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Die Justiz macht immer fassungsloser

Langsam, desinteressiert, regierungsfreundlich und mit schwerer ideologischer Schlagseite: Das ist immer mehr der Gesamteindruck, den diverse Aktionen österreichischer Staatsanwälte erwecken. Nur den Justizminister interessieren sie nicht.

Beispiel 1: Die Staatsanwaltschaft Linz hat ein Verfahren gegen einen Mann eingestellt, der auf seiner Facebookseite, wo auch Hitlerbilder standen, geschrieben hat: „Ich könnte alle Juden töten. Aber ich habe einige am Leben gelassen, um euch zu zeigen, wieso ich getötet habe.“ Die Staatsanwaltschaft stellt das laut „Oberösterreichische Nachrichten“ mit der unfassbaren Begründung ein: Es sei ja nur „eine Unmutsäußerung gegenüber Israel“.

Der Autor war ein türkischer Friseur (was bezeichnenderweise der darüber ebenfalls berichtende „Standard“ verschweigt). Wenn man gegen Israel hetzt, darf man in den Augen der Staatsanwaltschaft offenbar alles Antisemitische sagen. Während betrunkene Jugendliche, die irgendwo ein Hakenkreuz hingekraxelt haben, mit jahrelanger Haft bedroht werden.

Gewiss: Die vorgesetzte Oberstaatsanwaltschaft will diesen Fall jetzt noch einmal „prüfen“ lassen. In Wahrheit aber hätte ein funktionierendes Justizministerium sofort ein paar Linzer Staatsanwälte ob ihrer Reaktion auf solche unerträglichen Formulierungen suspendieren müssen. Und nicht selbst untätig bleiben.

Beispiel 2: Die Staatsanwaltschaft hat zwei skandalöse Strafverfahren gegen pensionierte Höchstrichter eingeleitet. Diese haben mit Dutzenden Indizien die Haltung der Wiener Staatsanwaltschaft in Frage zu stellen gewagt, dass es im Fall Kampusch keinerlei Mittäter gegeben hätte. Besonders provokant ist der riesige Aufwand (Rufdatenauswertung, Dutzende Vernehmungen), den die Staatsanwälte da plötzlich gegen diese Richter und einen (in dieser Causa auf eigene Faust ermittelnden) Kriminalbeamten an den Tag gelegt haben. Diese gewaltige Energie, die sie aufwendet, wenn es gegen Kritiker der Staatsanwaltschaft geht, lässt sie in vielen anderen Fällen vermissen.

Fühlt sich der Justizminister als weisungsberechtigter Vorgesetzter der Staatsanwälte endlich zu handeln veranlasst? Neuerlich Fehlmeldung. Untätigkeit.

Beispiel 3: Nach über sieben Jahren ist von der Staatsanwaltschaft Wien die Causa Stiefelkönig-Bawag ohne Anklageerhebung eingestellt worden. Sieben Jahre! Gibt es irgendwen in diesem Land, der glaubt, dass die Staatsanwaltschaft da wirklich mit Energie dahinter gewesen ist? Begreift in diesem Justizapparat niemand, wie furchtbar es ist, jahrelang trotz offenbarer Unschuld als Verdächtiger zu gelten? Können pragmatisierte Beamte nicht nachvollziehen, wie viele Berufskarrieren durch ein solches rücksichtsloses Vorgehen mit lebenslänglicher Wirkung zerstört werden?

Reaktion des Justizministers? Natürlich wieder null.

Beispiel 4: Ebenfalls Jahre brauchte die Staatsanwaltschaft, um ein Verfahren gegen die ÖVP und mehrere ÖVP-Politiker wegen des Vorwurfs der Wahlkampffinanzierung auf dem Kanal Telekom-Hochegger einzustellen. Da ist nicht nur die Dauer des staatsanwaltschaftlichen Verfahrens anrüchig. Sondern erstens die unglaubliche Tatsache, dass so lange gegen Reinhold Lopatka „ermittelt“ worden ist, obwohl man mit einer 10-Sekunden-Recherche feststellen hätte können, dass er zum Zeitpunkt des inkriminierten Geldflusses schon lange nicht mehr der ÖVP-Generalsekretär gewesen ist. Zweitens aber zerstört es jeden Glauben an den Rechtsstaat, wenn Verfahren gegen Politiker und Parteien  zwar zuerst so lange geführt werden – es also vermutlich eine Substanz gegeben hat –, diese dann aber ohne jede der Öffentlichkeit bekanntgegebene Begründung eingestellt werden. Das erinnert an die Einstellung des Verfahrens gegen die Herren Faymann und Ostermayer. In deren Fall ist ja nicht nur die finanzielle Dimension der mutmaßlichen Untreue noch viel größer gewesen, sondern da war auch bekanntermaßen die Beweislage eine unglaublich dichte. Aber wieder: Einstellung ohne jede Begründung für die Öffentlichkeit.

Justizministerium? Auf Tauchstation.

Beispiel 5: Normale Menschen, die bei der Staatsanwaltschaft einen kriminellen Vorgang (samt beigelegten Beweismitteln) anzeigen, haben auch nach drei Jahren nicht einmal ein einziges Echo der Staatsanwaltschaft bekommen (außer einem falsch adressierten Schreiben, das zwar gleich wieder zurückgezogen worden ist, das aber beweist, dass die Anzeige jedenfalls eingelangt ist).

Beispiel 6: Ein engst mit der SPÖ und Freimaurerlogen liierter Rechtsanwalt (aus dessen Kanzlei ganz zufällig etliche Juristen heute Staatsanwälte sind) steht unter massivem Vorwurf, für einen zentralasiatischen Geheimdienst zu arbeiten. Ein Luxemburger(!) Server, auf dem dieser Anwalt seltsamerweise seine Unterlagen gespeichert hat, müsste dringend auf entsprechende Unterlagen untersucht werden. Der Server ist zwar beschlagnahmt, aber die Staatsanwaltschaft zeigt sich – vorsichtig ausgedrückt – nicht gerade sehr aktiv, die Dokumente auch zu Gesicht zu bekommen. Der Verfassungsschutz ist entsetzt, aber in der Staatsanwaltschaft hat man jetzt sicherheitshalber einmal einen anderen Beamten zuständig gemacht. Was ja eine bekannte österreichische Lösung ist . . .

Es steht zu befürchten: Solange da nicht der Justizminister endlich energisch einschreitet, solange nicht zumindest alle politisch relevanten Causen umgehend an die – allem Anschein nach gut funktionierende – Korruptionsstaatsanwaltschaft übertragen werden: Solange werden die Zustände immer schlimmer werden. Und die Qualifizierung Österreichs als Rechtsstaat eine immer kühnere Bezeichnung.

 

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