Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Rasingers Ärger und der Ärger über die Taferln

Der ÖVP-Abgeordnete Erwin Rasinger hat sich über die Kleidung im Parlament erzürnt. Auch wenn man ihm nicht in allen Details folgen kann, so hat er doch eine richtige Debatte losgetreten. Die freilich nicht stattfinden wird, da ja im Parlament vor allem Feigheit und vor allem Angst vor dem Begriff "Würde" regiert. Das erinnert mich übrigens an einen Besuch im indischen Parlament.

Da wäre ich nämlich als Zuhörer einst fast hinausgeflogen, weil ich ein unerhörtes Sakrileg begangen habe: Ich habe die Beine übereinandergeschlagen. Das gehört sich nicht. Zuhörer auf der Galerie der Lok Sabha haben ordentlich zu sitzen. So wie bei uns auf alten Fotos die Kinder in einer ländlichen Volksschule abgebildet sind: jedes brav und ordentlich. Nur durch ordentliches Sitzen ist dem Hohen Haus Respekt zu zollen.

Verdient Indien Respekt, Österreich nicht? Zumindest einige Augenblicke sollte man über diese Frage nachdenken. Trotzdem wird es wohl die große Mehrheit der Österreicher als übertrieben ansehen, wenn ein Ordnungshüter quasi hinter jedem Besucher stünde. Oder wenn sich Rasinger über die Turnschuhe grüner Abgeordneter mokiert. Ich würde mich eher als über die Schuhe über die arbeitsplatzvernichtenden Worte der Grünen erregen.

Dennoch habe ich viel Verständnis für Rasinger&Co. Denn die Würde des Hohen Hauses ist ein Thema, um das sich alle herumdrücken. Vor allem dann, wenn man an der repräsentativen Demokratie festhält (und nicht wie der Tagebuch-Schreiber für viel mehr an Direkter Demokratie eintritt).   

Aber: Zuerst sollten sich die Abgeordneten selbst Regeln unterwerfen. Dabei geht es vor allem um Eines: um Taferln, Plakate, Enten, Flaggen und vieles andere mehr. All das gehört als allererstes und zwar zu 100 Prozent aus dem Parlament entfernt. Egal, ob es am Rednerpult oder auf den Abgeordneten-Bänken steht. Egal, welchem Minister da schon wieder irgendetwas hingelegt wird.

All das zu unterbinden, wäre mit einem einzigen Beschluss den Präsidenten des Hauses leicht möglich. Geben sie doch oft wegen verbaler Lächerlichkeiten schon einen Ordnungsruf. Aber Luftmatratzen stören sie offenbar nicht.

Angefangen haben die Grünen und ihr Aktionismus. Sie brachten einst sogar eine Hakenkreuzfahne mit, um was auch immer zu zeigen. Inzwischen tun das fast schon alle Parteien. Und es ist immer widerlich. Denn im Parlament sollte einzig und allein eines zählen: das Wort. Geschliffen oder volkstümlich, egal. Aber im Parlament sollte nur die Rede zählen.

Es ist übrigens keine Frage: Hauptschuld an dieser Entwicklung sind Zeitungen und Fernsehen. Sie haben fast jedes der Taferln&Co prominent veröffentlicht, womit deren Halter viel öfter ins Bild kamen als noch so kluge Redner. Die Medien finden einen nur redenden Abgeordneten stinkfad. Aus ihrem  Interesse nach einem interessanten Bild vielleicht sogar zu Recht. Aber das sollte einem auf die eigene Würde und die der Republik schauenden Parlamente eigentlich egal sein.

Es hat aber weder ein roter noch ein schwarzer Parlamentspräsident bisher gewagt, das zu verbieten. Vielleicht sind auch sie froh über jedes Parlaments-Foto? Oder wollen Parlaments-Chefs nur ja nicht in den Geruch kommen, dass sie streng wären? Der Demokratie täten sie aber etwas sehr Gutes, wenn sie das wagten. Viele Demokraten würden sogar sagen: Endlich.

PS: Auch bei Fernsehdebatten sollten Politiker außer einem leeren Zettel und einem Kuli absolut nichts vor sich haben. Auch das ist in vielen anderen Ländern üblich.

 

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung