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Deserteure aller Art

Auf einem der prominentesten Plätze Wiens gibt es nun, genau zum Nationalfeiertag, ein Deserteursdenkmal. Ist das gut oder schlecht – oder eh schon längst wurscht, wie alle Aktionen einer zunehmend von den Bürgern verachteten Politik empfunden werden?

Für mich ist einmal prinzipiell jedes Denkmal schlecht. Denkmäler passen ins 19. Jahrhundert, wo sie Mode waren und für unzählige – heute vielfach unbekannte – Menschen und Anlässe errichtet wurden. Später hat dann der Denkmalkult unter den totalitären Regimen von Nationalsozialismus und Kommunismus einen zweiten traurigen Höhepunkt erlebt.

Eigentlich sollte man ja meinen, dass das gereicht hätte, um allen besonnenen Menschen für die nächsten paar Jahrhunderte jede Lust an Denkmälern auszutreiben. Zumindest an Denkmälern mit politischer Dimension. Aber auch bei Komponisten und Dichtern sollte man mindestens einmal 100 Jahre warten, ob sie wirklich im allgemeinen Gedächtnis geblieben sind, bevor man sie dann für eine vermeintliche Ewigkeit mit Stein, Stahl und Beton ehrt. Jeder, der auch nur ein paar Jahrzehnte überblicken kann, weiß, wie viele eine Zeitlang gefeierte Dichter, Maler, Komponisten heute völlig vergessen sind. Dass aber andere, zu Lebzeiten oft völlig vergessene ein anscheinend dauerhaftes Comeback gefeiert haben. Aber weder das eine noch das andere ist durch Stein, Stahl, Beton beeinflusst worden.

Ein wenig kommt einem da auch in den Sinn, dass in Wien nur halb so viele Wohnungen errichtet werden, wie benötigt werden, egal ob aus Beton oder Stahl. Vielleicht sollte man sie eher dafür verwenden. Aber zugegeben: Dieses Argument rutscht schon sehr tief auf die Ebene des sonst eher bei Sozialdemokraten üblichen Spießbürgertums „Wos brauch i des?“ ab. Interessanter ist die Tatsache, dass man heute scheinbar ganz selbstverständlich die Steuerzahler für alle dabei entstehenden Kosten zahlen lässt. Die Denkmäler des 19. Jahrhunderts sind hingegen meist von Komitees errichtet worden, für die Bürger aus der eigenen Tasche gespendet hatten.

Aber das ist halt die Degeneration vom stolzen Bürgertum zum real existierenden Schuldensozialismus . . .

Desertion heute - und vor 70 Jahren

Nun zum konkreten Inhalt der Ehrung, den Deserteuren. Wie sind sie zu bewerten?

In der Bundesrepublik Deutschland oder der Republik Österreich sind heutige oder künftige Deserteure sicher negativ zu beurteilen. Österreich und Deutschland bestrafen zu Recht alle jene Soldaten, die sich bei einem Einsatz von Bundesheer/Bundeswehr absentieren. Landesverteidigung wie auch gefährliche Katastropheneinsätze sind eindeutig in einem demokratischen Rechtsstaat nur dann möglich, wenn sich nicht jeder beim erstbesten Anlass folgenlos absentieren kann. Wird ein solches Verhalten etwa gar zum Vorbild erhoben, läutet es das Ende eines Staates ein.

Dieser Eindruck, dass Desertion für sie eigentlich immer etwas Lobenswertes sei, wird von den linken Stimmungsmachern in Medien und Politik rund um das neue Denkmal zumindest nicht zurückgewiesen. Von manchen ist dieser Eindruck wohl auch unausgesprochen beabsichtigt. Haben doch gar nicht so wenige der heutigen rotgrünen Machtinhaber in den 70er und 80er Jahren an aggressiven Antiheeres-Demos teilgenommen.

Wie aber sind Deserteure zu bewerten, die im zweiten Weltkrieg oder schon davor der nationalsozialistisch kontrollierten Wehrmacht entflohen sind, die dieser den Gehorsam verweigert haben? Auch diese darf eine objektive Bewertung nicht über einen Kamm scheren.

  • Da gibt es an der Spitze die heldenhafte Gruppe, in welcher der Name Franz Jägerstätter sicher der bekannteste ist. In diese Gruppe gehören alle jene Menschen, die bei einem Angriffskrieg, bei der direkten oder indirekten Unterstützung für die nationalsozialistischen Verbrechen durch die Wehrmacht aus Gewissensgründen nicht mitmachen wollten. Gleichgültig, ob diesem Verhalten nun religiöse, pazifistische, charakterliche oder ideologische Gründe zugrunde lagen  oder die Empörung über den Umgang mit den Juden oder vielleicht auch über die Vernichtung Österreichs: Vor all den vielfältigen Angehörigen dieser Gruppe kann man nur zutiefst den Hut ziehen. Ob die einzelnen ihren Schritt damals nun überlebt haben oder nicht. Ob sie ganz dem Krieg entrinnen wollten oder dann in amerikanischen, britischen, französischen Armeen gegen Hitler gekämpft haben. Ob bei ihrer Desertion mehr oder weniger Mut notwendig gewesen ist. Sie sind und bleiben Vorbilder, auch wenn viele von uns vielleicht in ihrer Situation nicht den Mut gehabt hätten, genauso zu handeln.
  • Respekt und durchaus Verständnis bringe ich auch noch einer anderen Gruppe unter den Deserteuren entgegen: Das sind alle jene, die einfach nur ihr Leben retten wollten. Ein solches Verhalten ist erstens total nachvollziehbar und zeigt zweitens, dass diese Männer jedenfalls nicht vom nationalsozialistischen Gift infiziert gewesen sind, dass sie den infamen „Eid auf den Führer“ nicht ernst genommen haben, als erzwungen ignoriert haben. Das heißt aber nicht, dass die anderen, die dem Soldatensein nicht entrinnen konnten, schlechtere Menschen gewesen wären. Nur spätgeborene Heuchler verurteilen Menschen, nur weil sie auf die eine oder andere Weise einfach überleben wollten, weil ihr primäres Gefühl Angst gewesen ist.
  • Sehr wenig Respekt habe ich hingegen für die dritte Gruppe: Das sind jene, die nahtlos zu anderen totalitären Streitkräften übergelaufen sind. Die den Teufel Nationalsozialismus mit dem Beelzebub Kommunismus austreiben wollten. Eine verbrecherische Verblendung durch die andere zu ersetzen, ist nicht besonders vorbildlich. Und es ist schon gar nicht ein Intelligenzausweis. Gewiss hat es damals sowohl bei den Kommunisten wie auch den Nationalsozialisten Menschen gegeben, die überzeugt waren, aus Idealismus zu handeln. Menschen aber, bei denen Charakter UND Intelligenz zusammengefallen sind, haben sich auch schon damals von beiden Totalitarismen ferngehalten, so weit das in so furchtbaren Zeiten eben möglich war.
  • Dann gab es die vierte Gruppe. Das sind jene, die durch die Umstände ihres Überlaufens das Leben von anderen jungen Männern, „Kameraden“, gefährdet haben. Aber auch diese anderen Soldaten waren in den allermeisten Fällen keine überzeugten Nazis oder Kriegsverbrecher, sondern einfach von einem totalitären Terrorregime in den Krieg gezwungene Männer. Daher ist es eindeutig negativ zu beurteilen, wenn man ihr Leben (zusätzlich) gefährdet hat.
  • Und schließlich gab es natürlich auch Deserteure, die sich durch ihre Flucht der Verfolgung wegen eines echten Verbrechens entzogen haben, also etwa wegen eines Mords oder Raubs aus völlig unpolitischen Motiven. Auch solche Verbrecher hat es unter den Deserteuren gegeben. So wie man sie auch in jeder anderen Bevölkerungsgruppe findet. Es war ja nur die Zensur der Nazis, die meist verhinderte, dass über die „normale“ Kriminalität informiert wurde; deshalb war damals bei einfachen Gemütern der Eindruck entstanden, die Nazis hätten mit Verbrechen aufgeräumt.

Das sind jedenfalls fünf total unterschiedliche Gruppen. Es ist unanständig, dass die jetzt alle von einer ideologisch manipulativen Zeitgeschichts(um)schreibung in einen Topf geworfen werden. Die einen werden geradezu entehrt, wenn sie solcherart mit den anderen gleichbehandelt werden.

Genauso falsch wie es war, jahrzehntelang alle Deserteure geringzuschätzen, genauso falsch ist heute deren undifferenzierte Verehrung. Da schon mindestens 98 Prozent der Betroffenen tot sind, taucht der Verdacht auf, dass man heute mit diesem Denkmal in Wahrheit gar nicht eine differenzierte Aufarbeitung der Vergangenheit versucht, sondern eine sehr gegenwartsbezogene Taktik. Dass man dadurch sein aktuelles Versagen auf vielen Politikfeldern von einem edleren Licht überstrahlen lassen möchte. Dass man sich selbst zum Trittbrettfahrer von verehrungswürdigen Figuren wie Jägerstätter & Co macht.

Einem Jägerstätter selbst hat man kein so pompöses und prominentes Denkmal errichtet. Dann hätte man ja nicht gleich in einem Aufwaschen Überläufer zu kommunistischen Partisanen bejubeln können. Dann hätte man auch die erstaunliche Tatsache zugeben müssen, wie wenig Widerstand gegen die Nazis es gerade unter den Sozialdemokraten gegeben hat.

 

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