In etlichen Bundesländern hat die dortige SPÖ vor heuer bevorstehenden Landtagswahlen In Sachen Migration deutlich den Kurs geändert. SP-Landeshauptleute sprechen dort plötzlich davon, dass ohne Druck und konkrete Maßnahmen keine Chance besteht, eine Integration von Zuwanderern zu erreichen. In Wien jedoch denkt die SPÖ (noch?) komplett anders: Sie lehnt trotz der erschreckenden Zunahme islamistischer Terroraktionen und der Tausenden Dschihadisten aus Europa, die für einen Kriegszug in den Nahen Osten gezogen sind, jede konkrete Maßnahme Richtung Integration ab.
Ob sich die Wiener SPÖ, die ihren steirischen und burgenländischen Parteifreunden wegen deren Haltung jetzt sogar Populismus vorwirft, damit klug verhält? Gewiss: In Wien ist das islam- und zuwanderungsfreundliche Künstler-, Studenten- und Bobo-Milieu viel größer als in den übrigen Bundesländern. Dieses Milieu ist insbesondere in Wiener SPÖ-Funktionärsschichten überproportional stark, vor allem auch bei Jugend-, Frauen- und Studenten-Organisationen. Dennoch zeigen alle Umfragen, dass auch in Wien Multikulti-Träume nur ein Minderheitenprogramm sind.
Aber gerade in diesem spezifischen Milieu spürt die Wiener SPÖ ganz stark die Konkurrenz von Grünen und Neos, die beide ebenfalls Integrations-Zwänge ablehnen. Die Häupl-Partei hat sich deshalb offensichtlich dazu entschlossen, vor allem in diesem Milieu und gegen diese beiden Parteien den Kampf um Wählerstimmen aufzunehmen. Sie will damit verhindern, dass es in einer (neuerlich erwarteten) Linkskoalition zu einer spürbaren Machtverschiebung zu ihren Lasten kommt. Die SPÖ rechnet aber auch mit der großen Mehrheit der Stimmen inzwischen eingebürgerter Zuwanderer.
Die Arbeiterschaft wird weitgehend aufgegeben
Gleichzeitig gibt die Wiener SPÖ damit aber den Kampf mit der FPÖ um die traditionelle Arbeiterschaft weitgehend auf. Denn in dieser wird die zunehmende Islamisierung und Zuwanderung immer kritischer gesehen. Die Zunahme der Migrantenfamilien aus der Türkei, aus Balkan- und arabischen Ländern ist in den Wiener Arbeiterbezirken auch viel spürbarer als in den Nobelbezirken, wo ja eher ÖVP, Grüne und Neos miteinander wetteifern.
Für die FPÖ gilt als wichtigstes Wahlziel die Mehrheit in einem oder mehreren der Arbeiterbezirke, etwa in Simmering. Damit würde sie ihren ersten Bezirksvorsteher erringen, was als wichtiges Symbol gilt. Auf eine Regierungsbeteiligung im Rathaus kann sich die FPÖ hingegen keine Hoffnung machen, weil außer ihr alle anderen Parteien klare Bereitschaft zu einer Koalition mit der SPÖ zeigen. Fraglich scheint nur, ob die SPÖ neuerlich eine Zweierkoalition – am liebsten zweifellos mit den Grünen – schafft oder ob sie eine Dreierkoalition eingehen muss. Die einstige absolute Mehrheit ist jedenfalls schon längst jenseits aller Erwartungen.
Die steirischen und die burgenländischen Sozialdemokraten (und wohl auch die in etlichen anderen Bundesländern) denken hingegen beim Thema Migration und Integration ganz anders als die Wiener. Sie kämpfen um die weitere Sympathie der autochthonen Arbeiterschaft, in der es große Ängste wegen der Zuwanderung gibt. Landeshauptmann Voves selbstkritisch: „Die SPÖ hat sich nie getraut, diese Ängste offen auszusprechen.“
Mitterlehner auf Multkulti-Kurs
Überraschend ist der Kurs der ÖVP unter ihrem neuen Parteichef Mitterlehner. Dieser glaubt ernstlich, durch einen Pro-Multikulti-Kurs Wähler gewinnen zu können – jedenfalls mehr, als die Partei dadurch verliert. Er gibt aber selber zu, dass er dafür parteiintern auf „harscheste Ablehnung“ gestoßen sei.
Damit ffindet sich freilich im Endergebnis meist überhaupt kein klarer ÖVP-Kurs. Die Partei redet lieber nur von Wirtschaftsthemen. Was zweifellos insbesondere der FPÖ nützen wird, denn Wirtschaftsthemen sind erst nach Ausbruch einer großen Krise emotional wahlentscheidend. Daher werden sich nach den drohenden Rückschlägen für die ÖVP bei den Wiener und den anderen Landtagswahlen wiederum beide Parteiflügel gegenseitig die Schuld zuschieben. Sie werden sich vermutlich nur damit trösten können, dass die SPÖ wahrscheinlich noch mehr verlieren dürfte.
Freilich ist auch bei den steirischen und burgenländischen Sozialdemokraten – wie auch bei den meisten ÖVP-Politikern auf ähnlichem Kurs – ziemlich unklar, worin denn konkret die Maßnahmen hin zu mehr Integration bestehen sollen. Oder ob die gegenwärtige Rhetorik nur ein unverbindliches Beruhigungssignal an die Wählerschaft darstellt, deren Mehrheit zunehmend beunruhigt über die Zunahme von Moslems und bildungsfernen Zuwanderern in Österreich ist. Einen konkreten Gesetzesentwurf hat in der Fülle der Ideen jedenfalls noch niemand vorgelegt.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen
Eines ist klar: Es kann schon aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Maßnahme geben, die sich spezifisch nur gegen Moslems richtet. Auf der anderen Seite ist ebenso klar: Besonders wichtig ist der Bildungs- und Schulbereich, wenn man irgendeinen Integrationserfolg erzielen will. Diskutiert werden insbesondere folgende Ideen:
- Höhere Verwaltungsstrafen gegen die Eltern bei Nichtkooperation mit der Schule: Das hat etwa der burgenländische SPÖ Landeshauptmann Niessl vorgeschlagen. Das wird aber von seiner Parteifreundin, der Schulministerin Heinisch-Hosek, weitgehend abgelehnt; sie stellt nur vage „Nachschärfungen“ in Aussicht, um einem parteieigenen Wahlkämpfer nicht direkt zu widersprechen. Bundeskanzler Faymann will die Entscheidung überhaupt den Schulpartnern zuschieben (um im Streit zwischen den zuwanderungsfreundlichen Wienern und den kritischen Burgenländern und Steirern nicht Stellung beziehen zu müssen). Die ÖVP denkt überwiegend wie Niessl. Die Grünen hingegen meinen, mit „Förderungen“ könne man unerwünschte Verhaltensweisen ändern.
Inhaltlich geht es dabei etwa um das konsequente Nicht-Erscheinen von Eltern, die von der Schule vorgeladen werden; um die Diskriminierung weiblicher Lehrer; um ständiges Schwänzen; um demonstratives Ignorieren des Unterrichts. Zweifellos gibt es solches Verhalten auch bei nichtmigrantischen Familien, aber mehrheitlich tritt es bei Migranten auf (was meist auch der großen Mehrheit integrationswilliger Neoösterreicher schadet). In Wien hat es 2013 fast 900 Straferkenntnisse wegen Schwänzen und ähnlichem gegeben. Viele Indizien deuten jedoch darauf hin, dass da andere Bundesländer viel strenger sind, weil in Relation etwa in Salzburg viel mehr gestraft wird.
- Sozialdienst für integrationsunwillige Schüler: Dieser Vorschlag von Außenminister Kurz wurde von Bildungsministerin Heinisch-Hosek und anderen SPÖ-Exponenten sofort abgelehnt.
- Integration als Voraussetzung für soziale Leistungen: Das hat der Grazer ÖVP-Bürgermeister Nagl in Hinblick auf Wohnungsvergaben oder den Erhalt der Grazer „Socialcard“ vorgeschlagen. Prompt hat der steirische SPÖ-Landeshauptmann Voves begeistert zugestimmt – und die Grazer SPÖ-Bürgermeisterin Schröck ebenso vehement abgelehnt (eines der vielen Indizien für den tiefen Spalt quer durch die SPÖ). Dabei geht es Nagl um Deutschkurse, Kurse in Gesellschaftskunde und Demokratie usw.
- Mehr politische Bildung in den Schulen: Das wird von der SPÖ (etwa Parteichef Faymann), aber auch anderen Parteien, insbesondere Kurz gefordert. Schulexperten betonen freilich, dass Werte nicht gelehrt, sondern nur vorgelebt werden können. Vor allem scheint klar, dass die dann massenweise in die Schul-Jobs drängenden arbeitslosen Politologen weniger die Grundwerte eines liberalen Rechtsstaats (der ihnen ja eigentlich suspekt ist), sondern vor allem marxistische Ideologie verbreiten würden. Dafür spricht auch, dass viele Uni-Lehrer in der Politologie extrem links stehen. Daher würde bei einem Einzug der Politologen in die Schulen der Teufel mit Beelzebub bekämpft werden, fürchten manche in der ÖVP.
- Strafrechtliche Sanktionen bei Integrationsverweigerung: Diese Idee wurde von den zwei wahlkämpfenden SPÖ-Landesparteien im Süden ins Gespräch gebracht, findet aber in der Bundesregierung keine Unterstützung. Freilich gibt es auch da noch keinen juristisch klaren Vorschlag, den man ernsthaft analysieren könnte.
- Ein zusätzliches, zweites Kindergartenjahr: Hier schaffen nicht nur die gewaltigen Kosten einen tiefen ideologischen Zwist in der Koalition. Die immer zu staatlichem Zwang neigende SPÖ will das verpflichtend für alle Kinder einführen; die die Wahlfreiheit der Familien betonende ÖVP will das hingegen nur für jene Kinder zwingend vorschreiben, die bei einer Sprachstandsfeststellung vor dem 4. Geburtstag nicht gut Deutsch können.
- Eine Verkürzung der Asylverfahren: Dieses Schlagwort taucht seit Jahren ständig auf. Eine Verkürzung ist auch schon mehrfach beschlossen worden. Aber geschickte Asylwerber-Anwälte ziehen in der Realität mit einer Antragsflut dann doch immer wieder Verfahren über viele Jahre in die Länge. Dafür sorgen auch ständig wechselnde Aussagen von Asylwerbern und eine Immigrations-freundliche Judikatur des Verfassungsgerichtshofs. Ein neuer Vorschlag von Innenministerin Mikl-Leitner dazu hat bisher keine Zustimmung der SPÖ gefunden: Sie will bei Asylwerbern aus Balkanstaaten, denen schon jetzt – nach oft langen und teuren Verfahren – praktisch nie Asyl gewährt wird, die Asyl-Verfahren mit zehn Tagen limitieren. Sie will auch Berufungen häufiger die Abschiebungen aufschiebende Wirkung nehmen. Das wäre quantitativ wichtig: haben doch zuletzt Kosovo-Bürger die meisten Asylwerber gestellt.
- Rechtsbetreuung für Asylwerber durch eine offizielle Agentur: Dieser Vorschlag der Innenministerin stößt auf wütende Ablehnung bei jenen Vereinen, die bisher (auf Staatskosten) diese Betreuung durchführen. Die dabei aber auch immer wieder rechtswidrige Ratschläge gegeben haben dürften (wie Pass-Wegwerfen und Herkunft-Verschleiern).
- Entfall der Grundversorgung: Das soll auf Vorschlag der Innenministerin nach einem negativen Bescheid der ersten Asyl-Instanz künftig immer der Fall sein. Die SPÖ hält sich dazu bedeckt. Die Grünen und die Asylindustrie („SOS Mitmensch“&Co) sind vehement gegen diesen und alle anderen Vorschläge Mikl-Leitners.
- Speicherung von Fluggast-Daten: Das wird vor allem von der EU-Kommission und den EU-Innenministern gefordert. Diese Speicherung erfolgt bei Amerika-Flügen – auf Verlangen der USA – schon lange. Datenschützer und die politische Linke sind aber dagegen. Die europäischen Grünen wollen eine solche Speicherung nur bei Terrorverdächtigen. Das hat freilich den kleinen Haken, dass man meist gar nicht weiß, wer denn ein Terrorverdächtiger ist. Und nach einem Anschlag sind dann von den Tätern keine Kommunikationsdaten aus der Zeit vorher gespeichert.
- Die Entziehung der Staatsbürgerschaft für Dschihad-Kämpfer: Da sind ÖVP sowie Niessl&Co dafür. Viele Juristen lehnen das aber in all jenen Fällen ab, wo die österreichische die einzige Staatsbürgerschaft ist. Das ist fast immer der Fall, weil Österreich Doppelstaatsbürgerschaften meist nicht akzeptiert.
- Vorratsdatenspeicherung: Diese hält die Polizei für besonders wichtig, um terroristische und andere kriminelle Netzwerke besser aufdecken zu können. Dafür spricht sich aber außer den Freiheitlichen und Teilen des Teams Stronach vorerst niemand aus. Auch in der ÖVP überwiegt die Angst, sich da zu exponieren. Aber allein nach den Pariser Anschlägen konnten dadurch mehrere Terrornetzwerke enttarnt werden.
- Aufhebung des Arbeitsverbots für Asylwerber: Diese dürfen derzeit nur als Zeitungszusteller und Prostituierte arbeiten. Die Aufhebung des Arbeitsverbots wird von sehr vielen linken und kirchlichen Organisationen, auch der Wirtschaft gefordert. Hingegen bremsen vor allem der Sozialminister und Teile der Gewerkschaft. In Zeiten rasch steigender Arbeitslosigkeit ist die Aufhebung des Arbeitsverbots jedenfalls besonders problematisch und unpopulär. Sie würde auch dazu führen, dass noch mehr Asylanträge gestellt werden, weil Österreich als Zielland noch attraktiver wird. Auf der anderen Seite würden dann dem Steuerzahler Asylwerber (sofern sie auch wirklich einen legalen Arbeitsplatz finden) viel billiger kommen, weil sie nicht mehr unterstützt werden müssten.
- Überwachung des Religionsunterrichts und der Prediger vor allem in Hinterzimmer-Moscheen: Wieder wagt es fast kein Politiker, sich für diesen Vorschlag von Verfassungsschützern offiziell auszusprechen. Daher erfährt man nur bisweilen über islamische Schüler und deren rechtsstaatlich gesinnte Eltern, was vom Staat finanzierte Islamlehrer alles an grundrechtsfeindlichen Lehren verkünden.
- Workshops für Extremismus-Prävention: Das bietet Heinisch-Hosek jetzt den Schulen an; sie glaubt, damit eine Radikalisierung von Jugendlichen verhindern zu können. Da diese Workshops primär von SPÖ-nahen Organisationen wie Zara durchgeführt werden sollen, wird das bei anderen Parteien (außer den Grünen) sehr skeptisch gesehen. Zara ist ja bisher nur dadurch aufgefallen, dass es ständig den Österreichern einen wachsenden Rassismus vorgeworfen hat.
- Wiedereinführung von Grenzkontrollen: Das wird nur von der FPÖ gefordert, findet hingegen bei keiner anderen Partei Unterstützung, auch nicht bei den Sicherheitsbehörden, die darin eine teure Ablenkung von den wirklichen Problemen sehen.
Zwischenstand zu all diesen Ideen und Forderungen: Eine tiefe Spaltung in der SPÖ, eine etwas weniger tiefe in der ÖVP, klare Positionierung von Grünen und Neos hier, von Freiheitlichen dort. Vorerst geschieht jedenfalls gar nichts. Frühestens im März plant die Koalition den Versuch einer Einigung. Und die wird wohl nur eine schmale sein.
Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.
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