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Griechische Frozzelei

Bei allem Pessimismus, der schon vorweg am Platz war: Das „Reform“-Programm der griechischen Regierung ist noch viel substanzloser, als ohnedies zu erwarten gewesen war. Es ist eine einzige Frozzelei: Vage, unkonkret und voller unverbindlicher Absichtserklärungen, deren Sparerfolg frühestens in ein paar Jahren eintreten kann, wenn überhaupt. Und für so etwas bekommt Griechenland von den europäischen Regierungen schon wieder frisches Steuergeld, das mit Sicherheit von einer solchen Gaunerregierung nie zurückgezahlt werden wird. Es ist schändlich.

Die Schnelligkeit, mit der dieses griechische Programm trotz seiner Hohlheit sofort nach seiner Vorlage von den anderen Euro-Regierungen widerstandslos durchgewinkt worden ist, zeigt zweierlei:

  1. Erstens die Macht der Sozialdemokraten, die in vielen Ländern an der Regierung beteiligt sind, die ihren griechischen Parteifreunden (die übrigens noch vor kurzem keineswegs ihre Freunde gewesen sind!) unbedingt helfen wollten, und die in allen Ländern für immer noch mehr Schulden eintreten.
  2. Zweitens das schlechte Gewissen von Wolfgang Schäuble und Angela Merkel: Sie wollen verheimlichen, dass sie im Mai 2010 und mit ihnen das restliche, praktisch willenlos Deutschland nachtrottende Euroland in einen falschen Zug eingestiegen und nie wieder ausgestiegen sind. Dieser falsche Zug hat die Miteuropäer schon 260 Milliarden Euro an Griechenland-Hilfe gekostet. Und bei jeder Einigung dieser Art wird die Weiterfahrt noch mehr kosten. Eine ziemlich teure Tarnung für einen Fehler.

Die katastrophalste Folge der letzten Tage wird aber gar nicht das ständige Weiterfließen der Griechenland-Hilfe sein. Das werden vielmehr die Auswirkungen auf alle anderen Schuldner-Länder Europas sein. Sie alle werden dem griechischen Beispiel folgen. Auch sie werden künftig nur noch so tun, als ob sie sparen. Sie werden auch blumige Briefe schreiben, aber nichts tun.

Prompt hat ja schon am gleichen Tag, da das griechische „Reform“-Papier in Brüssel eingelangt ist, die spanische Regierung ihr Sparprogramm de facto für erfüllt erklärt. Sie hat so, als hätte es nie eine Krise gegeben, das soziale Füllhorn über halb Spanien geschüttet: weniger Abgaben an die Pensions- und Krankenversicherung, Hilfen für Alleinerziehende, Hilfen für die Wirtschaft zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Bevor sie das Feld bei den Wahlen einer auch in Spanien antretenden neuen linksradikalen Partei überlassen, übernehmen die spanischen Konservativen jetzt lieber gleich selber die Rolle des Big spender.

Was hat Griechenland genau versprochen – oder besser gesagt: vage angedeutet?

  • Geplante Privatisierungen kommen nochmals auf den Prüfstand;
  • Rückzahlungen von Steuerschulden und ausstehenden Sozialversicherungsbeiträgen sollen ermöglicht werden (waren die bisher unmöglich?);
  • Anreize zur Frühverrentung sollen gestrichen werden;
  • Das Insolvenzreicht soll modernisiert werden;
  • Essensmarken werden ausgegeben;
  • Steuern sollen effizienter eingezogen werden;
  • Steuervermeidung und Steuerbetrug sollen verhindert werden;
  • Es soll eine Mehrwertsteuerreform geben (eine echte Mehrwertsteuererhöhung wäre zwar in der Tat eine sinnvolle Sanierungs-Maßnahme; aber auch die wird eben nur sehr vage angekündigt);
  • Es soll eine moderne öffentliche Verwaltung geben;
  • Der Korruption wird der Kampf angesagt;
  • Es wird gegen Schmuggler und Geldwäscher vorgegangen;
  • Die Anzahl der Ministerien, die Dienstautos sowie die Dienstreisen von Politikern und Beamten werden verringert (Ja eh; aber letztlich bringen solche Symbolmaßnahmen fast nichts, außer den griechischen Boulevardzeitungen Stoff zum Schreiben);
  • Gesetzbücher werden digitalisiert;
  • Das Katasterwesen und das Justizwesen werden reformiert.

Wenn es nicht überhaupt Ankündigungen von Defiziterhöhungen statt -reduktionen sind, dann ist es fast nur: Bla, bla, bla. Wir kennen freilich solche Ankündigungen schon zur Genüge. Nicht nur von früheren Programmen linker wie rechter Regierungen Griechenlands, sondern beispielsweise auch von österreichischen Regierungserklärungen. Echte Reformen und Einsparungen hatte nichts davon zur Folge.

Noch vor dem Sommer soll es eine weitere Runde Griechenland vs. EU-Europa geben. Dann wird Europa erneut feststellen dürfen, dass kein einziger der Punkte konkret Geld in die leeren Kassen gebracht hat. Dann wird Griechenland wieder einen ähnlich substanziellen Brief schreiben. Und die Euro-Länder werden wieder ein paar Tage lang die Stirn runzeln und dann halt wieder ein paar Milliarden herausrücken. Während jene wenigen Sanierungsmaßnahmen, die in den letzten Jahren doch ein wenig Fortschritte erzielt haben, wohl weitgehend zurückgenommen werden.

Wären die Euro-Politiker auch nur irgendwie zu Schuldeinsicht fähig, dann würden sie im Sommer auch sicherlich schon die verheerende Beispielswirkung Griechenlands auf die anderen Schuldnerländer zur Kenntnis nehmen können. Denn spätestens jetzt weiß alle Welt: Deutschland&Co drohen immer nur. Sie machen aber mit Garantie nie Ernst. Lieber drehen sie die Daumenschrauben für die eigenen Sparer und Steuerzahler wieder ein paar Umdrehungen fester (wie es gerade die Wiener Koalition vorbereitet), als einen eigenen Fehler einzugestehen.

PS.: Ach ja, zuvor dürfen jetzt noch einige Volksvertretungen über die neuen Griechenland-Milliarden abstimmen. Freilich glauben nur sehr naive Menschen, dass dabei die Meinung des vertretenen Volkes, der Bürger eine Rolle spielen wird . . .

 

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