Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Die „Verhetzung“: Aus der Welt einer Diktatur

Die „Verhetzung“ soll strenger bestraft werden. Auf das hat sich offenbar die Regierung als Reaktion auf Aufrufe zu Terroraktionen geeinigt. Das ist an sich richtig. Nur wird dabei die Gelegenheit, diesen Paragraphen gleichzeitig seiner Absurditäten zu berauben, offenbar nicht wahrgenommen.

Der „Verhetzungs“-Paragraph besteht nämlich aus zwei Teilen. Die Strafbarkeit eines Aufrufs zu Gewaltaktionen ist absolut richtig und notwendig. Das ist auch ihre nunmehr bevorstehende Verschärfung. Künftig soll man sich auch schon dann strafbar machen, wenn man vor einem weit kleineren Personenkreis zur Gewalt aufruft (zehn etwa).

Leider lässt aber die Politik den Paragraphen ansonsten offenbar unangetastet. Dieser bedroht nämlich auch die Verächtlichmachung bestimmter geschützter Gruppen mit mehrjährigen Haftstrafen oder das Hetzen gegen diese mit zwei Jahren Haft. Das war und ist absurd.

Der Paragraph hat schon zu mehreren unerquicklichen Prozessen geführt, bei denen aber zum Glück die Richter strafwütige Staatsanwälte bisher – bisher! – in die Schranken gewiesen haben. Aber niemand weiß, ob sich nicht eines Tages ein anderer Richter profilieren will, indem er die gummi-artigen und nicht definierten Worte „Verächtlichmachen“ und „Hetzen“ einfach anders definiert. Indem beispielsweise ein Steirer bestraft wird, weil er Burgenländer-Witze erzählt hat. Womit er diese ja oft eindeutig verächtlich zu machen versucht hat.

„Verächtlichmachen“ und „Hetzen“ sind in meinem Verständnis zwar eindeutig geschmacklos. Aber Megastrafen dafür gehören ins Strafsystem von Diktaturen. Außerhalb von solchen sollten sie eher zu den Ehrenbeleidigungen gehören.

Dabei bestünde jetzt sogar ein Lichtfenster für eine sinnvolle Novellierung. Nicht nur weil ohnedies gerade am Gesetz herumgebastelt wird. Sondern weil der aktuellste Fall einen Linken ins Zwielicht rückt. Nämlich den grünen EU-Abgeordneten Reimon. Dieser hat auf Twitter den Satz geschrieben: „Schad, dass man Freiheitliche und Islamisten nicht in einen Keller sperren und mit sich allein lassen kann.“

Das ist ganz eindeutig eine Verächtlichmachung. Offen ist allerdings, ob Freiheitliche und Islamisten zu einer der durch diesen Paragraphen geschützten Gruppen gehören. Denn der Schutz des Strafgesetzes gilt absurderweise nur für Gruppen, die durch „Rasse“ (ja, der Gesetzgeber hat es wirklich im 21. Jahrhundert mit diesem Wort formuliert!), Hautfarbe, Sprache, Religion, Weltanschauung, Staatsangehörigkeit, Abstammung, nationale oder ethnische Herkunft, Geschlecht, Behinderung, Alter oder sexuelle Ausrichtung definiert sind.

Ob da „Freiheitliche“ hineinfallen („Weltanschauung“?) ist offen. Vielleicht sind sogar „Islamisten“ zum Unterschied von den Freiheitlichen eher geschützt. Das wäre freilich wirklich der endgültige Beweis, was für ein Pfusch der Paragraph ist.

Diese selektive Besserstellung bestimmter Gruppen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine massive Verletzung des Gleichheits-Prinzips der Bundesverfassung. Damit diese Verfassungswidrigkeit aber festgestellt werden kann, muss freilich erst einmal eine Verurteilung stattfinden, die dann durch die Instanzen geht. Vielleicht die Verurteilung eines Grünen?

 

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung