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Bisher war die Strategie der SPÖ machtpolitisch logisch: Da man die Arbeiterschaft schon zur Hälfte an die FPÖ verloren hat, hatte man sich in den letzten Jahren zunehmend auf die Zuwanderer insbesondere aus dem Balkan und der Türkei gestützt. Vor allem unter den Austrotürken hat man damit auch wählermäßig große Erfolge erzielt. Jetzt aber ist die SPÖ so tief in den Strudel innertürkischer Fronten geraten, dass ihr nun auch diese Wähler zu einem guten Teil wegbrechen.
Das war freilich vorhersehbar: Denn die Austrotürken sind alles andere als ein monolithischer Block. Die innere Spaltung der Türkei hat sich in den letzten zwei Jahren so vertieft, dass es auch hierzulande praktisch unmöglich wurde, sowohl Regime-Gegner wie -Anhänger im gleichen Parteilager zusammenzufügen. Viele der Türken hier fühlen sich – trotz des vor allem auf Drängen der SPÖ bald erhaltenen österreichischen Passes – emotional weiterhin primär mit den alten Lagern verbunden.
In dieser Situation setzt die SPÖ nun aber in wahltaktischer Hinsicht auf das eindeutig falsche türkische Pferd. Sie positioniert sich gegen die türkische Regierung und für die Opposition. Diese scheint aber auch in Österreich eindeutig das kleinere Lager zu sein (wenn man etwa die Teilnehmerzahlen der diversen Demonstrationen des ablaufenden Jahres vergleicht).
Diese Festlegung der SPÖ ist moralisch sehr anerkennenswert. Sie ist aber auch mit ein Grund, dass die Partei bei Umfragen seit Monaten absackt (wenngleich verkürzte Analysen plötzlich alle SPÖ-Rückschläge nur Werner Faymann in die Schuhe schieben – aber der war auch schon vorher der neben Viktor Klima schwächste Bundeskanzler der Nachkriegszeit gewesen).
Ärger beim austrotürkischen Elektorat hat der SPÖ wohl auch die Absicht eingebracht, zusammen mit der ÖVP ein neues Islamgesetz einzubringen, das von einem Teil der hier lebenden Moslems strikt abgelehnt wird. Auch diese Absicht spricht moralisch ganz klar für die SPÖ (und ÖVP). Denn so ein Gesetz, das Klarheit verlangt, was denn eigentlich Islam sei, ist dringend notwendig. Aber es war wahltaktisch sehr mutig, diese Front aufzureißen.
Bei den Anhängern des türkischen Machthabers Erdogan wird ein Gesetz geradezu als Kampfansage empfunden, das es islamischen Einrichtungen in Österreich verbietet, sich weiterhin aus der Türkei oder anderen Ländern finanzieren (und damit natürlich auch: befehlen) zu lassen.
Man kann gespannt sein, ob es die SPÖ dennoch wagt, das Islamgesetz auch formell zu beschließen. Freilich: Wenn sie jetzt noch zurückzieht, dann ist das in den Augen vieler nichtislamischen Österreicher ein peinliches Schwächezeichen, das ebenfalls schaden wird. Und das die islamkritische Bewegung so stark wie in Deutschland anschwellen lassen wird.
Unklar ist freilich, wer in der SPÖ überhaupt all diese Zusammenhänge durchschaut. Derzeit jedenfalls darf die türkischstämmige SPÖ-Nationalratsabgeordnete Nurten Yilmaz ungehindert die Türkei überaus offen kritisieren – und damit die zahllosen Erdogan-Anhänger hierzulande von der SPÖ vertreiben.
So sagte sie jetzt in einem Interview mit einer türkischen Oppositionszeitung sogar, das Land befinde sich seit 2011 „in den Zwängen einer Diktatur". Sie hat damit sicher Recht. Sind doch erst im Dezember in der Türkei mindestens 28 Journalisten wegen einer regimekritischen Meinung verhaftet worden. Yilmaz formuliert dabei sogar kaum verhüllte Revolutionsaufrufe: „Wenn das türkische Volk nicht bald aufwacht und Stopp sagt, sehe ich schwarz für das Land."
Ganz auf sozialistisch-laizistischem Kurs bewegt sie sich freilich dennoch nicht. Denn sie stellt sich weitgehend an die Seite der Hizmet-Bewegung des in den USA lebenden islamischen Predigers Fethullah Gülen, eines Mannes, der lange enger Verbündeter von Machthaber Erdogan gewesen ist, jetzt aber von diesem militant verfolgt wird. Was aber nichts daran ändert, dass die Aussagen von Yilmaz (wie Gülen) richtig sind: „Die Türkei sticht aktuell sehr hervor in Bezug auf Bestechung und Korruption." Die „Schiebungen der Regierenden" seien in der gleichen Liga wie in manchen afrikanischen Staaten.
Alles richtig, mutig und klar. Aber die Folge ist: Die konservativ-islamischen Austrotürken suchen sich jetzt eine neue politische Heimat. Die gar nicht so einfach zu finden sein wird. Denn auch in ihrem bisherigen österreichischen Zweithafen, bei den Grünen, gibt es einen türkischstämmigen Bundesrat, der betont liberal und religionskritisch auftritt.
Werden die Erdogan-Anhänger in Österreich vielleicht in ein paar Jahren sogar mit einer eigenen Islampartei antreten? Oder wird bei ÖVP, FPÖ, Neos oder Stronachs plötzlich irgendwo die Liebe zum konservativen Islam entdeckt werden?