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Die Fakten eines Linksradikalen

Der pensionierte Betriebsrat des Wirtschaftsforschungsinstituts namens Stephan Schulmeister gehört zu jenen Exponenten der äußersten Linken und Rechten, die über die neue griechische Regierung aus ehernen Kommunisten und unappetitlichen Antisemiten hellauf begeistert sind. In einem Gastkommentar in der „Presse“ etwa konnte man jetzt schwarz auf weiß lesen, wie der Mann argumentiert. Faktenwidrig, logikfrei und historisch ahnungslos.

So polemisiert er gegen den österreichischen Wirtschafts-Nobelpreisträger Hayek, weil dieser einst das chilenische Regime Pinochet verteidigt hat. Ein um Objektivität bemühter Ökonom hätte – neben der berechtigten Kritik an Hayeks Reaktion auf die Menschenrechtsverletzungen unter Pinochet – aber auch die ökonomischen Fakten nennen müssen: Denn die damals umgesetzten liberalen Wirtschaftsreformen haben Chile bei allen Vergleichsdaten dauerhaft an die Spitze Lateinamerikas gebracht. Hingegen hat die sozialistische Schuldenpolitik in Venezuela oder Argentinien mit ihren exzessiven Staatsausgaben die früher reichsten Länder Südamerikas völlig verarmen lassen.

In Schulmeisters Logik genügt es offenbar, dass Hayek zu Chile etwas Falsches gesagt hat. Damit ist für den Ex-Wifo-Mann ohne jeden Beweis auch alles andere falsch, was Hayek sonst noch gesagt hat. Damit, so argumentiert Schulmeister, ist automatisch auch jeder andere im Unrecht, den er selbst in die Nähe Hayeks rückt (selbst wenn der Hayek gar nicht erwähnt!). Billigste linke Dialektik.

Schulmeister und die griechische Wahrheit

Dieser seltsame Seitenhieb auf den 1992 gestorbenen Hayek steht aber vor allem in totalem Kontrast zu dem, was Schulmeister im gleichen Artikel über Griechenland schreibt. Wörtlich:
„ . . . das Land hat über 50 Jahre wirtschaftlich mithalten können. Erst ab 2009 wurde es durch Finanzspekulation, Wucherzinsen, Sparpolitik und Lohnkürzungen ruiniert.“

Das ist nun wirklich atemberaubend. Denn mit diesem Behauptungen ignoriert Schulmeister:

  • Dass Griechenland genau in dieser von ihm so gerühmten Epoche viele Jahre eine brutale Militärdiktatur (ganz ähnlich der chilenischen) hatte.
  • Dass Griechenland in fast allen Jahren vor 2009 seine volkswirtschaftlichen Statistiken massiv gefälscht hat.
  • Dass Griechenland vor 2009 entgegen den vertraglichen Maastricht-Verpflichtungen kein einziges Haushaltsdefizit unter drei Prozent erzielt hatte. Trotz der statistischen Manipulationen.
  • Dass in Griechenland in den zehn Jahren vor 2009 nicht nur die Lohnstückkosten im Vergleich zur restlichen Eurozone viel teurer geworden sind, dass es den öffentlichen Sektor durch Aufnahme zehntausender unproduktiver Beamter stark aufgebläht hat.
  • Dass die Löhne im öffentlichen Sektor sich in diesem Jahrzehnt um 100 Prozent erhöht haben, während es in der Eurozone im gleichen Sektor gleichzeitig nur ein Plus von 40 Prozent gegeben hat.
  • Dass nach 2009 praktisch alle privaten Gläubiger Griechenlands (also etwa alle Banken) durch einen beinharten Schuldenschnitt schon fast alles Griechenland geborgte Geld verloren haben; dass die Gläubiger also alles, was es an „Finanzspekulation“ (=also Kredite an Griechenland) gegeben haben könnte, schon längst bitter gebüßt haben.
  • Dass Griechenland heute im Ausland fast nur noch bei anderen Euro-Staaten, Zentralbank und Währungsfonds Schulden hat: In der gigantischen Höhe von 260 Milliarden.
  • Dass Griechenland für seine Schulden keine „Wucherzinsen“, sondern seit Jahren fast gar keine Zinsen zu zahlen hat.

Nichts davon schreibt Schulmeister. Und so etwas nennt sich allen Ernstes Wissenschaftler. So etwas hat einen Lehrauftrag an der Wiener Universität. Was für Schwachsinn wird er da den Studenten noch darüber hinaus aufschwatzen, wenn schon alles falsch ist, was er in einem öffentlich lesbaren Kommentar schreibt?

Ein besonders freches Stück und eine totale Verdrehung der Fakten sind auch Schulmeisters  Ausflüge in die frühere Vergangenheit.

Die Monarchie als vorbildlicher "Sozialstaat"!

Das einzige, was an seinen Worten stimmt, ist die Tatsache, dass es 1873 und 1929 Börsencrashs gegeben hat. Was der Mann natürlich nicht mehr schreibt, ist das Faktum, dass es nur im Kommunismus keine Börsencrashes gibt, geben kann. Dass nur eine kommunistische Zentralkommando-, Elends- und Armutswirtschaft keinen Börsenkrach (also steile Kursverluste) haben kann. Wo keine Börse, da kein freier Markt, da keine Kursverluste. Ein Drittes gibt es nicht.

Der Mann lobt allen Ernstes die „Belle Epoque“ zwischen 1873 und dem ersten Weltkrieg als vorbildlichen „Sozialstaat“. Das zeigt, dass er wirklich nicht die geringste Ahnung hat, wovon er spricht. Denn der damalige „Sozialstaat“ war ungefähr hundert Mal kapitalistischer als alles, was heute in Europa Realität ist, oder was eine Margaret Thatcher oder ein Ronald Reagan umgesetzt haben.

Das zeigt sich etwa an der Einkommensteuer, dem weitaus stärksten Umverteilungs-Instrument. Diese machte in jener Epoche nur einstellige Prozentsätze aus! Auch bei den höchsten Einkommen. Damals musste man also auch von einem Spitzenverdienst nur sechs bis acht Prozent an den Staat abliefern. Heute hingegen beträgt der Spitzensteuersatz in Österreich ab 60.000 Euro Jahreseinkommen 43 bis 50 Prozent (und soll etwa nach den Plänen der FPÖ sogar auf 55 Prozent erhöht werden).

Ebenso ignoriert der sich als Wirtschaftsforscher ausgebende Ideologe, dass in der von ihm so gelobten Periode vor dem ersten Weltkrieg Staatshaushalte fast immer ausgeglichen gewesen sind.

Wer 1970 an die Macht kam

Dieses unfassbare Auf-den-Kopf-Stellen sämtlicher historischer Fakten zu jener Epoche wird noch durch das übertroffen, was Schulmeister über das Nachkriegseuropa schreibt: „Nach 1945 ermöglichen regulierte Finanzmärkte und der Ausbau des Sozialstaats den ,Wohlstand für alle‘. Seit den 1970er-Jahren (sic) dominiert wieder das neoliberale Weltbild.“

Ja wirklich, so steht es da. Offenbar weiß der arme Mann nicht, dass es genau umgekehrt gewesen ist:

  • Dass das erste Vierteljahrhundert nach dem Krieg trotz der gewaltigen Wiederaufbaukosten durchwegs mit weit niedrigeren Abgabenquoten (also viel niedrigeren Steuern) als heute ausgekommen ist.
  • Dass bis 1970 die österreichische Staatsverschuldung nie über 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gelegen ist, während sie heute bei 86 Prozent liegt.
  • Dass in den Jahren vor 1970 die Härte von D-Mark und Schilling gegen alle Ausgabenwünsche eisern verteidigt worden ist.
  • Dass die 1945 noch völlig starre Währung der Kriegswirtschaft damals in wenigen Jahren in die freie Konvertibilität übergeleitet worden ist.
  • Dass vor 1970 ständig Staatseingriffe in die Wirtschaft wie etwa Preisbindungen abgebaut worden sind.
  • Dass vor 1970 sämtliche die Wirtschaft fesselnden Regulierungen, Gesetze und Verordnungen nur einen Bruchteil des heutigen Umfangs hatten. Jeder Jurist kann das an den Laufmetern der gedruckten Gesetzblätter ablesen.
  • Dass gerade um 1970 in Deutschland und Österreich erstmals linke Finanzminister und Bundeskanzler an die Macht gekommen sind, während vorher die liberale (Freiburger) Schule der Minister Kamitz und Erhard dominiert hat, die sich sogar selbst als neoliberal bezeichnet hat.
  • Dass nach 1970 in vielen Institutionen die neomarxistische 68er Bewegung, der Schulmeister ja nicht gerade fernsteht, mit ihrem kämpferisch antiliberalen Wertegerüst an die Macht gerückt ist.
  • Dass genau ab 1970 durch die Kosten ständig neuer sozialer Wohltaten (mit denen sich  bei uns die Herren Kreisky und Androsch ein paar Jahre die Wählergunst gekauft haben) die Staatsdefizite explodiert sind.
  • Dass seit 1970 insbesondere in Österreich das reale Pensionsantrittsalter drastisch gesenkt worden ist (trotz rapide steigernder Lebenserwartung); was die weitaus größte Belastung der Staatsausgaben darstellt.

Schulmeister und Hitler

Den Gipfelpunkt seiner absurden Geschichtstheorien war aber, als Herr Schulmeister vor einigen Wochen in einem Fernsehinterview allen Ernstes die Wirtschaftspolitik Adolf Hitlers lobte. Er stellte diese positiv dem neuen Finanzminister Schelling gegenüber. Die Begründung für dieses Lob Hitlers: „Aus Depressionen sind Wirtschaften immer nur durch mehr Staatsausgaben gekommen.“ Und das habe Hitler, jedoch nicht Schelling erkannt.

Die wahren Fakten sind auch da für einen Schulmeister uninteressant.

- Wie der Umstand, dass Hitlers massive Aufrüstungspolitik nur durch den Raub aller jüdischen (und etlicher anderer) Vermögen möglich geworden ist.

- Wie die Tatsache, dass Hitler dann 1938 zur Finanzierung dieser Aufrüstung unbedingt auch den Goldschatz der österreichischen Nationalbank gebraucht hatte.

- Wie die Tatsache, dass Griechenland mit seinen seit Jahrzehnten hohen Defiziten zur Staatsausgaben-Finanzierung heute keineswegs das blühendste Land Europas ist, das es nach Schulmeisters Thesen zwingend sein müsste.

- Wie die Tatsache, dass heute Sparmeister Deutschland und das kaum verschuldete Schweden blühen, dass das Krisenland Irland sich nach einem – kurzen, wenn auch schmerzhaften – Austeritätskurs schon wieder wirtschaftlich super erholt hat.

Schulmeisters Ausführungen zur Hitlerschen Wirtschaftspolitik sind ungefähr so provozierend, grob unvollständig und damit falsch wie einst die eines Jörg Haider bei einem Zwischenruf im Kärntner Landtag über Hitlers Beschäftigungspolitik. Der einzige Unterschied: Haider wurde dieser Zwischenruf jahrzehntelang von jedem Linken als untilgbare Erbsünde vorgehalten. Die Äußerungen eines Schulmeisters werden hingegen trotz der televisionären Öffentlichkeit ignoriert. Er wird allen Ernstes vom ORF auch weiterhin ständig als „Experte“ eingeladen.

Aber klar: Es finden ja auch weder Schulmeister noch der ORF etwas an den antisemitischen Aussagen des Chefs der kleineren griechischen Regierungspartei (Juden zahlen keine Steuer). Dabei sind diese weit schlimmer als alles, was jemals ein FPÖ-Parteichef am Kerbholz hatte. Es hat auch noch keine einzige SPÖ-Feministin etwas dagegen gesagt, dass es keinen einzigen weiblichen Minister in der griechischen Regierung gibt.

Gewiss, die Welt ist voller skurriler Verschwörungstheorien, Heucheleien und Geschichtsverdrehungen. Aber wenn sie nur links genug sind, befördern sie aus Provinzhinterzimmern ans Pult von Universitäts-Hörsälen und an ORF-Diskussions-Tische.

 

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