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Es gibt weltweit so viel Öl- und Gasangebot wie noch nie; die Preise für Öl und Gas sind im reinen Sturzflug. Das ist die beste Entwicklung seit langem. Die grünen Untergangspropheten der letzten Jahrzehnte, das Peak-Oil-Geschwafel, zahllose NGOs und insbesondere auch der Club of Rome (demzufolge uns lange schon das Öl ausgegangen sein sollte): Sie alle sind bis auf die Knochen blamiert.
Das Ölangebot ist nicht etwa wegen der vielen um teures Geld gebauten Windmühlen und Solarpaneele gestiegen, sondern weil genau das passiert ist, was liberale Marktwirtschaftler immer prophezeit haben. Höherer Preis erhöht das Angebot. Der in den letzten Jahrzehnten gestiegene Ölpreis hat so viel Forschung und Investitionen ausgelöst, dass viele bisher ungeahnte Ölausbeutungsformen entwickelt worden sind, und dass viele neue Öl- und Gasfelder gesucht und gefunden worden sind. Gleichzeitig hat die Finanzkrise für ein Sinken des Energiehungers der Industrie, aber auch der Konsumenten gesorgt.
Das ist in den letzten Jahrzehnten passiert. Und das löst nun – natürlich mit Zeitverzögerung, aber wiederum genau den Marktgesetzen folgend – ein Überangebot und einen erfreulichen Preisverfall aus.
Manche Verschwörungstheoretiker glauben freilich, hinter den Kulissen zwei große politische Intrigen zu sehen. Die einander jedoch total widersprechen:
Nichts davon scheint sehr wahrscheinlich. Wenn die USA vom Ölimport zum Ölexportland und größten Ölproduzenten werden, ändern sich ganz ohne Verschwörungen die Spielregeln der gesamten Weltwirtschaft. Richtig ist jedoch, dass dieser Preisverfall vielerorts dramatische politische, ja welthistorische Auswirkungen auslösen dürfte. Einige seien kurz analysiert.
Der flächengrößte Staat der Welt leidet am meisten unter dem Ölpreisverfall. Denn Russland ist trotz all seines Weltmachtgehabes total von seinen Rohstoffexporten abhängig. Moskau hat es im letzten Vierteljahrhundert überhaupt nicht geschafft, irgendwelche Industrien – oder gar Dienstleistungen – aufzubauen, die unabhängig von Öl, Gas und anderen Rohstoffen Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen würden.
Damit ist aber der Ölpreisverfall auch eine wachsende Quelle der Hoffnung, dass Russland jetzt endlich seine Eroberungskriege einstellt und wieder – wie unter Gorbatschow und Jelzin – zu einem verantwortungsbewussten Mitglied der Weltgemeinschaft wird. Denn wenn Putin nichts tut, würde sich die jetzige Zustimmung der Menschen zu seinem Kurs bald in massenhafte Frustration ob eines absackenden Lebensstandards verwandeln.
Die Schlächterbande Islamischer Staat hat ebenfalls nur mit Ölverkäufen – und mit heimlichen Geldflüssen aus den Ölstaaten am Golf – ihren Krieg finanzieren können. Also auch da ist der Ölpreisverfall geradezu Hoffnung pur.
In Südamerika hat nur der Öl-Boom der letzten Jahrzehnte eines der absurdesten sozialistischen Experimente der Gegenwart finanzieren können. Dieses hat aber in Wahrheit das einst hochzivilisierte und entwickelte Venezuela weit zurückgeworfen. Auch da schafft der Preissturz gute Aussichten, dass der Wahnsinn bald zu Ende sein könnte. Wenngleich die Gefahr besteht, dass sich die Machthaber noch eine Zeitlang mit blutigen Konsequenzen festzukrallen versuchen könnten.
Dieses Land wird – ebenso wie Russland – derzeit doppelt getroffen: durch politische Sanktionen des ganzen Westens einerseits und andererseits durch den Ölpreisverfall. In dieser Kombination liegt mit Sicherheit der Hauptgrund für die sichtbar gewordene Kompromissbereitschaft. Iran ist jetzt auch angesichts der wachsenden Unruhe in der Bevölkerung verstärkt unter Druck.
Es sieht sich zunehmend gezwungen, durch eine Einigung über die – von aller Welt vermutete – Entwicklung von Atombomben-Kapazitäten wenigstens die Sanktionenlast wegzubekommen. Auch wenn einige Steinzeit-Mullahs sich da noch ein wenig gegen den endgültigen Kompromiss sträuben.
Die Golf-Länder sind zwar in ihrer Stabilität durch den Preisverfall nicht gefährdet. Dazu sind sie viel zu reich. Aber auch ihnen werden künftig etliche Milliarden Dollar weniger überbleiben, mit denen sie bisher radikale Islamisten, Wahabiten-Imame, Muslimbrüder und ähnliche bedrohliche Erscheinungen in Europa finanziert haben.
Diese beiden Länder seien als Exempel öl- und rohstoffarmer Staaten genannt. Beide beweisen: Ein Rohstoffsegen ist kein Segen, sondern ein Fluch. Nachhaltiger und stabiler Wohlstand lässt sich viel besser durch den Fleiß der Menschen, Kreativität, kapitalistische Freiheit und eine sehr differenzierte Industrie erreichen (sowie Dienstleistungen im Falle der Schweiz).
Dass Rohstoffe ein Fluch sind, zeigt umgekehrt etwa auch die portugiesische Geschichte: Jenes Land hat einst rund hundert Jahre lang durch das Gold aus der Neuen Welt enorm profitiert – aber seit dessen Versiegen nur noch gedarbt und es nie verstanden, sich rohstoffunabhängig zu entwickeln.
Es ist völlig logisch, dass als Folge des Ölpreisverfalls die Inflation im Euroland zurückgeht oder in eine leicht deflationäre Preisstabilität umschlägt. Das ist geradezu zwingende Folge, wenn eines der wichtigsten Konsumprodukte deutlich billiger wird, das in so vielen Preisen drinnensteckt, die mit dem Verbraucherpreisindex gemessen werden. Ob das nun zum Beispiel Heizung, Transportkosten oder der Benzinpreis ist.
Völlig absurd ist es hingegen zu glauben, dass wegen des Ölpreisverfalls irgendeine Investition zurückgehalten wird. Es sind nur total weltfremde Ökonomie-Theoretiker, die behaupten, dass sich die Konsumenten deshalb zurückhalten, weil sie auf einen kommenden Preisverfall auch bei anderen Gütern bauen; dass die Industrie Investitionen verweigert, weil sie annimmt, dass die Lohnkosten, die Preise der Zulieferer sinken werden.
Die europäische Flaute hat ganz andere Ursachen als die von linken Ökonomen ständig beschworene Deflationsangst. Die wahren Ursachen sind die Überregulierung, die Zukunftsangst aufgrund der rapid steigenden Schulden, die völlig falschen, jede Eigenverantwortung ad absurdum führenden „Rettungs“aktionen und die enorm hohen Steuern zugunsten unproduktiver Staatsfinanzen und zugunsten des exzessiven Wohlfahrtsstaats.
Freilich: Würden die Regierungen das zugeben, müssten sie nicht nur Fehler zugeben, sondern auch Reformen setzen. Diese aber bekämpfen fast überall die Gewerkschaften bis aufs letzte. Und kaum eine Regierung wagt dagegen aufzutreten.
Lächerlich sind hingegen die in den letzten Wochen von manchen Putin-Verstehern geschürten Ängste vor einem kalten Winter, in dem das Gas ausbleiben würde. So geisteskrank kann nicht einmal der ärgste russische Chauvinist und Imperialist sein, dass er Europa jetzt den Gashahn abdrehen und sein eigenes Land damit im Rekordtempo in den Bankrott jagen würde. Der auch ein langfristiger wäre, da Russland damit jede Glaubwürdigkeit als Lieferant verlieren würde.
Die große Gefahr trotz der erfreulichen Preissenkungen besteht in Österreich (und anderen europäischen Ländern) darin, dass die Regierung flugs die Mineralölsteuer erhöht. Die Politik könnte damit rechnen, dass in Zeiten sinkender Preise der Widerstand der Bürger gegen höhere Ölsteuern relativ gering ist. Gerade im Reformverweigerland Österreich braucht sie jedenfalls dringend Geld, um ihre Einsparungsunlust übertünchen zu können.
Aber bis das passiert: Freuen wir uns einfach. Über die nächste Tankrechnung, über die nächste Heizungs-Abrechnung.