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Aus Migrationsberichten kann man oft viel mehr herauslesen als aus fein gedrechselten Politikerworten.
Besonders aufschlussreich ist (schon auf Grund der Größe des Landes) etwa der deutsche Bericht. Er erfasst zwar vorerst nur 2013 – aber da war ja die europäische Wirtschaftslage nicht viel anders als in den Jahren davor und danach. Er zeigt: Es gibt Völker, wo viele Menschen Chancen ergreifen wollen und ohne Jammern dorthin ziehen, wo sie Jobs finden. Und es gibt andere Länder, wo vor allem gejammert wird, aber nur sehr wenige Bürger daran denken, trotz der hohen Arbeitslosenzahlen einen Arbeitsplatz im Ausland zu suchen. Obwohl das in der EU problemlos möglich wäre.
Seit ich die deutsche Statistik gelesen habe, hält sich mein Mitleid mit den Jammerländern in engen Grenzen. Daran können auch die zahllosen Politiker-Klagen und Tränendrüsen-Reportagen nichts ändern, die alle zeigen wollen, wie schlecht es doch den Griechen, Iren, Zyprioten, Franzosen, Italienern, Spaniern und Portugiesen ginge. Aus deutschem Verschulden natürlich.
Der deutsche Migrationsbericht zeigt jedoch ein verblüffendes Bild: nämlich, dass aus Polen weit mehr Menschen nach Deutschland gezogen sind (197.000) als aus all den genannten Krisenländern. Wohlgemerkt aus allen zusammen!
Warum hört man nie ein Klagen der Polen? Warum handeln sie einfach? Nun, wohl schon deshalb, weil sie gar nicht auf die Idee kommen, dass Jammern helfen könnte. Weil sie unter den Kommunisten noch viel Schlimmeres erlebt haben als Arbeitslosigkeit. Weil sie froh sind, dass sie frei in der ganzen EU einen Arbeitsplatz annehmen können.
Anderswo ist hingegen das soziale Netz offenbar noch immer so bequem, dass man lieber in diesem bleibt, statt die Mühsal einer Auswanderung auf sich zu nehmen. Neuerdings glaubt man sogar in etlichen Ländern, durch Wahl einer radikalen Protestpartei die eigenen Probleme lösen zu können, die durch ein schuldenfinanziertes Konsum-Jahrzehnt entstanden sind. Siehe die Linksparteien in Griechenland und Spanien. Siehe die rechtsradikalen in Frankreich.
Viele Krisenländer zerfließen vor Selbstmitleid, obwohl sie noch immer ein höheres Prokopfeinkommen haben als Polen. Die Menschen bleiben jedoch in ihrer meist schönen Heimat und warten, dass ihnen andere die Schulden zahlen. Was ja auch in hohem Ausmaß passiert ist und weiter passiert. Denn Deutschland begeht seit 2010 den folgenschweren Fehler, riesige Rettungsaktionen zu finanzieren (die dann notgedrungen auch die anderen mitfinanzieren müssen), statt der Eigenverantwortung und den daraus sich ergebenden – notwendigen! – Lernprozessen freie Bahn zu lassen. Die Deutschen haben immer Angst, dass man sie sonst Nazis heißen würde. Was ihnen freilich nichts half. Sie wurden ja dennoch beschimpft.
Zurück zur Statistik: Das Bild ist kaum anders, wenn man auf die Netto-Zahlen schaut (wenn man also von den nach Deutschland zuwandernden Menschen die in der Gegenrichtung auswandernden – oder heimkehrenden – abzieht). Auch da liegt Polen deutlich an der Spitze. Dahinter Rumänien und, immerhin, Italien.
Interessantes zeigt sich auch, wenn man umgekehrt nach Ländern sucht, wohin netto mehr Menschen aus Deutschland auswandern als von dort zuzuziehen: Das ist bei Österreich der Fall (Netto-„Verlust“ für Deutschland: 1700 Menschen). Das verblüfft auf den ersten Blick. Das hängt aber mit der ständig steigenden Zahl von deutschen Numerus-Clausus-Flüchtlingen an den österreichischen Unis zusammen. In die Alpenrepublik hat es in den Jahren davor viel mehr Deutsche auch der Arbeit wegen gezogen, als der österreichische Arbeitsmarkt noch lebendiger war als der deutsche.
Einen Netto-„Verlust“ bilanziert Deutschland aber überraschenderweise auch bei der Türkei: Über 7000 mehr wandern ab als zu. Das heißt freilich noch nicht, dass der Anteil der Türken an der deutschen Wohnbevölkerung abnehmen würde: Denn durch die Geburtenentwicklung nimmt die Zahl der Türken in Deutschland (mit oder ohne deutschem Pass) proportional weiter zu. Das zeigt aber schon, dass sich die wirtschaftliche Lage in der Türkei deutlich verbessert hat. Dass also keine neuen Massen zuwandern wie in früheren Jahrzehnten.
Am stärksten ist der deutsche Netto-„Verlust“ mit über 9000 aber gegenüber der Schweiz. Das überrascht nicht. Denn auch wenn die deutsche Wirtschaft derzeit gut dasteht, existieren halt immer noch Länder, wo die Lage deutlich besser ist. Es gibt eben nicht nur einen Udo Jürgens, der sich einst ins Schweizer Steuerparadies abgesetzt hat, sondern weiterhin jedes Jahre viele Tausend.
Die Zahlen zeigen im übrigen für Deutschland noch eine problematische Entwicklung: Bereits jedes dritte Kind unter zehn Jahren hat einen Migrationshintergrund. Das ergibt eine klare Dynamik für die Zukunft: Denn bei der Bevölkerung insgesamt hat vorerst nur jeder Fünfte einen solchen Hintergrund. Die Dynamik steigt auch noch aus einem zweiten Grund rapide: 2013 hat die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland um nicht weniger als 70 Prozent gegenüber dem Jahr davor zugenommen.
PS.: Inzwischen hat der Drang vieler Polen nach Deutschland einen Konkurrenten bekommen: Das zeigen die (schon etwas aktuelleren) russischen Daten. Denn 2014 haben mehr als 100.000 Deutsche Russland den Rücken gekehrt. Viel mehr als Bürger jedes anderen Staates. Um genau zu sein: Die russische Statistik zählt die Staatsbürgerschaft der Abwandernden, also etwas anderes als die zuvor erwähnte deutsche Statistik. Keinen Zweifel kann es aber über den Grund der Wanderung geben: Die sich rasch verschlechternde Wirtschaftslage Russlands, der tief gefallene Ölpreis und vor allem der Ukrainekrieg.