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Die Kirche, die Schwulen und das, was wichtig ist

Die katholische Kirche hat sich in eine Sackgasse manövriert, aus der sie jetzt kaum mehr herauskommt. Sie ist so tief gespalten wie seit Generationen nicht. Auf der einen Seite stehen jene, die doktrinär ein ideales und perfektes Familienbild als einzig erlaubtes und seligmachendes verordnen wollen, dem aber nur wenige Promille der Menschen lebenslang nachzukommen vermögen; und sie ignorieren alle anderen Menschen, wenn diese nicht diese Perfektion erreichen können oder wollen. Auf der anderen ebenso doktrinären Seite stehen jene, die quasi automatisch alles, was existiert, für gut oder gar vorbildlich erklären, die jeden Andersdenkenden als hoffnungslos rückschrittlich verachten. Die Kirche droht es in diesem manichäischen Konflikt zu zerreißen.

Ihr geht die Gelassenheit der Mitte verloren. Katholiken, die sich nicht zu einem der beiden Pole zählen, sind heimatlos geworden. Und nur noch verwundert.

Jene, die an einem Familien-Idealbild als einzig möglicher Lebensvariante festhalten, vergessen nicht nur das christliche Prinzip der Barmherzigkeit und Nächstenliebe. Sie ignorieren auch die Realität. Denn diesem Idealbild entsprechen nicht nur heute die allermeisten Menschen nicht. Genausowenig taten das frühere Generationen. Es war nur einst die Heuchelei viel erfolgreicher, die Diskrepanz zwischen Sein und Schein viel größer.

Diese Fundamentalisten haben vor allem auch nie logische Antworten auf den Vorhalt gefunden, dass sie jede Relation verloren haben, dass sie Sexualität total überbetonen, dass sie letztlich einen Mörder kirchlich viel weniger streng bestrafen wollen als einen geschiedenen Wiederverheirateten. Dieser gilt als lebenslanger Wiederholungstäter, jener kann hingegen per Beichte seine Sünde loswerden.

Sie ignorieren auch, dass bei Christus keineswegs eine strenge, bis ins kleinste Detail geregelte Sexualmoral im Mittelpunkt seiner Lehre gestanden ist. Sie machen aus einem einzigen, sich wahrscheinlich(!) auf die Unauflöslichkeit der Ehe beziehenden Satz des Neuen Testaments das Fundament einer gesamten Moraltheologie. Und sie ignorieren viele anderen Sätze der Bibel, wie etwa die für Christus viel wichtigeren von der Nächstenliebe.

Auf der anderen Seite stehen jene, die homosexuelles Verhalten als „vorbildlich“ hinstellen. Die glauben, wenn sich die Kirche nur lange genug weiter der Realität dieser Welt und einem linken (70er Jahre) Zeitgeist anpasst, dass es ihr dann wieder besser geht. Oder gar, dass die Totalanpassung christlich wäre. Sie bekämpfen ein von den Gegnern absolut und steinern verfochtenes Ideal dadurch, dass sie überhaupt kein Ideal mehr sehen wollen. Anything goes.

Sie sind damit genauso dogmatisch-fundamentalistisch. Sie begreifen auch nicht, was sich in der wirklichen Welt derzeit abspielt. In der sind derzeit homosexuelle Lobbies auf allen Ebenen unglaublich aggressiv unterwegs. Diese benutzen jede unbedachte Äußerung eines Kirchenmannes, in der homosexuelle Beziehungen als „vorbildlich“ hingestellt werden, zu einem neuen Triumphzug.

  • Diese Lobbies verlangen (und bekommen) heute ohne jede belastbare Begründung Witwer-Renten für schwule Partner, während viele Familien und Alleinerzieher darben müssen, weil zu wenig Geld für die Familienbeihilfe da ist.
  • Sie wollen Entwicklungshilfe nur dann gewähren, wenn ihre eigenen Forderungen erfüllt werden.
  • Sie setzen im Miet- und Arbeitsrecht durch nichts begründete Privilegien zu Lasten Dritter durch.
  • Sie starten Hand in Hand mit rotgrünen Antikirchenkämpfern einen Shitstorm gegen jeden, der etwa bei den Adoptionen die geltende Rechtslage für gut hält.
  • Sie tragen – etwa in den rotgrünen Bundesländern Deutschlands – mit sehr expliziten Worten und Darstellungen die Propaganda bis in die Schulbücher, dass es eine völlig gleichwertige und durchaus positive Option wäre, sich homosexuell zu betätigen; womit sie Kinder in einem überaus prägungsfähigen und orientierungssuchenden Alter ansprechen.
  • Sie überschwemmen – siehe die Conchita- oder Lifeball-Propaganda des ORF und der Bank Austria – die Öffentlichkeit mit der grotesken Perspektive, dass Schwulheit besonders vorbildlich wäre.
  • Sie wollen Zugriff auf Adoptivkinder bekommen.
  • Sie wollen die einstige – üble – Diskriminierung durch eine Privilegierung als Gutmensch par excellence ersetzen; und immer weniger trauen sich offen zu sagen, dass das genauso übel ist.

Kultur der Dekadenz vor dem Untergang

Nach dem weitgehenden Erfolg auf der Gesetzgebungs-Ebene in Sachen Homo-Ehe stürmt die sich für gutmenschlich haltende Volksfront schon die nächste Tabu-Mauer: Der deutsche Ethikrat hat sich mehrheitlich für eine Aufhebung des Inzestverbots ausgesprochen. Er gibt zwar zu, dass dieses in fast allen Kulturen seit der Antike bestehende Verbot nicht nur gesellschaftlich und kulturell bedingt ist, sondern dass es auch einen wichtigen genetisch-gesundheitlichen Nutzen hat (wegen der Zahl von Erbkranken, die auch bei den im Islam häfigen Cousin-Heiraten viel häufiger als bei Fremd-Ehen sind.) Aber der Ethikrat lässt sich halt von ein paar Einzelfällen mehr beeindrucken, in denen die Strafbarkeit hart erscheint (etwa wenn Geschwisterliebe – gesunde oder kranke – Kinder gezeugt hat).

Man kann jenen Pessimisten nicht wirklich überzeugt widersprechen, die schon vorhersagen: Wenn auch diese Mauer gefallen ist, wird unsere untergehende Dekadenz-Kultur danach auch die letzten noch existierenden Tabus beseitigen. Wie etwa durch die gesetzliche Anerkennung von Polygamie. Auch da kann man ja sagen, dass man alle Beteiligten aus dem Dunkel ihres Sexuallebens ins Licht der Vorbildlichkeit holen wolle. Dass man also nur Gutes wolle.

Gewiss werden in der Kirche viele sagen, dass das doch nicht beabsichtigt sei. Sie begreifen nur nicht, dass jeder kleinste Zwischenton einer einstmals weltweit respektierten moralischen Autorität in der heutigen Öffentlichkeits-Gesellschaft sofort missbraucht wird. Dass er den Weg in die Dekadenz weiter öffnet.

Weltfremdheit

Gewiss könnten jene sogar Recht haben, die meinen, Christoph Schönborns Wort von „vorbildlichen“ Homosexuellen sei eigentlich nur Produkt seiner Weltfremdheit. Daher sei er total über seine Entdeckung überrascht, dass es auch unter Homosexuellen Menschen gibt, die sich so wie viele Heterosexuelle oder Asexuelle zwischenmenschlich eindrucksvoll verhalten. Oder die, wie er es früher einmal gesagt hat, „liebenswert“ sind.

Aber die Überraschung weltfremder Menschen ist halt doch nicht das, was man sich von der Mannschaft des letzten moralischen Leuchtturms dieser Welt erwarten würde. Man hätte sich von dieser Mannschaft sogar einiges an mutiger Weisheit zu den Entwicklungen in Gesellschaft und Politik erhofft. Und nicht ein opportunistisches Nachplappern der Parolen von Zeitgeistmagazinen.

Ein Indiz für die Weltfremdheit ist auch, dass die Berichte afrikanischer Bischöfe auf der Synode über den Druck des Westens in Sachen Homosexualität offenbar für den Wiener Kardinal eindrucksvoller waren als der homosexuelle Lobbyismus im eigenen Land. Der halt kein Synodenthema war. Dabei ist gerade der Umgang afrikanischer Länder mit Homosexuellen durchaus ein Skandal (Haft- und sogar Todesstrafen!), den man kritisieren muss. Während es im Westen total übertriebene Forderungen in Richtung Überprivilegierung gibt.

Das besonders Beklemmende: Zur gleichen Zeit, da sich die Kirche komplett auf die Sexualthemen konzentriert, findet in der islamischen Welt die größte Christenverfolgung der Geschichte statt. Durch eine Kriegsreligion, die in ihrem Totalitarismus auf manche junge Menschen offensichtlich viel erfolgreicher Eindruck macht als sich zeitgeistig gebende Bischöfe. Dass die Opfer dieser Christenverfolgung über die in Rom gewälzten Sorgen nur noch in Verzweiflung verfallen können, sollte eigentlich nicht so schwer zu begreifen sein.

PS ad Ethikrat: Dieser hätte taktisch klüger noch ein wenig länger mit seinem Inzest-Plädoyer geschwiegen, bis er das wahre Ziel erreicht hat, nämlich die Einführung eines obligatorischen Ethik-Unterrichts. Dann würden die „Ethiker“ ja mit ihrer scheinbar objektiven Moral zum unangreifbaren obersten Ethik-Schiedsrichter. Ein Ziel, das ja auch schon vielen Sektengründern vorgeschwebt ist . . .

PPS ad Bischöfe: Schwer verdaulich ist auch, wie undifferenziert viele Bischöfe immer den gegenwärtigen Papst de facto als absoluten und unfehlbaren Heilsbringer darstellen, der in allem und jedem richtig liegt. Menschen mit längerem Gedächtnis haben aber noch in Erinnerung, dass dieselben Bischöfe haargenau dieselbe totale Verehrung auch bei allen früheren Päpsten praktiziert haben – selbst wenn diese ganz anders gehandelt und geredet haben. Auch da täten ein bisschen mehr Gelassenheit und das Eingeständnis gut, dass selbst nach strenger dogmatischer Lehre Päpste (mit einer einzigen formalen Ausnahme) immer irren können.

 

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