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Der neue ÖVP-Chef Mitterlehner und sein Vorgänger

Noch nie flogen Michael Spindelegger so sehr die Herzen zu wie bei seinem Rücktritt. Nicht wegen des Rücktritts, sondern weil er das gesagt hat, was er schon seit Monaten sagen hätte müssen: Er hat Populisten Populisten genannt. Keine Bezeichnung trifft auf die schwarzen Landeshauptleute und Kämmerer besser und präziser zu (natürlich auch auf die Landes-Fürsten der SPÖ und den ÖGB, aber die waren bei seinem Rücktritt ja nicht involviert). Jetzt folgt ihm ein Reinhold Mitterlehner: Einen Besseren hätte sich die SPÖ wohl gar nicht wünschen können.

Denn wenn sie das rotgrüne Lieblingsprojekt einer neuen Steuer durchbringt, dann nur mit ihm. Auch wenn sich Mitterlehner in seinen ersten Wortspenden bedeckt hält, so deutet auch gesellschaftspolitisch viel darauf hin, dass unter ihm die ÖVP weiter nach links rücken wird. Was die konservativen Wähler vereinsamen lässt oder endgültig zu FPÖ oder den Stronachs treibt.

Mitterlehner hat als langjähriger Wirtschaftskammer-Mann die Gewerkschaft immer als wichtiger gesehen als die Konservativen. Er hat sich mit dem roten Sozialminister immer hervorragend verstanden. Er ist auch bekannt als einwanderungsfreundlich. In der Vergangenheit hat er sich allerdings in vielen Fragen zurückgehalten, auch in privaten Gesprächen mehr den vorsichtigen, aber großkoalitionären Populisten gezeigt als den Anhänger der Freiheit.

Auf der positiven Seite Mitterlehners steht, dass er zweifellos ein politischer Profi ist, auch ein besserer Redner als Spindelegger. Vor allem gilt: Mitterlehner hat als Nummer eins (seiner Partei) natürlich auch noch die Chance, sich zu wandeln. Vielleicht war alles bisher nur Taktik, um an die Spitze zu kommen. Und wir lernen ihn erst jetzt richtig kennen.

Es ist schon ein seltsames Gesetz, dass jedes Mal, wenn die SPÖ in besonderen Schwierigkeiten scheint (wie etwa wegen der an sich lächerlichen Quotendiskussion), die ÖVP durch eine eigene Krise Schlagzeilen macht. Negative. Aber klüger werden Schwarze offenbar nicht. Der ständige Obmannwechsel in der Volkspartei macht klar: Die einstige Hochburg der Liberalkonservativen in diesem Land ist heute völlig beliebig. Kaum denkt ein ÖVP-Chef an die Notwendigkeiten dieses Landes, sind die schwarzen Landeshauptleute verärgert. Und besonders gerne lassen sie sich von den Medien treiben. Die haben natürlich immer ihre Freude, wenn auf die ÖVP-Spitze geschimpft wird.

Für einen Wahlerfolg in ihrem Bundesland geben Landeshauptleute alles. Dass die von der ÖVP Kommenden eigentlich einer liberal-konservativen Partei angehören, ist ihnen schnurzegal. Sie wollen nur eines: weiterhin in den schönen Palästen in den Landeshauptstädten wie einst ein Adeliger hausen, Kindergärten und Kreisverkehre eröffnen, und viel Geld ausgeben.

Um die Zusammenhänge in der Welt, in Europa oder im Bund kümmern sie sich nicht. Sie kennen diese gar nicht. Von Wirtschaft haben sie erst recht keine Ahnung. Aber genau wissen sie alle, dass sie in ihrer Lokalzeitung am größten vorkommen, wenn sie gegen ihren Bundesparteiobmann stänkern. Am skurrilsten war es, als sie Noch-Mehr-Schuldenmachen „christlich“ genannt haben.

Mit diesen Strukturen, mit diesen Landesfürsten lässt sich weder Österreich noch eine Partei regieren. Wenn der Bundes-Chef nicht pariert, wird ihm einfach das Geld abgedreht. Aus.

Es ist in der SPÖ nicht anders. Aber da genügt es im Wesentlichen, wie es Faymann tut, Gewerkschaft, Rathaus und den Boulevard beisammenzuhalten, während man die anderen halt schimpfen lässt. Und es kann weiter regiert – sagen wir richtiger: verwaltet werden.

Das heißt freilich nicht, dass Spindelegger nicht auch fürchterliche Fehler gemacht hat. Sie seien hier noch einmal aufgezählt. Denn so sehr Spindelegger beim Abschied das Richtige gesagt hat, so sehr er auch wegen der Entdeckung des Sebastian Kurz zu loben ist, so wenig darf man in der Bilanz die Fehler eines an sich sympathischen und anständigen Menschen vergessen.

  1. Er hat bei den von ihm ernannten Ministern zuletzt fürchterliche Fehlgriffe getan. Brandstätter, Rupprechter und Karmasin waren und sind allesamt Versager (einen davon ließ sich Spindelegger freilich von einem Landes-Fürsten ins Aug drücken; er selbst wollte einen besseren Mann).
  2. Er wollte unbedingt in Zeiten wie diesen – die angesichts des Hypo-Debakels besonders schwierig waren – selbst Finanzminister werden. Eine Aufgabe, die er offenbar völlig unterschätzt hat.
  3. Er hat sich das Thema Steuersenkung – eigentlich ein geradezu idealtypisches Verlangen einer bürgerlichen Partei! – von der Gewerkschaft ohne argumentativen Widerstand rauben lassen. Nie hat man von ihm in den letzten Monaten ein lautes Wort gegen all die Steuer- und Schuldenmacherei gehört, an denen vor allem die Gewerkschaft schuldig ist. Mit Erhöhung des Pensionsalters allein ließe sich ja das Budget sanieren (wozu noch zahllose andere Geldverschwendungen kommen).
  4. Er hat seine Partei und seine Minister nicht geführt. Dabei hätte er mit jedem von ihnen mindestens einmal pro Tag telefonieren müssen. Spindelegger ist entweder im Ministerium total untergegangen oder wirklich ein Autist gewesen. Jedenfalls hat er seiner Herde nie die Richtung vorgegeben. Oder wie es einer seiner Vorgänger sagte: sie wie ein Hund umkreist.
  5. Er hat fast keinen Kontakt mit der Opposition gepflegt. Dabei musste er wissen: Mit dieser SPÖ, an die er sich ohne Wenn und Aber gebunden hat, unter einem Faymann sind niemals die dringend notwendigen Reformen möglich. Umso interessanter und in der ÖVP in den letzten Jahren nie zu hören waren die freundlichen Töne zur FPÖ, die nach der Kür Mitterlehners nächtens ein Reinhold Lopatka im ORF sagen durfte.
  6. Und er hat einen Koalitionspakt unterzeichnet, ohne dass endlich auch in Österreich rechtens würde, was in Deutschland seit langem judiziert wird: dass jeder Steuerschilling, der an ein Medium geht, zu einer strafrechtlichen Verfolgung des Bundes- oder Landespolitikers führt.

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