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Mehr Demokratie wird sehr undemokratisch

Es merkt nun auch die EU. Genauso wie es etliche osteuropäische Länder, Argentinien oder der von den USA demokratisierte Irak in den letzten Jahren langsam lernen: Verfassungen werden nicht demokratischer, werden nicht besser, wenn sie immer noch mehr mit gegeneinander wirkenden Regeln und „demokratischen“ Gremien vollgestopft werden. Im Gegenteil: Gremien blockieren einander, kasuistische Regeln lassen oft gar keine Beschlüsse mehr zu.

Wenn man noch mehr Gremien Rechte gibt – was Exponenten der aufgewerteten Gremien gerne für „demokratisch“ erklären – dann kommt oft gar kein Beschluss zustande. Was jedenfalls undemokratisch ist.

  • Der Irak etwa war monatelang blockiert, weil Regierungschef Maliki die Verfassungs-Kasuistik anders interpretiert hat als der Präsident. Das ist auch eine Ursache des Vorstoßes der Islamisten gewesen.
  • In Rumänien liefern sich Regierung und Präsident seit Jahren einen erbitterten Kampf, der das Land vielfach lähmt.
  • In Belgien kann unter lauter Proporz- und Autonomie-Regeln seit Jahren kaum noch eine Regierung gebildet werden.
  • In Italien will Regierungschef Renzi die Mitsprache des Senats drastisch reduzieren. Denn die zweifache Mehrheit und die zweifachen Abstimmungen haben viele Reformversuche im Sand verlaufen lassen.
  • In Portugal – oder einst in Argentinien – wird ständig die Regierung am Sanieren gehindert, weil Richter der linken Opposition die Mauer machen; sie sagen aber nie, wo sonst gespart werden soll, also an anderen Stellen als den von ihnen verbotenen. (Damit keine Unklarheit entsteht: Die Unabhängigkeit der Richter ist gut. Sie sollen nicht von der Regierung gestellt werden. Sie sollen aber eben die volle Verantwortung übernehmen, wenn sie politisch oder volkswirtschaftlich entscheiden).
  • In vielen Ländern besonders Osteuropas (die also nach 1989 neue Verfassungen bekommen haben) sind Referenden nicht gültig, wenn sich nicht eine bestimmte Anzahl an Wahlberechtigten beteiligt.
  • In Amerika blockieren einander seit längerem die beiden Kammern des Parlaments; es gibt verschiedene Mehrheiten und der in einer anderen Wahl bestellte Präsident ist mehr als umstritten.
  • Auch in Deutschland haben sich die beiden Parlamentskammern gegenseitig lahmgelegt, als es unterschiedliche Mehrheiten in den beiden Parlamentskammern gegeben hat.
  • Ganz besonders ist die EU ständig durch den Kampf ihrer Institutionen gelähmt. Nationalstaaten vs. Europa. Rat vs. Parlament. Kommission vs. Parlament. Rat der Regionen, Mitsprache der Sozialpartner, immer mehr Gremien und Körperschaften: Sie alle liefern sich einen versteckten oder offenen Machtkampf, was zu immer mehr Blockaden führt. Immer mehr Institutionen werden Rechte gegeben, aber nirgendwo gibt es „die“ Institution, die diesen Machtkampf entscheiden könnte. Überall klammern Funktionäre an der Macht. Dabei ist kein einziges EU-Gremium nach dem demokratischen Kernsatz gewählt: „One man one vote“; denn die Kleinen haben überall viel mehr Rechte als die Großen. Das bringt immer öfter diese dazu, die EU zu ignorieren. Am häufigsten (wie seit Monaten) legen einander die Gremien der EU selber lahm.

Zunehmend erweist sich das in Großbritannien, Österreich und noch in etlichen anderen Ländern wirksame Prinzip als überlegen (egal wie das Wahlrecht ist): Dort kommt es von der Regierungsbildung bis zum Gesetzesbeschluss einzig und allein auf die Mehrheit in einem einzigen Gremium an. Gleichgültig, ob die entscheidende Körperschaft nun Unterhaus oder Nationalrat heißt. Alle anderen Gremien, auch die zweiten Parlamentskammern haben dort laut Verfassung nur verzögernde Wirkungen.

Es wäre in Österreich sicher nichts besser, sondern nur noch schlimmer, wenn mehr Gremien die Entscheidungsunfähigkeit dieser Regierung blockieren könnten. Die Blockaden durch die Landeshauptleute und -Parteiobmänner erfolgen ja auf dem Wege der Parteien und der Finanzen, nicht der Verfassung. Die wäre an sich (in diesem Punkt) schon in Ordnung.

Weit besser sind zweifellos direktdemokratische Verfassungen, wie sie etwa die Schweiz hat. Dort hat das Volk das oberste Wort. Das ist zweifellos deutlich besser als alle repräsentativen Modelle. Aber vorerst sind die meisten Machthaber eben nur für die repräsentative Demokratie zu haben.

Letztlich kommt es aber bei der Entscheidungsfindung in der Demokratie auf diesen Unterschied gar nicht so sehr an. Denn letztlich gilt immer die Erkenntnis: Schlanke und klare Verfassungen sind besser als umfangreiche; es darf nur eine einzige oberste Institution geben; und die Mehrheit in diesem einzigen Gremium ist ausreichend.

Wer mehr Gremien mitsprechen lässt, bedient zwar deren Wünsche, schadet aber dem Land.

 

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