicht überprüfbaren Umfragen anderswo wohl schon öfters passiert (siehe auch den Skandal beim deutschen Autoklub ADAC, wo das einmal voll aufgeflogen ist).